Europäische Kommission
Brüssel, den 12.6.2012
C(2012) 3834 final
Herrn Horst Seehofer
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
D-10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag über den Europäischen Fonds für die Anpassung an die Globalisierung (EGF) 2014-2020 (KOM (2011) 608 endg.).
Der EGF ist Ausdruck der Solidarität auf europäischer Ebene. Auf Antrag hilft er den Mitgliedstaaten bei der Bewältigung unvorhergesehener Auswirkungen der Globalisierung. Er wurde als nützliche Ergänzung der auf nationaler Ebene beschlossenen, entwickelten und umgesetzten politischen Maßnahmen konzipiert.
Entsprechend dem Subsidiaritätsprinzip können die Mitgliedstaaten darüber entscheiden, ob sie überhaupt EGF-Mittel beantragen, und falls ja, auf welche freigesetzten Arbeitnehmer abgezielt wird, welche Maßnahmen umzusetzen sind und mit welchen Kosten dies für den Haushalt verbunden ist. Die Mitgliedstaaten wenden die Maßnahmen entsprechend ihren eigenen Gesetzen, Verfahren und Vorschriften an.
Der EGF gibt den Mitgliedstaaten die Möglichkeit, über die in der Regel für im Rahmen von Massenentlassungen freigesetzten Arbeitnehmer zur Verfügung stehenden Maßnahmen hinauszugehen, indem ihnen personalisiertere Unterstützung gewährt wird, sie für längere Zeit unterstützt werden und indem Maßnahmen angeboten werden, die (bisher noch) nicht in den jeweiligen einzelstaatlichen Systemen vorgesehen sind. Der EGF kann somit in Anspruch genommen werden, um innovative Maßnahmen und Verfahren zu testen. Allerdings nur, falls die Mitgliedstaaten dies wünschen.
Die Kommission nimmt den Vorschlag des Bundesrates zur Kenntnis, den EGF in den Rahmen der Strukturfonds einzubeziehen. Eine Möglichkeit könnte die Fusion des EGF mit oder seine Integration in den Europäischen Sozialfonds (ESF) sein. Bei der Erarbeitung ihrer Vorschläge für den nächsten mehrjährigen Finanzrahmen hat die Kommission diese Option geprüft und festgestellt, dass die beiden in ihrer Art unterschiedlichen Instrumente getrennt bleiben sollten.
Zweck des EGF ist die Bereitstellung einmaliger, zeitlich befristeter personalisierter Unterstützungsmaßnahmen für entlassene Arbeitnehmer mit gemeinsamem Entlassungshintergrund. Auf diese Weise ersetzt er nicht, sondern ergänzt sowohl die Instrumente der nationalen Politik als auch die umfassenden, langfristig ausgerichteten Maßnahmen und Politiken, die durch die Instrumente der Kohäsionspolitik, insbesondere des ESF, umgesetzt werden.
Dies erklärt auch, warum die Kommission vorgeschlagen hat, den EGF außerhalb des zentralen Haushalts anzusiedeln. Aufgrund des besonderen Charakters des EGF als Kriseninstrument ist nur sehr schwer vorherzusehen, wie hoch die erforderlichen Mittel sein werden, da die Anzahl der Anträge und die beantragten Beträge von unvorhersehbaren Umständen abhängen. In Zeiten, in denen äußerst sorgfältig mit Haushaltsmitteln umgegangen und jeder im Haushalt vorgesehene Euro intelligent ausgegeben werden muss, ist es umso sinnvoller, den EGF wie bisher als flexible Reserve nicht in den zentralen Haushalt einzubeziehen.
Hinsichtlich der Ausweitung des künftigen EGF auf neue Kategorien von Arbeitnehmern, insbesondere Leiharbeitnehmer und Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag, hält es die Kommission (infolge der Stellungnahmen der Interessengruppen zu zwei Konsultationen Anfang 2011) für wichtig, die Ungleichbehandlung aufgrund der gegenwärtigen Bestimmungen des Fonds zu beenden. Die gegenwärtige EGF-Verordnung sieht vor, dass nur Arbeitskräfte, die arbeitslos geworden sind (d.h. deren Arbeitsverträge vorzeitig gekündigt wurden), im Rahmen des EGF Unterstützung erhalten können. Selbst wenn Leiharbeitnehmer ihren Arbeitsplatz aufgrund der Globalisierung des Handels verlieren, schließt diese Bestimmung in der Praxis Arbeitnehmer aus, deren Verträge einfach nur nicht verlängert wurden, und die Unterstützung bei ihren Bemühungen, so rasch wie möglich einen neuen Arbeitsplatz zu finden, verdienen.
Die Einbeziehung weiterer Arbeitnehmerkategorien, insbesondere von Landwirten, wäre darüber hinaus ein Signal der EU, weiterhin Solidarität mit Bereichen zu zeigen, die sich möglicherweise negativen Auswirkungen von Freihandelsabkommen ausgesetzt sehen. Die gezielte, einmalige Unterstützung von Landwirten im Rahmen des EGF würde die allgemeine strukturelle Unterstützung durch die Gemeinsame Agrarpolitik ergänzen.
Die Kommission hat im Jahre 2011 die Halbzeitevaluierung der Wirksamkeit und Nachhaltigkeit der durch den EGF erreichten Ergebnisse durchgeführt und den verschiedenen europäischen Organen und Interessengruppen die Resultate unterbreitet. Die Mitgliedstaaten, insbesondere diejenigen, die Schlussberichte über die Durchführung der EGF-Maßnahmen vorgelegt hatten, waren an dieser Evaluierung eng beteiligt. Darüber hinaus waren alle Mitgliedstaaten eingeladen, Vertreter für die am 2. Februar 2012 in Brüssel veranstaltete Konferenz über die Ergebnisse der Evaluierung zu entsenden.
Die Kommission hofft, mit diesen Erläuterungen die in Ihrer Stellungnahme aufgeworfenen Fragen beantwortet zu haben.
Mit freundlichen Grüßen