C(2017) 6059 final
Europäische Kommission
Brüssel 12.10.2017 C(2017) 6059 final
Frau Malu DREYER
Präsidentin des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland
Sehr geehrte Frau Bundesratspräsidentin"
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zur Mitteilung der Kommission zur Einführung einer europäischen Säule sozialer Rechte {COM}2017) 250 final].
Mit der Einführung der europäischen Säule sozialer Rechte (im Folgenden " die Säule") kommt die Kommission der von Präsident Juncker in seiner Rede zur Lage der Union 2015 gegebenen Zusage nach. Im März 2016 hatte die Kommission einen vorläufigen Entwurf der Säule vorgelegt und im Anschluss eine breit angelegte öffentliche Konsultation eingeleitet. In dem daraus entstandenen endgültigen Vorschlag werden einige grundlegende Prinzipien und Rechte zur Unterstützung fairer und gut funktionierender Arbeitsmärkte und Sozialsysteme dargelegt.
Die vom Bundesrat für die Ziele der Initiative zum Ausdruck gebrachte Unterstützung" insbesondere für die Stärkung der sozialen Dimension der Europäischen Union sowie für einen erneuerten Konvergenzprozess zur Schaffung besserer Arbeits- und Lebensbedingungen" bietet eine gute Grundlage dafür" die Umsetzung der Säule gemeinsam voranzutreiben. Die Kommission teilt die Auffassung des Bundesrates" dass eine politische Koordinierung im Rahmen des Europäischen Semesters stattfinden sollte.
Die Kommission nimmt die Bedenken des Bundesrates im Zusammenhang mit verschiedenen im Rahmen der Säule aufgegriffenen Themen - etwa allgemeine und berufliche Bildung" Kündigung von Arbeitsverhältnissen" Vereinbarkeit von Berufs- und Privatleben sowie Renten - zur Kenntnis. In Bezug auf das Recht auf Bildung sieht die Kommission diese Leitlinie im weiter gefassten Rahmen des vierten Zieles der Vereinten Nationen für nachhaltige Entwicklung (" Gewährleistung einer inklusiven" gerechten und hochwertigen Bildung sowie Förderung des lebenslangen Lernens für alle") sowie als Zusage" auf dieses Ziel hinzuarbeiten.
Darüber hinaus erkennt die Kommission die Bedenken in Bezug auf einige der. für das Scoreboard vorgeschlagenen Indikatoren an. Mit dem sozialpolitischen Scoreboard soll kein Leistungsscreening für die Bildungs- und Ausbildunssysteme der Mitgliedstaaten eingeführt werden. Vielmehr sollen Vergleichsdaten verfügbar gemacht werden" die in konkreter" umfassender und objektiver Weise als Rahmen für das Monitoring gesellschaftlicher Fortschritte dienen können" der für die Bürger leicht zugänglich und verständlich ist.
Was die Benchmark für die Beteiligung Erwachsener am (lebenslangen) Lernen angeht" sind der Arbeitskräfteerhebung von Eurostat die jährlichen Daten zu entnehmen. Die Erhebung zeigt" welche Herausforderung es für alle Mitgliedstaaten darstellt" eine höhere Beteiligung Erwachsener zu erreichen. Eurostat arbeitet gemeinsam mit den Mitgliedstaaten an der Überarbeitung der Erhebungsmethode" damit sich ab dem Jahr 2020 ein genaueres Bild der Beteiligung über einen 12-Monats-Zeitraum hinweg ergeben kann.
Die Kommission schließt sich der Auffassung des Bundesrates an" dass bei der Umsetzung der Säule die strikte Beachtung der Grundsätze der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit von zentraler Bedeutung ist.
Die Kommission ist sich bewusst" dass der Bildungsbereich in erster Linie in die Zuständigkeit der Mitgliedstaaten und ihrer Regionen fällt" und stellt fest" dass die Verbindungen zu und die Partnerschaften mit Akteuren des Arbeitsmarktes und Unternehmen zunehmend an Bedeutung gewinnen. Aus der weitreichenden öffentlichen Konsultation zur europäischen Säule sozialer Rechte ergab sich außerdem" dass Kompetenzen und Bildung als zu den wichtigsten Aspekten der sozialen Dimension der Europäischen Union gehörend betrachtet werden.
Die Kommission möchte betonen" dass durch die Säule selbst keine sozialen Rechte geändert werden oder neu entstehen. Sie baut auf dem bestehenden Besitzstand auf und ergänzt diesen" indem sie gemeinsame Grundsätze festlegt" die von den teilnehmenden Mitgliedstaaten bei der Durchführung ihrer Beschäftigungs- und Sozialpolitik befolgt werden sollten. In diesem Zusammenhang bringt der Grundsatz zur allgemeinen und beruflichen Bildung zum Ausdruck" dass mehr getan werden muss, damit die Menschen die Fähigkeiten erwerben" die sie über ihr Leben hinweg benötigen. Dieser Aspekt ging aus der öffentlichen Konsultation zu der Säule als sehr wichtig hervor. Es ist Sache der Mitgliedstaaten" wie sie ihre Systeme der allgemeinen und beruflichen Bildung organisieren und finanzieren" um dieses Ziel zu erreichen.
Die Kommission nimmt die Vorschläge des Bundesrats zur Vereinfachung administrativer Abläufe" zur besseren Nutzung des Europäischen Sozialfonds sowie zur Durchführung wirksamerer Abschätzungen der sozialen Folgen zur Kenntnis.
Die Kommission befolgt die in den Leitlinien für eine bessere Rechtsetzung festgehaltenen Grundsätze. Nach den Leitlinien ist eine Folgenabschätzung erforderlich, wenn eine Initiative erhebliche wirtschaftliche" ökologische oder soziale Auswirkungen haben dürfte. Für die Abschätzung gelten Qualitätsanforderungen. Der Ausschuss für Regulierungskontrolle ist ein unabhängiges Gremium und für die Qualitätskontrolle der Folgenabschätzungen zuständig. Bevor eine Initiative verabschiedet werden kann" muss dieser Ausschuss eine positive Stellungnahme dazu abgeben. Folgenabschätzungen müssen ferner auf soliden Fakten aufbauen und stützen sich in der Regel auf Studien, die von unabhängigen Auftragnehmern durchgeführt werden.
Zur Standardisierung des Zugangs zu Systemen der gesetzlichen Alterssicherung möchte die Kommission anmerken, dass sich die Säule lediglich auf das " Recht auf ein Ruhegehalt, das ... [den geleisteten] Beiträgen entspricht und ein angemessenes Einkommen sicherstellt", bezieht. Bereits in der Empfehlung aus dem Jahr 2008 über die aktive Eingliederung der aus dem Arbeitsmarkt ausgegrenzten Personen ist die Rede von einer "angemessenen Einkommensunterstützung" für alle Hilfsbedürftigen, darunter auch Menschen mit unzureichendem Ruhegehalt. Das sozialpolitische Scoreboard umfasst keinen Indikator für die Beurteilung der Angemessenheit von Ruhegehältern.
Eine gemeinsame Erklärung des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission würde einen gemeinsamen politischen Willen und eine gemeinsame Vision für eine starke soziale Dimension der Europäischen Union zum Ausdruck bringen.
Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrats aufgeworfenen Fragen mit den vorliegenden Ausführungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermans Marianne Thyssen
Erster Vizepräsident Mitglied der Kommission