Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches -Strafzumessung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe
(... StrÄndG)

A. Problem und Ziel

B. Lösung

C. Alternativen

D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte

E. Sonstige Kosten

F. Bürokratiekosten

Gesetzentwurf der Bundesregierung
Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches -Strafzumessung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe (... StrÄndG)

Bundesrepublik Deutschland Die Berlin, den 25. Mai 2007
Bundeskanzlerin

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Dr. Harald Ringstorff

Sehr geehrter Herr Präsident,

hiermit übersende ich gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes den von der Bundesregierung beschlossenen


mit Begründung und Vorblatt.
Federführend ist das Bundesministerium der Justiz.


Mit freundlichen Grüßen
Dr. Angela Merkel
Fristablauf: 06.07.07

Entwurf eines ... Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches - Strafzumessung bei Aufklärungs- und Präventionshilfe (... StrÄndG)

Vom [Eintragen: Datum der Ausfertigung]

Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:

Artikel 1
Änderung des Strafgesetzbuches

Das Strafgesetzbuch in der Fassung der Bekanntmachung vom 13. November 1998 (BGBl. I S. 3322), zuletzt geändert durch ..., wird wie folgt geändert:

Artikel 2
Änderung des Betäubungsmittelgesetzes

§ 31 des Betäubungsmittelgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 1. März 1994 (BGBl. I S. 358), das zuletzt durch ...(BGBl. I S. ...) geändert worden ist, wird wie folgt geändert:

Artikel 3
Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch

Nach Artikel 316b des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch vom 2. März 1974 (BGBl. I S. 469, 1975 I S. 1916, 1976 I S. 507), das zuletzt durch ... (BGBl. I S. ...) geändert worden ist, wird folgender Artikel 316c eingefügt:

Artikel 316c
Übergangsvorschrift zum ... Strafrechtsänderungsgesetz

Artikel 4
Inkrafttreten

Begründung

A. Allgemeiner Teil

I. Zielsetzung des Entwurfs

Die durch Artikel 4 des Gesetzes zur Änderung des Strafgesetzbuches, der Strafprozessordnung und des Versammlungsgesetzes und zur Einführung einer Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten (BGBl. I S. 1059) vom 9. Juni 1989 eingeführte und durch Artikel 5 des Verbrechensbekämpfungsgesetzes vom 28. Oktober 1994 (BGBl. I S. 3186) um die Taten einer kriminellen Vereinigung ergänzte Kronzeugenregelung ist am 31. Dezember 1999 ausgelaufen. Diese Regelung war auf Täter und Teilnehmer der Organisationsdelikte nach §§ 129, 129a StGB (Bildung krimineller und terroristischer Vereinigungen) und damit zusammenhängenden Taten beschränkt, wobei im Falle der kriminellen Vereinigung u. a. hinzukommen musste, dass die Zwecke oder Tätigkeiten der Vereinigung auf die Begehung von Taten gerichtet war, bei denen der Erweiterte Verfall (§ 73d StGB) angeordnet werden kann. Diese Begrenzung wurde von der Praxis aus nachvollziehbaren Gründen als zu restriktiv empfunden, namentlich weil sich die strafrechtlich relevanten Aktivitäten in diesen Bereichen keineswegs auf Taten von Vereinigungen im Sinne der §§ 129, 129a StGB beschränken (siehe Vorblatt A).

Derzeit bestehen einige wenige bereichsspezifische Regelungen, die es dem Täter ermöglichen, durch Preisgabe ermittlungsrelevanter Informationen eine Strafmilderung oder gar das Absehen von Strafe zu erlangen. Insbesondere die Regelung in § 31 BtMG wurde von der Praxis in großem Umfang angenommen und hat im Bereich der organisierten Betäubungsmittelkriminalität ungewöhnliche Ermittlungserfolge ermöglicht (vgl. hierzu Körner, BtMG, 5. Auflage, § 31 Rn. 3 f.). Diesen "kleinen Kronzeugenregelungen" ist indes gemein dass sie nur einen speziellen Deliktsbereich abdecken und der sich offenbarende Täter selbst eine einschlägige Straftat aus diesem Deliktsfeld begangen haben muss.

Im Übrigen können entsprechende Angaben lediglich über die allgemeinen Vorschriften berücksichtigt werden ( § 46 StGB, §§ 153 ff. StPO, bei bestimmten Delikten auch über die Annahme eines unbenannten minder schweren Falles). Dieses Instrumentarium bietet jedoch für den Täter nur einen begrenzten Kooperationsanreiz, da das Ausmaß der Vergünstigung für den Betroffenen beschränkt und vor allem wenig vorhersehbar ist.

Gleichzeitig stoßen die Strafverfolgungsbehörden vor allem im Bereich des Terrorismus und der organisierten Kriminalität, einschließlich der schweren Wirtschaftskriminalität, häufig auf abgeschottete Strukturen, denen ohne Angaben von selbst ins kriminelle Milieu verstrickten Tätern kaum wirksam begegnet werden kann (siehe Vorblatt A.). Der Entwurf will daher durch Schaffung einer allgemeinen Strafzumessungsvorschrift in breiterem Umfang als bisher Anreize für Aufklärungs- und Präventionshilfen schaffen und so das Eindringen in diese Strukturen erleichtern (zu entsprechenden Forderungen aus der Praxis vgl. Mühlhoff/Mehrens, Das Kronzeugengesetz im Urteil der Praxis, S. 96 ff.; Mühlhoff/ Pfeiffer, ZRP 2000, S. 121 ff.).

II. Gesetzgebungskompetenz; Vereinbarkeit mit EU-Recht

Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes folgt aus Artikel 74 Abs. 1 Nr. 1 des Grundgesetzes (Strafrecht).

Der Gesetzentwurf ist mit dem Recht der Europäischen Union vereinbar. Mehrere Rahmenbeschlüsse der EU legen den Mitgliedstaaten sogar nahe, für Täter, die Aufklärungs- oder Präventionshilfe leisten, eine gesetzliche Strafmilderung vorzusehen (vgl. Artikel 6 des Rahmenbeschlusses 2002/475/JI des Rates vom 13. Juni 2002 zur Terrorismusbekämpfung (Abl. EG (Nr. ) L 164/3), Artikel 4 des im Wege der allgemeinen Ausrichtung am 28. April 2006 politisch geeinigten Entwurfs eines Rahmenbeschlusses zur Bekämpfung der Organisierten Kriminalität (Ratsdokument 9067/06, CRIMORG 80), Artikel 5 des Rahmenbeschlusses 2004/757/JI des Rates vom 25. Oktober 2004 zur Festlegung von Mindestvorschriften über die Tatbestandsmerkmale strafbarer Handlungen und die Strafen im Bereich des illegalen Drogenhandels (Abl. EG (Nr. ) L 335/8)).

III. Gesetzesfolgen

Die vorgeschlagenen Änderungen lassen für die Haushalte des Bundes und der Länder sowohl Kostenersparnisse als auch Mehrkosten erwarten, die sich im Ergebnis ausgleichen dürften.

Einsparungen können die Folge von effizienteren Verfahren sein, wenn die Angaben des "Kronzeugen" z.B. eine schnellere Aufklärung der Tat und ggf. die Verhinderung weiterer Taten ermöglichen und so weitere aufwändige Ermittlungen entbehrlich machen. Einsparungen können sich auch infolge einer kürzeren Vollzugsdauer oder des Absehens von Strafe zugunsten des Aufklärungs- oder Präventionsgehilfen ergeben. Auf der anderen Seite ist zu erwarten, dass die Regelungen zur Aufdeckung und Verhinderung bislang unbekannter Straftaten und damit zu einer Zunahme entsprechender Ermittlungs- und Strafverfahren und eines entsprechenden Vollzugsaufwands führen. Dies schließt im Einzelfall auch einen verstärkten Überprüfungsaufwand für solche Angaben eines potenziellen "Kronzeugen" ein, die sich im Ergebnis als nicht stichhaltig erweisen.

Es sind weder zusätzliche Kosten für die Wirtschaft noch Auswirkungen auf das Preisniveau, insbesondere das Verbraucherpreisniveau, zu erwarten.

Auswirkungen von gleichstellungspolitischer Bedeutung sind nicht zu erwarten.

B. Besonderer Teil

Zu Artikel 1 (Änderung des Strafgesetzbuches)

Zu Nummer 1 (Inhaltsübersicht)

Die Änderung der Inhaltsübersicht ist infolge der Einfügung des § 46b StGB-E erforderlich.

Zu Nummer 2 (§ 46b StGB-E)

Zu Absatz 1

Die Regelung ermöglicht es dem Gericht, die Strafe zu mildern oder in bestimmten Fällen von Strafe abzusehen, wenn der Täter einer nicht der einfachen Kriminalität zuzurechnenden Straftat freiwillig sein Wissen über eine der in § 100a StPO genannten Tat offenbart, so dass deren Begehung noch verhindert werden kann oder die Wissensoffenbarung wesentlich zur Aufdeckung dieser Tat beigetragen hat.

Bei der Frage, bei welchen Taten des Täters die Vorschrift Anwendung finden kann, entscheidet sich der Entwurf in Satz 1 einleitender Satzteil für einen relativ breiten Anwendungsbereich und verzichtet namentlich auf die eigenständige Benennung von Katalogtaten.

Durch die Beschränkung auf Delikte, die mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht sind, werden grundsätzlich alle Taten der mittleren und schweren Kriminalität erfasst. Mit diesem relativ weiten Anwendungsbereich soll nicht nur ein möglichst breit wirkender Anreiz für Aufklärungs- und Präventionshilfen geschaffen werden, es sollen auch Differenzierungen vermieden werden, deren Berechtigung fraglich wäre.

So erschiene es zum Beispiel zweifelhaft, die Honorierung entsprechender Angaben generell von der Art der vom "Kronzeugen" selbst verübten Tat abhängig zu machen, da dies den Wert solcher Angaben für die Verfolgung und Verhinderung bislang nicht aufgedeckter Taten grundsätzlich unberührt lässt (vgl. Hassemer, StV 1986, 550, 553 a. E.; Jeßberger, Kooperation und Strafzumessung, S. 116). Dies gilt auch für die spezielle Frage, ob die Tat des Aufklärungs- oder Präventionsgehilfen zur selben Deliktsgruppe gehören muss wie die Tat, auf die sich seine Angaben beziehen. Selbst wenn man eine erhöhte Wahrscheinlichkeit unterstellte, dass ein Täter eher Angaben zu einer Tat aus demselben Deliktsbereich machen kann, erschiene dies allein nicht ausreichend, um Angaben anderer Täter, die im konkreten Fall den gleichen oder gar einen noch höheren Wert haben können generell weniger zu berücksichtigen und aus dem Anwendungsbereich auszunehmen.

Hinzu kommt, dass gerade im Bereich der organisierten Kriminalität die Täter zunehmend deliktsübergreifend tätig werden (BMI/BMJ, Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht, 2006, S. 440) und sich somit auch deren Erkenntnisse in der Regel gerade nicht auf eine bestimmte Deliktsgruppe beschränken. Nur eine deliktsübergreifend anwendbare Vorschrift kann somit den notwendigen Anreiz schaffen, damit z.B. ein Drogenhändler sein Wissen über die Taten eines Menschenhändlerrings offenbart und umgekehrt.

Auch die Schwere der Tat des Aufklärungs- oder Präventionsgehilfen scheint grundsätzlich kein geeignetes Kriterium zu sein, von dem eine mögliche Honorierung seiner Angaben generell abhängig gemacht werden sollte. Namentlich eine Beschränkung auf Täter der Schwerstkriminalität könnte sich dem Vorwurf ausgesetzt sehen, allein solche Täter zu privilegieren, die schwerste Schuld auf sich geladen und nicht selten aufgrund ihrer tiefen Verstrickung ins kriminelle Milieu ein besonders umfangreiches Wissen über begangene oder geplante Straftaten angesammelt haben. Sachgerecht erscheint allerdings, die Taten der einfachen Kriminalität aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift auszunehmen.

Unabhängig von der Frage, inwieweit entsprechende Täter überhaupt als potenzielle Aufklärungs- oder Präventionsgehilfen für die hier in Rede stehenden Taten in Betracht kommen kann hier auf eine besondere, zu einer Strafrahmenverschiebung führende Milderungsmöglichkeit verzichtet werden. Denn im Bereich der nicht mit erhöhter Mindestfreiheitsstrafe bedrohten Taten kann eine solche Hilfe regelmäßig bereits im Rahmen der Strafzumessung ( § 46 StGB) oder durch Anwendung der §§ 153 ff. StPO angemessen berücksichtigt werden, ganz abgesehen davon, dass die in § 49 Abs. 1 Nr. 3 StGB eröffnete Absenkung der Mindeststrafe hier ohnedies ins Leere ginge. Zudem dürfte zukünftig bei der Anwendung der §§ 46 StGB, 153 ff. StPO auch dem Umstand zusätzliches Gewicht zukommen, dass § 46b StGB-E zwar nicht die Tat des "Kronzeugen" erfasst, wohl aber die Tat, auf die sich seine Angaben beziehen. Aus der Aufnahme der zu offenbarenden Tat in § 46b StGB-E kann nämlich abgeleitet werden, dass der Staat bei solchen Delikten generell ein erhöhtes Interesse daran hat, in seinen Ermittlungsbemühungen unterstützt zu werden (dazu näher im Folgenden).

Der Entwurf will der Praxis eine möglichst klare Vorgabe geben, welche Auswirkungen Schärfungen und Milderungen für die Frage zukommt, ob die Tat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe bedroht ist. Deshalb bestimmt Satz 2, dass nur Schärfungen, die für besonders schwere Fälle vorgesehen sind, für diese Einteilung zu berücksichtigen sind. Einer besonderen Regelung bedarf es, da dieser Ansatz sowohl von den Vorgaben nach § 12 Abs. 3 und § 78 Abs. 4 StGB (generelle Unbeachtlichkeit aller Schärfungen und Milderungen) als auch von der Rechtspraxis z.B. zu § 49 Abs. 1 StGB abweicht, wonach die dort genannten Ausgangsstrafrahmen unter Einbeziehung besonders schwerer oder minder schwerer Fälle und etwaiger sonstiger Milderungen nach § 49 StGB zu bestimmen sind (vgl. Franke in Münchener Kommentar, StGB, § 49 Rn. 3). Konkret erfasst werden durch Satz 2 vor allem solche Schärfungen, die durch Regelfälle (z.B. § 243 Abs. 1, § 253 Abs. 4, § 263 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 267 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1, § 300 Satz 2 Nr. 2 StGB) oder durch zwingende Beispielsfälle (z.B. § 129 Abs. 4 StGB) benannt und erläutert werden (vgl. Tröndle/Fischer, StGB, 54. Aufl., § 12 Rn. 11 sowie BGH 3 StR 550/83 = BGHSt 32, 293, 294). Damit wird vermieden, dass in einem möglicherweise frühen Verfahrensstadium (z.B. im Rahmen der Anwendung des § 153b StPO) schon umfassende, eine Gesamtwürdigung erfordernde Strafzumessungserwägungen angestellt werden müssen, ohne auf die Vermutungswirkung eines Regelfalls oder eines zwingenden Beispielsfalls zurückgreifen zu können. Unbenannte Schärfungen sind zwar grundsätzlich ebenfalls zu berücksichtigen haben aber für die Einteilung nach Satz 1 einleitender Satzteil nur eine sehr geringe praktische Bedeutung (vgl. § 102 Abs. 1, § 107 Abs. 1, § 108 Abs. 1 StGB).

Milderungen für minder schwere Fälle oder solche, die nach den Vorschriften des Allgemeinen Teils des StGB vorgesehen oder möglich sind, sollen für die Anwendbarkeit des § 46b StGB-E hingegen nicht maßgebend sein (erst recht bleibt natürlich die mögliche Strafmilderung nach § 46b StGB-E selbst bei der Bemessung des Ausgangsstrafrahmens unberücksichtigt). Damit wird insbesondere verhindert, dass der gerade für Aufklärungs- und Präventionshilfen relevante Kreis der Tatgehilfen aufgrund der in § 27 Abs. 2 Satz 2 StGB vorgeschriebenen Milderung aus dem Anwendungsbereich der Vorschrift herausfällt, weil die Haupttat mit einer im Mindestmaß erhöhten Freiheitsstrafe von weniger als einem Jahr bedroht ist. Die Unbeachtlichkeit von Milderungen stellt also sicher, dass nicht durch die vorgehende Anwendung eines anderen Milderungsgrundes die weitergehende Milderungs- und Absehensmöglichkeit nach § 46b StGB-E von vorneherein ausgeschlossen wird. Sie ähnelt damit vom Ansatz her der u. a. aus § 50 StGB abgeleiteten Rechtsprechung, wonach beim Zusammentreffen mehrerer Milderungsmöglichkeiten grundsätzlich der für den Betroffenen günstigeren der Vorrang einzuräumen ist (vgl. BGH 2 StR 664/84 = BGHSt 33, 92; Theune in Leipziger Kommentar, StGB, 12. Aufl., § 50 Rn. 14).

Dies schließt aber nicht aus, dass der Tatrichter im Einzelfall trotz einer Aufklärungs- oder Präventionshilfe dennoch nicht § 46b StGB-E anwendet, sondern diesen vertypten Milderungsgrund einsetzt eventuell zusammen mit weiteren Umständen, um bereits einen besonders schweren Fall zu verneinen oder einen minder schweren Fall zu bejahen, wenn der so gebildete Strafrahmen seiner Ansicht nach besser zur Ahndung des Unrechts geeignet ist (vgl. BGH 3 StR 327/99 = NStZ 1999, 610). Satz 2 will die Anwendbarkeit des § 46b StGB-E in den beschriebenen Fällen nur ermöglichen, nicht aber vorschreiben. Er lässt schließlich auch die schon im geltenden Recht anerkannte Möglichkeit einer doppelten Strafrahmenmilderung (vgl. BGH 3 StR 210/81 = BGHSt 30, 166; Tröndle/Fischer a.a.O. § 50 Rn. 7 m.w.N.) unberührt, so dass z.B. der o. g. Milderungsgrund der Gehilfeneigenschaft - oder ein anderer vertypter Milderungsgrund - über die Anwendung des § 46b StGB-E hinaus zu einer nochmaligen Strafrahmenverschiebung nach § 49 Abs. 1 StGB eingesetzt werden kann.

Der Kreis der Taten, auf die sich die Aufklärungs- oder Präventionshilfe beziehen muss, soll nach Satz 1 Nummer 1 und 2 dem geplanten Deliktskatalog des § 100a Abs. 2 StPO-E entnommen werden, wie er im Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen sowie zur Umsetzung der Richtlinie 2006/24/EG (Regierungsentwurf vom 18. April 2007, BR-Drucksache 275/07 (PDF) ) vorgesehen ist.

Die besondere Honorierung einer Aufklärungs- und Präventionshilfe bedarf vor allem dann wenn sie eine noch schuldangemessene Sanktionierung des Täters in Frage stellt, im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip und das daraus abgeleitete Gebot der materiellen Gerechtigkeit einer Rechtfertigung. In welchem Umfang die hier vorgeschlagene Regelung, die auf der bereits jetzt nach § 46 StGB möglichen Berücksichtigung eines positiven Nachtatverhaltens aufbaut, zu einer solchen Privilegierung führt, kann dahinstehen (zum Streitstand über die Vereinbarkeit einer Kronzeugenregelung mit dem Schuldgrundsatz vgl. Jeßberger a.a.O. S. 65 ff., 87 f.). Die entsprechende Rechtfertigung kann sich jedenfalls aus der ebenfalls aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitenden wesentlichen Aufgabe des Staates ergeben, gerade schwere Straftaten aufzuklären und zu verhindern (vgl. BVerfGE 29, 183, 194; 33, 367, 383; 77, 65, 76; 100, 313, 389). Dieser Pflicht kann der Staat bei bestimmten Deliktsformen, insbesondere solchen, für die eine konspirative Begehungsweise und abgeschottete Strukturen typisch sind, ohne besondere Maßnahmen nur schwer oder gar nicht nachkommen.

Die hier vorgeschlagene "Kronzeugenregelung" stellt eine solche besondere Maßnahme dar. Die - über die allgemeinen Vorgaben des § 46 StGB oder §§ 153 ff. StPO hinausgehende - gesetzliche Festlegung einer Strafvergünstigung in Form einer Strafrahmenverschiebung und der Möglichkeit des Absehens von Strafe kann, auch aufgrund der damit verbundenen Signalwirkung, den Anreiz für einen potenziellen "Kronzeugen" deutlich erhöhen, sein Wissen frühzeitig und umfassend zu offenbaren. Neben der dadurch eröffneten Möglichkeit, bislang unaufgeklärt oder unerkannt gebliebene Straftaten aufzudecken oder zu verhindern und damit zugleich bislang abgeschottete Strukturen aufzubrechen, entfaltet das durch solche Wissensoffenbarungen erhöhte Entdeckungsrisiko für potenzielle Straftäter auch abschreckende und damit generalpräventive Wirkung (vgl. wiederum Jeßberger a.a.O. S. 95).

Im Hinblick auf die konkrete Festlegung des Kreises der Taten, deren Offenbarung eine Rücknahme des staatlichen Strafanspruchs rechtfertigt, können die gesetzlichen Vorgaben nutzbar gemacht werden, mit denen der Gesetzgeber besondere Ermittlungsmaßnahmen gestattet. Eine zentrale Ermittlungsbefugnis stellt insoweit das Recht zur Überwachung der Telekommunikation nach § 100a StPO dar. Der dort gegenwärtig in Satz 1 und nach dem o. g. Entwurf zukünftig in Absatz 2 enthaltene Deliktskatalog enthält vor allem solche Taten, die nicht nur einen gewissen Schweregrad erreichen - § 100a Abs. 2 StPO-E spricht selbst von "schweren Straftaten" -, sondern bei denen aufgrund oftmals konspirativ und in abgeschotteten Strukturen erfolgender Begehungsweise tendenziell ein besonderes Ermittlungsdefizit besteht. Darüber hinaus umfasst er schwerste Taten (insbesondere Tötungsdelikte sowie schwere Sexualdelikte), die allein aufgrund ihrer besonderen Schwere derartige Maßnahmen grundsätzlich rechtfertigen (vgl. Regierungsentwurf vom 18. April 2007, a.a.O. S. 88 f.: der Katalog erfasst schwere und schwer ermittelbare Kriminalität unter Ausschluss weniger gravierender Rechtsverletzungen).

Die Schwere der bereits erfolgten oder noch drohenden Rechtsgutsverletzungen und die Schwierigkeiten des Staates, bereits begangene oder drohende Taten hinreichend aufzuklären oder zu verhindern, können auch als maßgebende Kriterien für die Festlegung des Kreises der Taten genannt werden, bei denen die besondere Honorierung von Aufklärungs- und Präventionshilfe gerechtfertigt ist.

Daher erscheint es sachgerecht, den Kreis der Taten parallel zum Katalog des § 100a Abs. 2 StPO-E zu bestimmen. Die dortige Aufzählung erfasst sowohl schwerste Einzeldelikte (s. o.) als auch solche Deliktsformen, die dem Bereich des Terrorismus (im weitesten Sinn) und der organisierten Kriminalität, einschließlich der schweren Wirtschaftskriminalität, zugeordnet werden können (vgl. wiederum Regierungsentwurf vom 18. April 2007, a.a.O. S. 88 ff.). Sie betrifft damit vom Ansatz her die Kriminalitätsbereiche, auf deren effektivere Bekämpfung auch die Kronzeugenregelungen von 1989 und 1994 (dort Artikel 4 § 1 und Artikel 5, siehe Teil A. I. der Begründung) ausgerichtet waren, ohne aber die damaligen, inzwischen als zu eng erkannten Begrenzungen beim konkreten Anwendungsbereich zu übernehmen. Die Bezugnahme auf den Straftatenkatalog des § 100a StPO soll zugleich die Rechtsanwendung erleichtern. Die Praxis wird nicht mit einer weiteren umfänglichen Einzelaufzählung der erfassten Delikte belastet, sondern kann sich auf einen dem Grunde nach seit vielen Jahren vertrauten Katalog stützen (eine solche Anlehnung an § 100a StPO wurde auch schon von Seiten der Praxis selbst vorgeschlagen, vgl. Mühlhoff/Mehrens a.a.O. S. 36, 47 f., 100). Darüber hinaus entspricht der Verweis auf den Katalog des § 100a StPO einem Regelungsansatz, der bereits 2002 von Länderseite ins Gesetzgebungsverfahren eingebracht wurde (BR-Drucksache 896/02 ; ähnlich auch Mühlhoff/ Pfeiffer a.a.O. S. 121, 126).

Die Bezugnahme auf § 100a StPO-E beschränkt sich aufgrund der unterschiedlichen Zielrichtung beider Regelungen (§ 100a StPO-E bestimmt die Bedingungen, die einen Grundrechtseingriff legitimieren § 46b StGB-E steckt den Rahmen ab, in dem der staatliche Strafanspruch zurückgenommen werden kann) zwar bewusst auf die Übernahme des Straftatenkatalogs. Allerdings gibt es auch bei den sonstigen Voraussetzungen beider Vorschriften Ähnlichkeiten, die diese Übernahme zusätzlich rechtfertigen. So hängt die Anwendbarkeit des § 100a StPO-E davon ab, dass die aufzuklärende Tat "auch im Einzelfall schwer wiegt" und "die Erforschung des Sachverhalts (...) auf andere Weise wesentlich erschwert oder aussichtslos wäre" (§ 100a Abs. 1 Nr. 2 und 3 StPO-E). Der Aspekt der konkreten Schwere der zu offenbarenden Tat und die Frage, inwieweit die offenbarten Tatsachen die Sachverhaltsaufklärung konkret erleichtert oder gar erst ermöglicht haben, sind bei § 46b StGB-E über die Abwägungsklausel des Absatzes 2 zu berücksichtigen (siehe dortige Begründung), wobei es schon zu den Tatbestandsvoraussetzungen des Absatzes 1 gehört, dass die Angaben zur Tataufdeckung "wesentlich beigetragen" bzw. die Tatverhinderung ermöglicht haben (dazu im Folgenden).

Der Entwurf geht mit diesem Anwendungsbereich - ebenso wie die in den letzten Jahren vom Bundesrat (BT-Drucksache 015/2771) und aus dessen Mitte (BR-Drucksache 896/02 ) vorgelegten Entwürfe - deutlich über die bis 31. Dezember 1999 geltenden Kronzeugenregelungen hinaus. Er trägt damit der Tatsache Rechnung, dass strafrechtlich relevante Aktivitäten im Bereich der organisierten Kriminalität, einschließlich der schweren Wirtschaftskriminalität, und des Terrorismus keineswegs notwendigerweise auf die Organisationsdelikte der §§ 129, 129a StGB beschränkt sind (vgl. nur BMI/BMJ, Zweiter Periodischer Sicherheitsbericht, 2006, S. 450), sondern häufig auch unterhalb dieser Schwelle in den sonstigen Bereich vor allem der mittleren und schweren Kriminalität hineinreichen (siehe bereits Vorblatt A und Teil A. I. der Begründung).

Der Wortlaut der Formulierung von Satz 1, auch in Verbindung mit Satz 3, orientiert sich an den bestehenden "kleinen Kronzeugenregelungen", namentlich an § 31 BtMG, so dass die dazu ergangene Rechtsprechung auch für die Auslegung des § 46b Abs. 1 StGB-E fruchtbar gemacht werden kann. So stellt z.B. die - in Artikel 4 der o. g. Kronzeugenregelung von 1989 (siehe Teil A. I. der Begründung) noch explizit genannte - Hilfe zur Ergreifung des Täters einen Unterfall der Tataufklärung dar und ist daher bereits über dieses Merkmal erfasst (zu § 31 BtMG vgl. z.B. BGH 1 StR 32/99 = NJW 1999, 1726). Entsprechend dem Sprachgebrauch der §§ 46 ff. StGB und der "kleinen Kronzeugenregelungen" wird nur der Täter ausdrücklich erwähnt; gleichwohl fällt auch der Teilnehmer in den Anwendungsbereich des § 46b StGB-E.

Durch die Übernahme des Wortlauts der "kleinen Kronzeugenregelungen" kann auch im Übrigen für die inhaltlichen Anforderungen, die eine Aufklärungs- oder Präventionshilfe erfüllen muss, auf die bisherige Rechtsprechung zurückgegriffen werden. Dies bedeutet insbesondere dass eine Aufklärungshilfe im Sinne von Satz 1 Nummer 1 einen "Aufklärungserfolg" voraussetzt (wobei dieses Kriterium namentlich bei § 31 BtMG von der Rechtsprechung relativ weit ausgelegt wird; hierzu z. T. kritisch Körner a.a.O. Rn. 25, 38).

Ein Aufklärungserfolg ist danach dann eingetreten, wenn aufgrund der Angaben des Aufklärungsgehilfen zur Überzeugung des Gerichts bestimmte identifizierbare Personen hinreichend verdächtig sind, gegen die einschlägigen Strafgesetze verstoßen zu haben und bislang unbekannter Taten - oder bekannter Taten besser - überführt werden können (Nachweise bei Körner a.a.O. Rn. 32, 41); der "Kronzeuge" muss durch seine Angaben demnach die Voraussetzungen für die voraussichtlich erfolgreiche Durchführung eines Strafverfahrens gegen den oder die Belasteten geschaffen haben (BGH 1 StR 187/97 = StV 1997, 639). Nicht verlangt wird, dass die entsprechende Person aufgrund der Angabe des "Kronzeugen" bereits angeklagt oder gar verurteilt worden ist. Auch kann bei Offenbarungen mehrerer Angeklagter die Anwendung der "Kronzeugenregelung" z.B. nicht allein mit der Begründung versagt werden, der zunächst aussagende Mittäter habe dem Gericht bereits dieselben Erkenntnisse vermittelt und damit den Aufklärungserfolg bewirkt (BGH 5 StR 317/01 = StV 2002, 260).

Die Kundgabe allgemein bekannter Tatsachen, bloße Vermutungen und nicht nachweisbare Behauptungen, insbesondere unzureichende Angaben über den mutmaßlichen Täter oder die Tat, sind hingegen nicht ausreichend, um einen Aufklärungserfolg zu begründen (vgl. BGH 3 StR 384/82 = BGHSt 31, 163, 166 f.; BGH 1 StR 187/97 = StV 1997, 639).

Vielmehr müssen die Angaben des Aufklärungsgehilfen so konkret sein, dass sie einer Überprüfung durch die Strafverfolgungsbehörden standhalten und so zu abgesicherten Erkenntnissen über Täter und deren Beiträge führen (BGH 1 StR 20/94 = StV 1994, 544).

Zweifelt das Gericht am Wahrheitsgehalt der Angaben, so geht dies zu Lasten des "Kronzeugen", der In-Dubio-Grundsatz gilt nicht (vgl. BGH 4 StR 154/88 = StV 1989, 392; BGH 1 StR 187/97 a.a.O., jeweils zu § 31 BtMG). Der Tatrichter ist grundsätzlich auch weder gehalten Angaben des Angeklagten nachzugehen, die lediglich einen Verdacht und damit die bloße Möglichkeit eines Aufklärungserfolgs begründen, noch abzuwarten, bis andere Stellen entsprechende Ermittlungen durchgeführt haben (BGH 1 StR 20/94 a.a.O.). Die Herbeiführung eines Aufklärungserfolges kann in diesen Fällen auch nicht erst durch einen Beweisantrag erstrebt werden (BGH 1 StR 227/97 = NStZ 1998, 90).

Als Rechtsfolge einer den genannten Anforderungen entsprechenden Aufklärungs- oder Präventionshilfe ermöglichen Satz 1 letzter Satzteil und Satz 4 dem Gericht grundsätzlich, die Strafe nach § 49 Abs. 1 StGB zu mildern oder von Strafe abzusehen. Dieser Grundsatz wird vor dem Hintergrund, dass trotz dieser Privilegierung die Aspekte des Schuldausgleichs und der Spezial- und Generalprävention nicht unberücksichtigt bleiben dürfen in zweierlei Hinsicht begrenzt:

Zu Absatz 2

Absatz 2 enthält eine nicht abschließende Aufzählung der maßgebenden Kriterien für die Entscheidung des Gerichts, ob und in welchem Umfang es die Angaben des Täters honoriert. Es hat demnach insbesondere Art, Umfang und Bedeutung der geleisteten Aufklärungs- oder Präventionshilfe gegen die Schwere der Tat des "Kronzeugen" und dessen Schuld abzuwägen. Dieser Abwägung kommt im Hinblick auf den Schuldgrundsatz besondere Bedeutung zu (vgl. BVerfG Kammerentscheidung 2 BvR 1853/91 = NJW 1993, 190 f.), und sie entspricht im Kern auch den bereits bei den Kronzeugenregelungen von 1989 und 1994 (siehe Teil A. I. der Begründung) und den bestehenden "kleinen Kronzeugenregelungen" geltenden Vorgaben (vgl. z.B. BGH 3 StR 321/91 = NJW 1992, 989 ff. und BT-Drucksache 011/2834, S. 14 zur Kronzeugenregelung bei terroristischen Straftaten; BGH 2 StR 107/87 = NJW 1987, 2882 zu § 31 BtMG).

Auch die sonstigen in Absatz 2 Nummer 1 genannten Kriterien zur Bemessung des "Wertes" der geleisteten Aufklärungs- oder Präventionshilfe insgesamt und der darin zum Ausdruck kommenden Kooperationsbereitschaft finden sich bereits in der Anwendungspraxis zu diesen Regelungen wieder (vgl. z.B. die Nachweise bei Körner a.a.O. Rn. 77 sowie bei Weber a.a.O. § 31 Rn. 144 ff.). Dies gilt sowohl für die Frage der Unterstützung der Strafverfolgungsbehörden bei der ggf. weiteren Aufdeckung oder Verhinderung der angegebenen Tat (vgl. auch Jeßberger a.a.O. S. 325) als auch für den Zeitpunkt der Offenbarung.

Aufgrund der in Absatz 3 vorgesehenen Ausschlussfrist ist der zeitliche Handlungsspielraum für den Aufklärungs- oder Präventionsgehilfen allerdings von vorneherein eingeschränkter als bei den bisherigen Regelungen dieser Art. Der "Wert" der Angaben bestimmt sich schließlich nicht zuletzt nach dem Gewicht der Tat, auf die sie sich beziehen; je schwerer die offenbarte Tat - auch im Verhältnis zur eigenen Tat des "Kronzeugen" - wiegt desto bedeutender sind entsprechende Angaben und desto eher können sie eine Strafrahmenmilderung oder gar ein Absehen von Strafe rechtfertigen (vgl. wiederum BGH 2 StR 107/87 a.a.O).

Da die Auflistung nicht abschließend ist, können in die notwendige Gesamtwürdigung auch weitere Einzelumstände einfließen, etwa der wiederum zu den "kleinen Kronzeugenregelungen" entwickelte Gesichtspunkt eines wechselnden Aussageverhaltens und dessen eventuell negative Auswirkungen auf den tatsächlichen Aufklärungseffekt (vgl. BGH 2 StR 467/84 = StV 1985, 14; Körner a.a.O. Rn. 26).

Zu Absatz 3

Absatz 3 sieht eine zeitliche Grenze für die Berücksichtigungsfähigkeit von Angaben des "Kronzeugen" vor. Auf diese Weise wird vor allem dem Umstand Rechnung getragen, dass die Ermittlungsbehörden genügend Zeit benötigen, um den Wert der Angaben für Aufklärungs- und Präventionszwecke zu überprüfen. Es soll verhindert werden, dass der "Kronzeuge" sein Wissen z.B. aus prozesstaktischen Gründen zurückhält oder etwa zum Zwecke der Prozessverschleppung vermeintlich aufklärungs- oder präventionsrelevante Angaben macht. Spätestens nach Zustellung der Anklageschrift besteht für den Angeschuldigten hinreichender Anlass, den Strafverfolgungsorganen einschlägiges Wissen zu offenbaren. Macht er im Zwischenverfahren ermittlungsrelevante Angaben, kann das Gericht diese noch vor der Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens überprüfen lassen und ggf. die Akten zum Zwecke weiterer Ermittlungen an die Staatsanwaltschaft zurücksenden. Nach Eröffnung des Hauptverfahrens und der damit regelmäßig einhergehenden Terminierung der Hauptverhandlung und Ladung der Zeugen sowie der übrigen Prozessbeteiligten besteht für das Gericht nicht selten eine nur noch eingeschränkte Möglichkeit, vom Angeklagten erhobene Behauptungen auf deren Wahrheitsgehalt ohne wesentliche Verzögerung des Hauptverfahrens zu überprüfen. Zwar behilft sich die Rechtsprechung zu den "kleinen Kronzeugenregelungen" (insbesondere § 31 BtMG) damit, dass der Betroffene grundsätzlich selbst das Risiko trage, dass bis zum Ende der Hauptverhandlung der Aufklärungserfolg gelingt (Nachweise bei Körner a.a.O. Rn. 56); auch können Beweisanträge, die einen solchen Erfolg erst herbeiführen wollen, grundsätzlich abgelehnt werden (siehe Begründung zu Abs. 1 Satz 1 Nummer 1). Andererseits sind aber die Einzelheiten zum Umgang mit Beweisanträgen zu § 31 BtMG und die genaue Reichweite der gerichtlichen Aufklärungspflicht weiterhin umstritten (vgl. BGH 2 StR 107/87 = NStZ 1988, 505 mit Anm. Körner; ders. a.a.O. Rn. 59). Zudem neigen Teile der instanzgerichtlichen Rechtsprechung bei unklarer Sachlage offenbar weiterhin dazu, einen Aufklärungserfolg bzw. die diesbezüglichen Angaben des Täters als wahr zu unterstellen (vgl. BGH 2 StR 401, 85 = StV 1986, 93; 3 StR 289/88 = StV 1989, 391; 5 StR 119/96 = StV 1996, 662; 2 StR 134/97 = StV 1997, 638 sowie Körner a.a.O. Rn. 60), obwohl dies der Intention der "Kronzeugenregelungen" zuwiderläuft, nur einen tatsächlichen Aufklärungserfolg zu honorieren. Die Pflicht zu frühzeitigen Angaben soll daher auch diese verfahrensrechtlichen Schwierigkeiten berücksichtigen und auch insoweit dazu beitragen, dass in der Praxis allein solche Angaben anerkannt werden, die tatsächlich einen Aufklärungserfolg begründen. Die Befristung entspricht schließlich auch einer von Praktikern erhobenen Forderung (Mühlhoff/Mehrens a.a.O. S. 110).

Die Möglichkeit der Anwendung der allgemeinen Strafzumessungsregel des § 46 Abs. 2 StGB für erst nach Eröffnung des Hauptverfahrens gemachte Angaben bleibt unberührt, ebenso die Möglichkeit, diese Angaben bei Entscheidungen über eine etwaige Straf- oder Strafrestaussetzung zur Bewährung zu berücksichtigen (vgl. OLG Frankfurt/M 2 Ws 368/96 = NStZ-RR 1996, 213). Damit soll es nach der in Artikel 3 vorgesehenen Übergangsregelung auch dann sein Bewenden haben, wenn in dem Strafverfahren bei Inkrafttreten des § 46b StGB-E bereits ein Eröffnungsbeschluss ergangen ist (siehe näher dort).

Zum Verhältnis des § 46b StGB-E zu den verbleibenden "kleinen Kronzeugenregelungen"

Das Verhältnis des § 46b StGB-E zu den noch verbleibenden bereichsspezifischen Regelungen zur Aufklärungs- oder Präventionshilfe bestimmt sich - entsprechend den Vorgaben, die für das Verhältnis der Kronzeugenregelungen von 1989 und 1994 (siehe Teil A. I. der Begründung) und den damaligen "kleinen Kronzeugenregelungen" galten - nach dem allgemein anerkannten Grundsatz des Vorrangs der jeweiligen Spezialregelung und der Möglichkeit, auf die allgemeine Regelung zurückzugreifen, wenn deren Anwendung für den Offenbarenden im Einzelfall - ausnahmsweise - günstiger sein sollte (vgl. BT-Drucksache 011/2834, S. 13 f.). Zur Vermeidung der durch den größeren Anwendungsbereich des § 46b StGB-E gestiegenen Gefahr von Überschneidungen und Widersprüchen sieht der Entwurf zugleich eine stärkere inhaltliche Abstimmung zwischen der allgemeinen Regelung (§ 46b StGB-E) und den bereichsspezifischen Vorschriften vor, indem er den in der Praxis bedeutsamen § 31 BtMG an die Vorgaben des § 46b StGB-E anpasst und § 261 Abs. 10 StGB streicht (siehe Artikel 1 Nr. 5 und Artikel 2). Im Hinblick auf "Kronzeugenregelungen" im engeren Sinne kann es daher nur für den Fall einer Präventionshilfe nach § 46b Abs. 1 Nr. 2 StGB-E, die zugleich die Voraussetzungen nach § 129 Abs. 6 Nr. 2 StGB, auch i. V. m. § 129a Abs.7 StGB, erfüllt, zu einer Überschneidung inhaltlich unterschiedlicher Regelungen kommen. Überschneidungen kann es darüber hinaus mit Vorschriften der "Tätigen Reue" geben, deren Voraussetzungen sich im Einzelfall ebenfalls mit denen des § 46b StGB-E decken können (vgl. z.B. § 98 Abs. 1 Satz 2, Abs. 2 StGB).

Für alle diese Fälle gilt auch hier der allgemeine Grundsatz, dass die besonderen Regelungen als "leges speciales" der Anwendung des § 46b StGB-E in der Regel vorgehen.

Dies bedeutet z.B., dass die Präventionshilfe eines Täters nach § 129 Abs. 4 oder § 129a Abs. 1 bis 5 StGB wie bisher grundsätzlich nach den Vorgaben des § 129 Abs. 6 Nr. 2 StGB, auch i. V. m. § 129a Abs. 7 StGB, zu bewerten ist. Ein Rückgriff auf die Anwendung des § 46b StGB-E ist aber immer dann möglich, wenn die Spezialbestimmung den jeweiligen Sachverhalt gar nicht erfasst. Daher ist z.B. für eine Aufklärungshilfe des Täters im Hinblick auf die Taten einer kriminellen oder terroristischen Vereinigung § 46b StGB-E anwendbar, da § 129 Abs. 6 StGB, auch i. V. m. § 129a Abs. 7 StGB, für diese wichtige Fallgruppe keine Regelung enthält. Das Gleiche gilt, wenn es um die Honorierung einer deliktsgruppenübergreifenden Aufklärungs- oder Präventionshilfe geht, da die o. g. Spezialregelungen die Hilfe im Hinblick auf Taten, die in keinem Zusammenhang zur eigenen Tat stehen, nicht erfassen. Für den Drogenhändler, der ein Menschenhandelsdelikt offenbart, ist also trotz der besonderen Regelung des § 31 BtMG der Anwendungsbereich des § 46b StGB-E eröffnet.

Aber auch, wenn es im Einzelfall zu einer echten Überschneidung der Anwendungsbereiche von § 46b StGB-E und einer der bereichsspezifischen Regelungen kommt, kann im Einzelfall ein Rückgriff auf § 46b StGB-E in Betracht kommen, wenn dessen Anwendung ausnahmsweise für den Betroffenen günstiger ist (vgl. wiederum BT-Drucksache 011/2834, S. 13). Dies kann der von der Rechtsprechung entwickelten Vorgabe entnommen werden, wonach das Gericht bei zwei denkbaren Milderungsmöglichkeiten grundsätzlich die für den Täter günstigere auszuwählen hat (BGH 2 StR 664/84 = BGHSt 33, 92; vgl. auch Tröndle/Fischer a.a.O. § 50 Rn. 5), solange auch diese nach der vom Tatgericht vorzunehmenden Gesamtwürdigung eine sachgerechte Ahndung des Unrechts ermöglicht (vgl. BGH 3 StR 327/99 = NStZ 1999, 610). Diese Vorgabe wird aber nur höchst ausnahmsweise zu einem Rückgriff auf § 46b StGB-E führen. Abgesehen davon, dass die formellen Hürden für die Anwendung der allgemeinen Regelung in der Regel höher sind als die der bereichsspezifischen gewährt letztere in der Regel auch einen für den "Kronzeugen" günstigeren Spielraum zur Strafmilderung oder zum Absehen von Strafe (so wird z.B. in § 129 Abs. 6 Nr. 2 StGB das Absehen von Strafe nicht von der ansonsten verwirkten Strafhöhe abhängig gemacht; auch wird die Milderungsmöglichkeit nach § 49 Abs. 2 StGB allenfalls dann einmal als weniger günstiger anzusehen sein als die nach § 49 Abs. 1 StGB, wenn die vom Täter ansonsten verwirkte Strafe sich dem gesetzlichen Höchstmaß annähert und daher dessen Absenkung besondere Bedeutung zukommt).

Da sich das skizzierte Konkurrenzverhältnis aus allgemeinen Rechtsgrundsätzen und der bereits geltenden höchstrichterlichen Rechtsprechung ableiten lässt und zudem die praktischen Fälle einer echten Konkurrenz selten sein dürften, verzichtet der Entwurf auf eine explizite Regelung dieses Verhältnisses im Gesetzestext. Dies entspricht nicht nur der Konzeption der Kronzeugenregelungen von 1989 und 1994, sondern vermeidet auch ungewollte Gegenschlüsse für vergleichbare Fallkonstellationen, die ebenfalls keine gesetzliche Konkurrenzregel aufweisen.

Zu Nummern 3 und 4 (§§ 145d, 164 StGB):

Dem möglichen Missbrauch bei der Erlangung von Strafmilderung oder dem Absehen von Strafe durch bewusst unwahre Behauptungen in Bezug auf aufzuklärende oder zu verhindernde Straftaten soll auch mit den Mitteln der Strafbewehrung effektiver entgegengewirkt werden. Vielfach unterfallen die denkbaren Falschangaben bereits den Tatbeständen der §§ 145d, 164 StGB. Einige gravierende Fälle können allerdings von § 145d und § 164 StGB nicht oder nur mit einer unzureichenden Strafandrohung erfasst werden. Angesichts der durch eine "Kronzeugenregelung" eröffneten spezifischen Missbrauchsgefahr sollen für diese konkret bestimmbaren Fälle diese Defizite beseitigt werden.

So werden in Bezug auf bevorstehende Straftaten von § 145d StGB bislang nur unwahre Behauptungen über Katalogtaten nach § 126 Abs. 1 StGB erfasst. Für mögliche Missbrauchsfälle des § 46b StGB-E bei Angaben über zu verhindernde Straftaten ist der Straftatbestand daher auf alle in § 46b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB-E i. V. m. § 100a Abs. 2 StPO-E genannten Straftaten zu erweitern. Das Gleiche gilt für die in § 31 Nr. 2 BtMG genannten Taten, um auch die missbräuchliche Inanspruchnahme dieser fortbestehenden "kleinen Kronzeugenregelung" vollständig zu erfassen. Auf eine Ausdehnung auf die in § 129 Abs. 6 Nr. 2 StGB, auch i. V. m. § 129a Abs. 7 StGB, genannten Taten wird hingegen verzichtet. Abgesehen davon, dass bei Angaben eines Mitglieds oder Unterstützers einer Vereinigung nach §§ 129, 129a StGB über zukünftige Taten der "eigenen" Vereinigung eine verminderte Gefahr bestehen dürfte, dass im Verfahren Falschaussagen nicht als solche erkannt werden, erscheint eine solche Erstreckung auch deshalb nicht angezeigt, weil es sich bei § 129 Abs. 6 StGB, auch i. V. m. § 129a Abs. 7 StGB, um eine aus Elementen der "Tätigen Reue" und einer "Kronzeugenregelung" kombinierte und in ihren Anwendungsfällen sich überschneidende Spezialvorschrift handelt (vgl. Tröndle/Fischer a.a.O. § 129 Rn. 44 ff.). Eine isolierte, auf einen Teil dieser Regelung bezogene Strafbewehrung dürfte daher in der Praxis zu Abgrenzungs- und Anwendungsschwierigkeiten führen. Der vorgesehene Absatz 3 setzt die vorstehend beschriebene Ausdehnung durch einen speziell auf die missbräuchliche Inanspruchnahme von § 46b StGB-E und § 31 BtMG zugeschnittenen eigenen Straftatbestand um. Voraussetzung für dessen Anwendung ist dass das Vortäuschen der Straftat gerade geschieht, um sich eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe nach diesen Vorschriften zu erschleichen.

Sowohl für diese Fallkonstellation als auch für die parallel neu geschaffene Fallgruppe des § 164 Abs. 3 StGB-E werden darüber hinaus die Strafrahmen angehoben. Damit soll die präventive Wirkung dieser Vorschriften erhöht und zugleich ein größerer Spielraum eröffnet werden, um eine durch die Falschaussage erzielte Strafmilderung angemessen kompensieren zu können (vgl. Mühlhoff/Pfeiffer a.a.O. S. 121, 126; Mühlhoff/Mehrens, a.a.O. S. 80). Fallkonstellationen, die sich im Unrechtsgehalt nicht wesentlich von den bisherigen Anwendungsfällen der Strafnormen unterscheiden, kann jeweils mit einem Strafrahmen für minder schwere Fälle Rechung getragen werden.

Zu Nummer 5 ( § 261 Abs. 10 StGB):

Die in § 261 Abs. 10 StGB enthaltene "kleine Kronzeugenregelung" kann gestrichen werden.

Abgesehen davon, dass die Vorschrift in der Praxis nur eine beschränkte Verbreitung gefunden hat (vgl. Jeßberger a.a.O. S. 79), wird ihr Anwendungsbereich zukünftig weitestgehend von § 46b StGB-E abgedeckt werden. Für den Täter des § 261 Abs. 1 bis 4 StGB ist aufgrund der im Mindestmaß erhöhten Androhung von Freiheitsstrafe der Anwendungsbereich des § 46b StGB-E eröffnet. Seine Angaben zu § 261 StGB selbst werden grundsätzlich ebenso von § 46b StGB-E erfasst (vgl. § 100a Abs. 2 Nr. 1 Buchstabe m StPO-E des in der Begründung zu § 46b Abs. 1 StGB-E genannten Regierungsentwurfs vom 18. April 2007) wie Angaben zu den Vortaten der Geldwäsche, da ein erheblicher Teil der in § 261 Abs. 1 Satz 2 StGB genannten Taten auch von § 100a Abs. 2 StPO-E abgedeckt wird. Für die wenigen Fälle, in denen der Anwendungsbereich von § 261 Abs. 10 StGB über den des § 46b StGB-E hinausgeht (der potenzielle "Kronzeuge" macht sich einer nur leichtfertigen Geldwäsche nach § 261 Abs. 5 StGB strafbar oder seine Angaben beziehen sich auf weniger schwere, nicht in § 100a Abs. 2 StPO-E genannte Vortaten), können entsprechende Angaben auch in Zukunft über das Instrumentarium des § 46 StGB und der §§ 153 ff. StPO hinreichend berücksichtigt werden. Durch die Streichung werden zudem inhaltliche Wertungswidersprüche und Konkurrenzprobleme zu § 46b StGB-E vermieden.

Zu Artikel 2 (Änderung des Betäubungsmittelgesetzes)

Mit den vorgesehenen Änderungen soll § 31 BtMG hinsichtlich seiner Voraussetzungen und Rechtsfolgen an § 46b StGB-E angepasst werden. Damit sollen auch hier insbesondere inhaltliche Wertungswidersprüche zwischen diesen Vorschriften sowie Anwendungsschwierigkeiten bei Konkurrenzfällen (z.B. wenn sich die Angaben eines Betäubungsmitteltäters sowohl auf ein anderes Drogendelikt als auch ein Geldfälschungsdelikt beziehen) vermieden werden. Auf der Tatbestandsseite wird hierfür vor allem die Präklusionsvorschrift des § 46b Abs. 3 StGB-E für entsprechend anwendbar erklärt. Wie bei § 46b StGB-E soll damit auch hier u. a. die rechtzeitige Überprüfung der Angaben des "Kronzeugen" erleichtert werden (siehe Begründung zu § 46b Abs. 3 StGB-E). Zudem wird die ohnedies vorrangig aus der Praxis zu § 31 BtMG abgeleitete Abwägungsklausel des § 46b Abs. 2 StGB-E (siehe wiederum dortige Begründung) übernommen. Auf der Rechtsfolgenseite wird der Rahmen für eine Strafmilderung oder ein Absehen von Strafe an die Vorgaben des § 46b StGB-E angepasst. Auch dieser Rahmen gewährt einen hinreichend weiten Spielraum für eine dem jeweiligen Einzelfall angemessene Berücksichtigung der Aufklärungs- oder Präventionshilfe. So wird z.B. über § 47 Abs. 2 StGB auch in den Fällen, in denen der ungemilderte Strafrahmen eine Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsstrafe vorsieht (vgl. § 29 Abs. 3, § 29a BtMG), die - nach dem derzeitigen Recht über § 49 Abs. 2 StGB unmittelbar gegebene - Möglichkeit eröffnet, nur eine Geldstrafe zu verhängen wenn eine Freiheitsstrafe von 6 Monaten oder mehr nicht in Betracht kommt.

Zudem wird ein Absehen von Strafe nicht von der abstrakten Strafandrohung, sondern von der konkret verwirkten Strafe abhängig gemacht. Bei besonders schweren Betäubungsmitteldelikten (§§ 30, 30a BtMG) kann schließlich der vertypte Milderungsgrund des § 46b StGB-E auch, insbesondere zusammen mit weiteren Umständen, eingesetzt werden, um einen minder schweren Fall zu bejahen, wenn das Gericht aufgrund einer Gesamtwürdigung der Auffassung ist, dass dieser Strafrahmen zur Ahndung des Unrechts angemessen ist (siehe bereits Begründung zu § 46 Abs. 1 Satz 2 StGB-E).

Dass an § 31 BtMG als Sonderregelung neben § 46b StGB-E überhaupt festgehalten wird beruht auf den Besonderheiten des Betäubungsmittelstrafrechts und den grundsätzlich positiven Erfahrungen der Praxis mit dieser Vorschrift. Die Effizienz des § 31 BtMG zeigte sich in der Vergangenheit nicht zuletzt im Bereich lokaler Rauschgiftszenen (vgl. Kreuzer, Handbuch des Betäubungsmittelrechts, § 13 Rn. 645). So können gerade auch die durch § 31 BtMG veranlassten Angaben von Dauerkonsumenten oder Gelegenheitsdealern über deren Lieferanten- oder Abnehmerkreis zur Aufdeckung von Teilbereichen der ansonsten abgeschotteten Drogenszene führen. Teilweise kommt es in Folge solcher Angaben zu einer Kettenreaktion von "Lebensbeichten", die auch Täter der mittleren und schweren Betäubungsmittelkriminalität erfasst (vgl. Körner a.a.O. Rn. 3 f.). Auf diese Erkenntnismöglichkeiten soll auch in Zukunft nicht verzichtet werden, zumal sich § 31 BtMG über die Jahrzehnte seiner Anwendung hinweg in der "Szene" als mögliches "Ausstiegsinstrument" fest etabliert hat. Daher soll an dem relativ weiten Anwendungsbereich des § 31 BtMG festgehalten werden, der - über § 46b StGB-E hinausgehend - auch Täter und Taten der einfachen Drogenkriminalität erfasst.

Auf eine entsprechende Anpassung des § 129 Abs. 6 Nr. 2 StGB, auch i. V. m. § 129a Abs. 7 StGB, wird hingegen verzichtet. Als Begründung kann auch hier zunächst angeführt werden dass diese Vorschrift in eine aus Elementen der "Tätigen Reue" und einer "Kronzeugenregelung" kombinierte Gesamtregelung eingebettet ist, deren Anwendungsfälle sich überschneiden und bei der folglich eine isolierte, auf eine Teilregelung bezogene Übernahme der Vorgaben des § 46b StGB-E für die Praxis Abgrenzungs- und Anwendungsprobleme befürchten ließe (siehe bereits Begründung zu Nummern 3 und 4). Hinzu kommt dass eine missbräuchliche Inanspruchnahme dieser Regelung bislang nicht beklagt wird und daher auch der Bedarf für eine § 46b Abs. 3 StGB-E entsprechende Regelung begrenzt erscheint, ganz abgesehen davon, dass § 129 Abs. 6 Nr. 2 StGB, auch i. V. m. § 129a Abs. 7 StGB, offenbar insgesamt in der Praxis nur eine beschränkte Bedeutung gefunden hat. Zur Frage einer Konkurrenz mit § 46b StGB-E siehe die dortige Begründung (a. E.).

Zu Artikel 3 (Änderung des Einführungsgesetzes zum Strafgesetzbuch)

Mit der Übergangsregelung soll vor allem eine Anwendung des § 46b StGB-E auf schon rechtshängige Verfahren verhindert werden, bei denen der Täter vor der Eröffnung des Hauptverfahrens bereits Angaben im Sinne des § 46b StGB-E gemacht hatte. Andernfalls bestünde die Gefahr, dass diese Verfahren erheblich verzögert würden oder zur Nachholung von Ermittlungen gar ausgesetzt oder bereits im Revisionsverfahren befindliche Verfahren sogar zwingend nach § 2 Abs. 3 StGB wegen Nichtbeachtung des "milderen" § 46b StGB-E aufgehoben werden müssten (vgl. Tröndle/Fischer a.a.O. § 2 Rn. 12). Eine derartige gesetzliche Abweichung von § 2 Abs. 3 StGB ist verfassungsrechtlich unbedenklich (vgl. BVerfGE 81, 132, 136 f., BGH GSSt 002/95 = BGHSt 42, 113, 120; Eser in Schönke/ Schröder, StGB, 27. Aufl., § 2 Rn. 16, Tröndle/Fischer a.a.O.). Die Regelung entzieht zudem jeder Interpretation den Boden, § 46b StGB-E könne bei bereits rechtshängigen Verfahren etwa unter Missachtung der Fristvorgabe ihres Absatzes 3 Anwendung finden.

Für Strafverfahren, in denen bei Inkrafttreten noch kein Eröffnungsbeschluss ergangen ist, ist § 46b StGB-E hingegen anwendbar. In geeigneten Fällen kann mit Blick auf die Gesetzesänderung die Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens zunächst zurückgestellt werden.

Eine entsprechende Vorgabe enthält die Regelung auch für die Anwendung der in Artikel 2 vorgesehenen Neufassung des § 31 BtMG. Sie erübrigt für bereits rechtshängige Verfahren auch die ggf. schwierige Bewertung, ob die alte oder die neue Fassung dieser Vorschrift nach den Umständen des konkreten Einzelfalls das mildeste Gesetz nach § 2 Abs. 3 StGB ist (etwa im Hinblick auf die Frage, ob eine Milderung nach § 49 Abs. 1 oder Abs. 2 StGB günstiger ist oder welche Fassung ein Absehen von Strafe begünstigt).

Zu Artikel 4 (Inkrafttreten)

Die Vorschrift bestimmt ein zeitlich leicht verzögertes Inkrafttreten des Gesetzes, um es der Praxis, auch im Hinblick auf die in Artikel 3 enthaltene Übergangsregelung, zu erleichtern, sich auf die Neuregelung einzustellen.