936. Sitzung des Bundesrates am 25. September 2015
A
Der federführende Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Zum Gesetzentwurf allgemein
- a) Die Entwicklung des internationalen Personenverkehrs und die zunehmende Öffnung der Kapital-, Waren- und Dienstleistungsmärkte haben auch zu neuen Möglichkeiten des grenzüberschreitenden Steuerbetrugs geführt. Steuergerechtigkeit und eine faire Finanzierung der öffentlichen Haushalte sind die Grundvoraussetzung für ein funktionierendes Gemeinwesen und einen handlungsfähigen Staat. Steuerhinterziehung erschwert die Finanzierung öffentlicher Güter und enthält dem Staat zulasten aller ehrlichen Steuerzahler die Mittel für notwendige Investitionen etwa in Bildung und Infrastruktur vor.
- b) Der Bundesrat hält eine verstärkte Zusammenarbeit zwischen den nationalen Steuerbehörden, die dem Ziel einer ordnungsgemäßen Ermittlung der Steuerpflicht und damit der Bekämpfung von internationaler Steuerhinterziehung dient, deshalb für dringend geboten. Nach Auffassung des Bundesrates kommt insbesondere der Schaffung von Transparenz in Steuerangelegenheiten und dem automatischen Informationsaustausch mit einer möglichst großen Anzahl von Staaten eine Schlüsselrolle bei der Bekämpfung von Steuerflucht und internationaler Steuerhinterziehung zu.
- c) Der Bundesrat begrüßt vor diesem Hintergrund die Mehrseitige Vereinbarung zwischen den zuständigen Behörden über den automatischen Austausch von Informationen über Finanzkonten, die im Oktober 2014 von Deutschland und 50 weiteren Staaten unterzeichnet worden ist. Er begrüßt den Entwurf des vorliegenden Vertragsgesetzes, mit dem die erforderliche Zustimmung der gesetzgebenden Körperschaften zur Notifikation der Mehrseitigen Vereinbarung erfolgen soll.
- d) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, sich für eine möglichst rasche Umsetzung des Informationsaustauschs in einer möglichst großen Anzahl von Staaten einzusetzen und auf eine rasche Entwicklung von wirksamen Einzelregelungen auf der Grundlage der multilateralen Vereinbarungen hinzuwirken.
- e) Der notwendige regelmäßige und unverzögerte Austausch steuerrelevanter Informationen zwischen den Finanzverwaltungen der beteiligten Staaten bezieht sich insbesondere auf Daten über Finanzkonten, die von Finanzinstituten geführt werden. Diese Daten sind von der jeweils zuständigen Finanzbehörde nur dann im Rahmen eines ordnungsgemäßen Besteuerungsverfahrens verwendbar, wenn sie den betroffenen Steuerpflichtigen eindeutig zugeordnet werden können. Aus Sicht des Bundesrates bedarf es deshalb begleitender Regelungen, um die wirtschaftlichen Profiteure etwa international tätiger Stiftungen oder Trusts identifizieren und ordnungsgemäß zur Besteuerung heranziehen zu können. Mit dem Ziel weitreichender Transparenz in Steuerangelegenheiten nur schwer kompatibel ist aus Sicht des Bundesrates auch der Vorschlag der EU-Kommission zur Schaffung einer "Societas Unius Personae (SUP)" mit vereinfachten Gründungsregelungen und über eine einfache Onlineanmeldung, d.h. ohne notarielle Beteiligung und insbesondere auch ohne Verifizierung der Beteiligten.
- 2.
- f) Im Rahmen der Unternehmensteuerreform im Jahr 2008 ist Deutschland dem internationalen Trend einer Herauslösung der Kapitaleinkommen aus der progressiven Einkommensbesteuerung gefolgt und belegt private Zinseinkünfte seitdem mit einem abgeltenden Steuersatz von konstant 25 Prozent. Die damit einhergehende Dualisierung der Besteuerung sollte der legalen und illegalen Verlagerung von Finanzvermögen deutscher Steuerpflichtiger ins Ausland entgegenwirken.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass Steuerhinterzieher im Zuge eines verbesserten internationalen Informationsaustauschs in Steuerfragen mittlerweile mit einem spürbar höheren Entdeckungs- und Verfolgungsrisiko rechnen müssen. Diese Entwicklung macht es aus Sicht des Bundesrates notwendig, die Wirkungsweise und die Frage der weiteren Notwendigkeit der bestehenden Abgeltungsteuer zu evaluieren. Insbesondere ist zu überprüfen, ob eine Rückkehr zur synthetischen Besteuerung aller Einkünfte angezeigt ist; Zinseinkünfte wären dann wie alle übrigen Einkünfte wieder mit dem persönlichen Steuersatz zu versteuern.
B
- 3. Der Ausschuss für Innere Angelegenheiten und der Wirtschaftsausschuss empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.