C(2016) 767 final
Brüssel, den 10.2.2016 C(2016) 767 final
Herrn Stanislaw TILLICH
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
D - 10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zu der Mitteilung der Kommission an das Europäische Parlament, den Rat, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen: Entwurf des gemeinsamen Berichts des Rates und der Kommission 2015 über die Umsetzung des strategischen Rahmens für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung (ET 2020) - Neue Prioritäten für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung {COM (2015) 408 final}.
Mit dem von der Kommission vorgelegten Entwurf des gemeinsamen Berichts 2015 wird einer Anforderung aus den Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Mai 2009 zu einem strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung ("ET 2020")1 nachgekommen. Demnach ist am Ende eines jeden Arbeitszyklus des strategischen Rahmens ET 2020 ein gemeinsamer Bericht des Rates und der Kommission vorzulegen, in dem die Gesamtfortschritte evaluiert werden" und der als Grundlage für die Festlegung neuer prioritärer Bereiche für den folgenden Arbeitszyklus dient.
Der Entwurf des gemeinsamen Berichts 2015 ist das Ergebnis einer breit angelegten Halbzeitbilanz des strategische Rahmens ET 2020 auf der Grundlage umfassender Beratungen mit den Mitgliedstaaten, mit Interessenträgern auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung, mit einschlägigen Organisationen der Zivilgesellschaft und mit den europäischen Sozialpartnern sowie einer unabhängigen Zwischenbewertung des strategischen Rahmens ET 2020. Im Februar 2014 ersuchte der Rat die Kommission, die Halbzeitbewertung bei der Ausarbeitung des Entwurfs des nächsten gemeinsamen Berichts unterstützend heranzuziehen, wobei sie den Blick stärker in die Zukunft richten und vorrangige Bereiche sowie konkrete Probleme für die zukünftige Arbeit nennen sollte.2
Der Entwurf der Kommission orientiert sich an dieser Vorgabe.
Dank des frühzeitigen Tätigwerdens des Bundesrates konnte die Kommission die Stellungnahme des Bundesrates gebührend zur Kenntnis zu nehmen, bevor die endgültige Fassung des gemeinsamen Berichts 2015 auf der Tagung des Rates "Bildung, Jugend, Kultur und Sport" vom 23. November 2015 förmlich angenommen wurde. Die Kommission ist erfreut, dass diese endgültige Fassung des gemeinsamen Berichts im Rat die vollständige Zustimmung aller Regierungen der Mitgliedstaaten gefunden hat.
Was den Inhalt der Stellungnahme des Bundesrates anbelangt, so begrüßt die Kommission, dass der Bundesrat die Einschätzung teilt, dass der europäischen Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung insbesondere im Hinblick auf die Herausforderungen, vor denen die EU aktuell steht, große Bedeutung beikommt. Da die Kommission der sozialen Eingliederung und der wirksamen Verhütung von gewalttätiger Radikalisierung vorrangige politische Bedeutung beimisst, begrüßt sie insbesondere, dass der Bundesrat Bildung ebenfalls als Voraussetzung für eine erfolgreiche Integration, als wesentlichen Baustein für eine demokratische Gesellschaft und als wichtigen Faktor bei der Verhinderung von Ausgrenzung und Radikalisierung ansieht.
Zugleich teilt die Kommission die Auffassung des Bundesrates, dass die Lösung dieser Probleme nicht allein der allgemeinen und beruflichen Bildung aufgebürdet werden darf und die Förderung der sozialen Eingliederung und die Prävention von gewalttätiger Radikalisierung eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe darstellen, zu der Bildung ihren eigenen spezifischen und wesentlichen Beitrag leisten kann. Genau diesen Ansatz verfolgt die Europäische Sicherheitsagenda der Kommission.
Die Kommission hat die Einwände, die der Bundesrat bezüglich der Bedeutung der Wahrung der Kompetenzen der Mitgliedstaaten (und ihrer regionalen Behörden) auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung äußert, aufmerksam zur Kenntnis genommen. Die Kommission weist darauf hin, dass es sich bei den im gemeinsamen Bericht 2015 aufgeführten prioritären Bereichen und konkreten Fragestellungen für die zukünftige Arbeit lediglich um Themen für eine europäische Zusammenarbeit im Wege gemeinsamer Analysen, gegenseitigen Lernens und der Verbreitung bewährter Verfahren handelt. Im gemeinsamen Bericht werden keineswegs Prioritäten für die nationale Politik auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung vorgegeben.
In diesem Zusammenhang ist es sachdienlich, auf eines der Ergebnisse der Halbzeitbilanz hinzuweisen, welches eben genau besagt, dass der strategische Rahmen ET 2020 als ein notwendiges Forum für die Zusammenarbeit (im Hinblick auf die gemeinsamen Herausforderungen für die Bildungssysteme) geschätzt wird, bei dem die Verantwortung der Mitgliedstaaten für die Lehrinhalte und für die Gestaltung ihrer Bildungssysteme strikt gewahrt wird. Außerdem ist die Zusammenarbeit im Rahmen des ET 2020 vollkommen freiwillig. So heißt es im gemeinsamen Bericht:
"Die Mitgliedstaaten werden entsprechend ihren nationalen Prioritäten die Bereiche und Themen, bei denen ihnen eine Beteiligung sinnvoll erscheint, für die gemeinsame Arbeit auswählen."
Die Kommission hofft, dass diese Klarstellungen viele der in der Stellungnahme des Bundesrates geäußerten Bedenken ausräumen können.
Bezüglich der eher technischen Ausführungen in der Stellungnahme verweist die Kommission auf den beiliegenden Anhang.
Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrats angesprochenen Fragen mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen
Dialogs erwartungsvoll entgegen Mit vorzüglicher Hochachtung
Franss Timmermans
Erster Vizepräsident
Tibor Navracsics
Mitglied der Kommission
Anhang
Die Kommission hat die in der Stellungnahme des Bundesrates angesprochenen Punkte sorgfältig geprüft und möchte dazu Folgendes anmerken:
Punkt 4:
In Bezug auf die Berichterstattung der Mitgliedstaaten im Rahmen des ET 2020 möchte die Kommission betonen, dass sie das Ziel verfolgt, die Berichterstattungspflichten zu vereinfachen und zu verschlanken. Es besteht keine Notwendigkeit für die Mitgliedstaaten, die bereits im Rahmen von Eurydice und Cedefop erfolgende faktische Berichterstattung durch die nationalen Berichte im Rahmen des ET 2020 zu verdoppeln.
Durch ihre Fokussierung auf die verbleibenden Herausforderungen und Vorschläge für künftige Arbeiten im Rahmen des ET 2020 - wie bereits bei der Erstellung des gemeinsamen Berichts 2015 - bieten die nationalen Berichte einen klaren Mehrwert, da sie die Grundlage für den gemeinsamen Bericht bilden, in dem die prioritären Bereiche für die Zukunft festgelegt werden sollen. Die Kommission erinnert daran, dass der Arbeitszyklus auf 5 Jahre verlängert wurde.
Punkt 5:
In Bezug auf die allgemeinen Ziele der europäischen Zusammenarbeit im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung und ihren Zusammenhang mit den allgemeinen Prioritäten der Europäischen Union ist der gemeinsame Bericht 2015 in Verbindung mit den Schlussfolgerungen des Rates von 2009 zum ET 2020 und dessen strategischen Zielen zu lesen, die im gemeinsamen Bericht 2015 ausdrücklich bestätigt werden.
Laut den Schlussfolgerungen des Rates von 2009 zum ET 2020 soll das Hauptziel der europäischen Zusammenarbeit im Zeitraum bis 2020 darin bestehen, auf die Weiterentwicklung der Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung in den Mitgliedstaaten hinzuwirken, welche
- a.) die persönliche, soziale und berufliche Entwicklung aller Bürger sowie
- b.) einen nachhaltigen wirtschaftlichen Wohlstand und Beschäftigungsfähigkeit unter gleichzeitiger Förderung der demokratischen Werte, des sozialen Zusammenhalts, des aktiven Bürgersinns und des interkulturellen Dialogs gewährleisten sollen.
Um dieser Zielsetzung uneingeschränkte Wirkung zu verleihen, wird im gemeinsamen Bericht angesichts der aktuellen Herausforderungen für Europa darauf hingewiesen, dass die allgemeine und berufliche Bildung einen wesentlichen Beitrag zu mehreren allgemeinen Strategien und Initiativen der EU leistet, darunter die Strategie "Europa 2020", die Beschäftigungsinitiative für junge Menschen, die Initiative für den digitalen Binnenmarkt, die Europäische Sicherheitsagenda, die Europäische Migrationsagenda und die Investitionsoffensive für Europa.
Die Kommission ist überzeugt, dass die wesentliche und fundamentale Bedeutung die die allgemeine und berufliche Bildung für die persönliche Entwicklung und Erfüllung des Einzelnen besitzt, durch den positiven Beitrag der allgemeinen und beruflichen Bildung zu diesen umfassenderen Strategien und Initiativen der EU keineswegs geschmälert, sondern vielmehr gestärkt wird.
Punkte 6, 7 und 8:
Bezüglich der Rolle des Europäischen Qualifikationsrahmens (EQR) und der Instrumente zur Verbesserung der Transparenz und Anerkennung von Kompetenzen und Qualifikationen verweist die Kommission auf die gegenüber dem Berichtsentwurf geänderte Formulierung im gemeinsamen Bericht 2015, mit der insbesondere der Stellungnahme des Bundesrates Rechnung getragen wurde.
Im gemeinsamen Bericht 2015 wird darauf hingewiesen, dass im Rahmen der weiteren Arbeiten die Validierung nichtformalen und informellen Lernens gefördert sowie die Transparenz und die Vergleichbarkeit von Qualifikationen in ganz Europa erleichtert werden sollten. In Bezug auf neu angekommene Migranten sei darauf hingewiesen, dass die bestehenden Transparenzinstrumente auch zu einem besseren Verständnis im Ausland vermittelter Qualifikationen in der EU und umgekehrt beitragen könnten. Auch können eine angemessene Anerkennung und Validierung die Nutzung offener und innovativer Lehrmethoden, einschließlich solcher, bei denen digitale Technologien eingesetzt werden, unterstützen.
Zudem sollten die weiteren Arbeiten auf eine wirksamere Umsetzung des EQR und der nationalen Qualifikationsrahmen (NQR) sowie auf die Weiterentwicklung des EQR ausgerichtet werden, um die Transparenz und die Vergleichbarkeit von Qualifikationen zu steigern. Die Anwendung des EQR und der NQR kann die bestehende Anerkennungspraxis unterstützen und somit den Anerkennungsprozess vereinfachen.
Besonderes Augenmerk sollte - nach einer vorläufigen Folgenabschätzung - auch auf die Vereinfachung und Rationalisierung der bestehenden EU-Instrumente wie Tools, Portale und andere Angebote im Bereich Kompetenzen und Qualifikationen gerichtet werden, die für die Allgemeinheit bestimmt sind, um die Breitenwirksamkeit dieser Instrumente zu steigern.
Punkt 12:
Bezüglich der möglichen Entwicklung künftiger Kompetenzrahmen möchte die Kommission bei dieser Gelegenheit hervorheben, dass derartige Rahmen stets mit dem Ziel entwickelt werden, die Mitgliedstaaten dabei zu unterstützen, wichtige gemeinsame Herausforderungen im Bereich der allgemeinen und beruflichen Bildung zu bewältigen - und dies auch erst, nachdem ihr möglicher Mehrwert bewertet wurde.
Die im ET 2020 vorgesehenen Kompetenzrahmen sollen durch gemeinsame Analysen und Prozesse des gegenseitigen Lernens entwickelt werden. Dabei handelt es sich um freiwillige Instrumente, die rechtlich nicht verbindlich sind und keineswegs eine Harmonisierung der Rechts- und Verwaltungsvorschriften der Mitgliedstaaten bezwecken.
Punkt 13:
Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates, dass digitale Medien ihre Wirkung im Unterricht nur unter jeweils spezifischen Bedingungen entfalten und der Einsatz digitaler Instrumente keinen Selbstzweck darstellt.
Um dies zu unterstreichen, wird im gemeinsamen Bericht 2015 betont, dass die Einführung innovativer Methoden (einschließlich neuer digitaler Instrumente) erprobte Praktiken und didaktische Materialien betrifft, die nachweislich in konkreter Form zu integrativem, engagiertem Lernen unterschiedlicher Lernender beitragen. Gleichzeitig werden die Gesellschaften zunehmend digital, was zu einem schnell wachsenden Bedarf an digitalen Kompetenzen führt. Dem muss die allgemeine und berufliche Bildung Rechnung tragen.
Punkt 14:
Bezüglich der Verwendung der Begriffe "Peer Review" und "Peer Counseling" im Zusammenhang mit Verfahren des wechselseitigen Lernens im Rahmen des ET 2020 möchte die Kommission Folgendes klarstellen:
- - "Peer Review" ist ein etablierter Begriff aus der Praxis des ET 2020, der im gemeinsamen Bericht 2012 eingeführt wurde. Zur Vermeidung von Missverständnissen wird in der endgültigen Fassung des gemeinsamen Berichts 2015 ausdrücklich klargestellt, dass es sich bei der "Peer Review" um eine im gemeinsamen Bericht 2012 vereinbarte freiwillige Praxis handelt.
- - "Peer Counseling" (Beratung auf Peer-Ebene) ist ein neuer Begriff. Damit er richtig verstanden wird, enthält die endgültige Fassung des gemeinsamen Berichts 2015 eine Fußnote, in der erläutert wird, dass das Peer Counseling ein Instrument ist, das gleichgestellte Berufskollegen aus einer kleinen Zahl nationaler Verwaltungen auf freiwilliger und transparenter Basis zusammenbringt, um Ländern, die eine grundlegende politische Entwicklung durchlaufen, externe Beratungsdienste zur Verfügung zu stellen. Dabei soll über die reine Informationsweitergabe hinaus ein Forum geschaffen werden, in dessen Rahmen in partizipativen Workshops Lösungen für nationale Herausforderungen gefunden werden sollen.
Punkte 15 und 16:
Die Kommission sieht davon ab, sich zu den Teilen der Stellungnahme des Bundesrates, die sich speziell auf die Arbeitsunterlage zu der Mitteilung beziehen, zu äußern. Bei der Arbeitsunterlage zu der Mitteilung handelt es sich lediglich um ein Arbeitsdokument der Kommissionsdienststellen. Sie wurde von der Kommission nicht angenommen und ist auch nicht Teil des gemeinsamen Berichts 2015, der am 23. November 2015 angenommen wurde.
- 1. Schlussfolgerungen des Rates vom 12. Mai 2009 zu einem strategischen Rahmen für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung ("ET 2020") (ABI. C 119 vom 28.5.2009, S. 2).
- 2. Schlussfolgerungen des Rates vom 24. Februar 2014 - Mit einer effizienten und innovativen allgemeinen und beruflichen Bildung in Qualifikationen investieren - ein Beitrag zum Europäischen Semester 2014 (ABI. C 62 vom 4.3.2014, S. 4).