Unterrichtung durch die Europäische Kommission
Stellungnahme der Europäischen Kommission zu den Beschlüssen des Bundesrates zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit und die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung (Europol) und zur Aufhebung der Beschlüsse 2009/371/.11 und 2005/681/.11 des Rates

Die Stellungnahme bezieht sich auch auf die Drucksache 346/13(B) HTML PDF(2).

Brüssel, den 28.11.2013
C(2013) 8276 final

Herrn Stephan WEIL
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
D - 10117 BERLIN

Sehr geehrte Herr Bundesratspräsident,

Die Kommission dankt dem Bundesrat für seine beiden Stellungnahmen zum Vorschlag für eine Verordnung über die Agentur der Europäischen Union für die Zusammenarbeit und die Aus- und Fortbildung auf dem Gebiet der Strafverfolgung {COM (2013) 173 final).

Die Kommission nimmt die auf dem Subsidiaritätsprinzip beruhenden Einwände, die in der begründeten Stellungnahme vorgebracht werden, zur Kenntnis und möchte dazu Folgendes mitteilen:

Vereinbarkeit mit Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV)

Laut der begründeten Stellungnahme des Bundesrates sind die in dem Vorschlag enthaltenen Bestimmungen über die Aus- und Fortbildung von Strafverfolgungsbediensteten nicht vereinbar mit Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b AEUV. Der genannte Artikelsieht vor, dass "das Europäische Parlament und der Rat gemäß dem ordentlichen Gesetzgebungsverfahren Maßnahmen erlassen [können], die Folgendes betreffen: [..] Unterstützung bei der Aus- und Weiterbildung von Personal sowie Zusammenarbeit in Bezug auf den Austausch von Personal, die Ausrüstungsgegenstände und die kriminaltechnische Forschung".

Mit der vorgeschlagenen Verordnung soll eine für die Zusammenarbeit und die Aus- und Fortbildung im Bereich der Strafverfolgung auf Ebene der Europäischen Union zuständige Stelle errichtet werden. Das in Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b AEUV vorgesehene Mandat kommt in Kapitel III des Vorschlags zum Ausdruck So beschreibt Artikel 9 die Rolle der Europol-Akademie und Artikel 10 deren Aufgaben im Zusammenhang mit der Aus- und Fortbildung. Der Formulierung "Unterstützung bei der Aus- und Weiterbildung von Personal" in Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b AEUV wird durch Errichtung einer EU-Agentur, die für die Ausarbeitung Durchführung und Koordinierung von Schulungsmaßnahmen für Strafverfolgungsbedienstete auf Ebene der Europäischen Union zuständig ist, konkreter Inhalt verliehen. So werden der Europol-Akademie als für die Ausund Fortbildung von Strafverfolgungsbediensteten zuständiger EU-Agentur alle in Kapitel III des Vorschlags genannten rechtlichen Verpflichtungen auferlegt; im Einklang mit der "Unterstützungskompetenz" aufgrund von Artikel 87 Absatz 2 Buchstabe b AEUV entstehen den Mitgliedstaaten keinerlei rechtliche Verpflichtungen.

Die Aufgaben der Europol-Akademie, die auf denjenigen der Europäischen Polizeiakademie CEPOL aufbauen, spiegeln die Forderung des Europäischen Rates im Stockholmer Programm wider, die Aus- und Fortbildung zu EU-bezogenen Fragen zu intensivieren und allen Berufsgruppen, die an der Strafverfolgung beteiligt sind, systematisch zugänglich zu machen. Ziel des Europäischen Fortbildungsprogramms für den Bereich Strafverfolgung ist es, die Kenntnisse über die im Laufe der Zeit von der EU entwickelten Instrumente für die Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung zu verbessern sowie allen Strafverfolgungsbediensteten die Kompetenzen zu vermitteln, die sie im Rahmen der Zusammenarbeit mit Drittländern sowie der Teilnahme an zivilen Missionen für die Bekämpfung der grenzüberschreitenden Kriminalität benötigen.

Dass die Aktivitäten der CEPOL wie Schulungen, gemeinsame Lehrpläne und das Austauschprogramm in den letzten Jahren zugenommen haben, zeigt, dass die Unterstützung, Entwicklung, Anwendung und Koordinierung vorhandener Instrumente auf EU-Ebene wichtig ist, um ein kohärentes Vorgehen im Bereich Aus- und Fortbildung zu erreichen und damit die operative Zusammenarbeit zu verstärken. Durch die in Artikel 10 des Vorschlags aufgeführten Aufgaben will die Kommission diesen Erfordernissen durch rechtliche Bestimmungen Rechnung tragen; gleichzeitig soll auf der gegenwärtigen Praxis aufgebaut werden.

Der Beschluss 2005/68131 des Rates ist die derzeitige Rechtsgrundlage für die Europäische Polizeiakademie (CEPOL); darin sind die Maßnahmen festgelegt, die die CEPOL ergreifen kann, um an der Schulung hochrangiger Führungskräfte der Polizeidienste der Mitgliedstaaten mitzuwirken. Die nun von der Kommission vorgeschlagenen Änderungen stützen sich auf die bestehende Praxis und sollen diese verbessern. Eine wichtige vorgeschlagene Änderung ist die Beteiligung aller Bediensteten - und nicht nur hochrangiger Führungskräfte der Polizeidienste - auf strategischer Ebene.

Grundsätze der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit (Artikel 5 EUV)

In der begründeten Stellungnahme des Bundesrates werden auch Bedenken in Bezug auf die Vereinbarkeit bestimmter Teile des Vorschlags mit den in Artikel 5 des Vertrags über die Europäische Union verankerten Grundsätzen der begrenzten Einzelermächtigung, der Subsidiarität und der Verhältnismäßigkeit geäußert.

Die Kommission weist darauf hin, dass der Vorschlag weder darauf abzielt, inländische Bereiche zu regeln, noch über das festgelegte Mandat hinauszugehen. Vielmehr soll der Mehrwert der Zusammenarbeit auf europäischer Ebene genutzt werden.

Wie in der Mitteilung über das Europäische Fortbildungsprogramm für den Bereich Strafverfolgung erläutert, gelten in den Mitgliedstaaten unterschiedliche Schulungsstandards; daher sollen die Maßnahmen, die im Rahmen des Europäischen Fortbildungsprogramms für den Bereich Strafverfolgung - und somit auch durch die Europol-Akademie - durchgeführt werden, für Synergien zwischen der EU und inländischen Maßnahmen sorgen.

Der Vorschlag greift inländischen Maßnahmen der Mitgliedstaaten nicht vor. Die vorgesehenen Maßnahmen beschränken sich auf die Aus- und Fortbildung zu EU-bezogenen Fragen und auf Maßnahmen, bei denen durch die Schulung auf EU-Ebene ein zusätzlicher Nutzen entsteht.

In der Stellungnahme des Bundesrates werden neben den Angelegenheiten im Zusammenhang mit der Aus- und Fortbildung vier weitere Aspekte angesprochen.

Erstens heißt es in der Stellungnahme, dass durch Artikel 3 des Vorschlags der Zuständigkeitsbereich von Europol erweitert wird.

Die Kommission möchte herausstellen, dass bei der Ausarbeitung des Artikels die Absicht verfolgt wurde, das Mandat von Europol an die Erfordernisse des Vertrags anzugleichen. Daher wurde der Wortlaut von Artikel 3 Absatz 1 an den von Artikel 88 Absatz 1 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union angeglichen.

Laut der Stellungnahme sollte eine Zuständigkeit von Europol nur dann gegeben sein, wenn zwei oder mehr Mitgliedstaaten in einer Weise betroffen sind, die aufgrund des Umfangs, der Bedeutung und der Folgen der Straftaten ein gemeinsames Vorgehen der Mitgliedstaaten erfordert.

Die Kommission nimmt diese Auslegung zur Kenntnis und stimmt zu, dass Europol im Normalfall nur zuständig ist, wenn zwei oder mehr Mitgliedstaaten betroffen sind. Was jedoch den Terrorismus und die Kriminalitätsformen anbelangt, die ein gemeinsames Interesse verletzen, das Gegenstand einer Politik der Union ist, so legt die Kommission Artikel 88 Absatz 1 AEUV dahingehend aus, dass Europol die Maßnahmen der Mitgliedstaaten auch in Fällen unterstützen und verstärken kann, in denen nicht zwei oder mehr Mitgliedstaaten betroffen sind.

Zweitens wird in der Stellungnahme festgestellt, dass in Artikel 6 des Vorschlags Europol die Möglichkeit eingeräumt wird, die Mitgliedstaaten um die Einleitung strafrechtlicher Ermittlungen zu ersuchen, und den Mitgliedstaaten eine Frist zur Begründung von nicht stattgegebenen Ersuchen auferlegt wird. Des Weiteren heißt es in der Stellungnahme, dass eine solche Frist bisher nicht vorhanden war und der Bundesrat deren Festsetzung ablehnt.

Die Kommission weist darauf hin, dass der Vorschlag inhaltlich nicht vom geltenden Europol-Beschluss des Rates abweicht, da es sich um ein Ersuchen und keineswegs um eine Anweisung handelt. Die Mitgliedstaaten sind nicht verpflichtet, Ermittlungen einzuleiten; leiten sie keine Ermittlungen ein, so brauchen sie dafür keine Gründe anzugeben, wenn hierdurch wesentliche nationale Sicherheitsinteressen oder laufende Ermittlungen beeinträchtigt würden. Eine Fristsetzung ist wichtig, damit Europol und die Mitgliedstaaten den Sachstand klären können und um Europol die effiziente Planung und Verwendung seiner Ressourcen zu ermöglichen.

Drittens sieht Artikel 7 des Vorschlags laut der Stellungnahme vor, dass in jedem Mitgliedstaat eine nationale Stelle errichtet oder benannt wird, die als Verbindungsstelle zwischen Europol und den zuständigen Behörden der Mitgliedstaaten und den Aus- und Fortbildungseinrichtungen für Strafverfolgungsbedienstete dient. Mithin solle in jedem Mitgliedstaat eine Beamtin bzw. ein Beamter zur Leitung der nationalen Stelle ernannt werden. Bisher sei für Europol die nationale Stelle das Bundeskriminalamt und für die CEPOL der zentrale Ansprechpartner die Deutsche Hochschule der Polizei gewesen. Im Falle einer Zusammenlegung von Europol und CEPOL dürfe es daher zu keiner Vermischung der jeweiligen Zuständigkeiten von Bund und Land kommen.

Die Kommission nimmt zur Kenntnis, dass Deutschland der internen Aufteilung der Zuständigkeiten im Rahmen der Zusammenarbeit bei der Strafverfolgung auf EU-Ebene Rechnung tragen muss, und erkennt dies an.

Viertens heißt es in der Stellungnahme, dass die Wahrnehmung der Interessen der Länder bei Europol bisher über die Teilnahme des vom Bundesrat beauftragten Ländervertreters für den Europol-Verwaltungsrat als sogenannter Sachverständiger erfolgte. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die Ländervertretung ausreichend gewährleistet sein muss und ein durch den Bundesrat benannter Vertreter der Länder an den Sitzungen des Verwaltungsrates als sogenannter Sachverständiger teilnehmen können muss.

Die Kommission weist auf Artikel 17 Absatz 5 des Vorschlags hin, in dem - wie in der Stellungnahme herausgestellt wird - festgelegt ist, wann eine Teilnahme von Beratern und Sachverständigen an den Sitzungen des Verwaltungsrats erfolgen kann. Gemäß Artikel 17 Absatz 5 können sich die Mitglieder des Verwaltungsrats vorbehaltlich der Bestimmungen der Geschäftsordnung von Beratern oder Sachverständigen unterstützen lassen. Der Verwaltungsrat wird sich eine Geschäftsordnung geben, nach deren Maßgabe jeder Mitgliedstaat darüber entscheidet, wer seinen Vertreter begleiten wird.

Die Kommission hofft, dass die in der Stellungnahme des Bundesrates angesprochenen Punkte mit diesen Ausführungen geklärt werden konnten, und freut sich auf eine Weiterführung des politischen Dialogs.

Hochachtungsvoll