Punkt 91 der 910. Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2013
Der Bundesrat möge beschließen:
Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung seiner Entschließung vom 12. Juni 2009 nicht entsprochen hat und die sogenannten Beratungsleistungen weiterhin als unverbindliches Recht bestehen bleiben (siehe BR-Drucksache 395/09(B) , Ziffer 8).
- 1. Die freigegebenen Ingenieurleistungen (§ 3 Absatz 1 Satz 2 in Verbindung mit Anlage 1) der Verordnung sind keine unverbindlichen Beratungs-, sondern Werkvertragsleistungen wie die hier weiterhin verbindlich geregelten Grundleistungen, bei denen das Werk frei von Sachmängeln zu sein und so die vereinbarte Beschaffenheit zu haben hat. Sie sind Teil von Grundleistungen bei der Planung und Ausführung der in der Verordnung geregelten Objekte und sollten daher nach Auffassung des Bundesrates wieder in den Leistungskatalog der HOAI integriert werden.
- 2. Nach §§ 1 und 2 des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 4. November 1971 (BGBl. I S. 1745, 1749), das durch Artikel 1 des Gesetzes vom 12. November 1984 (BGBl. I S. 1337) geändert worden ist, sind Honorare sowohl für Leistungen bei der Beratung des Auftraggebers als auch bei der Planung und Ausführung von Objekten durch Rechtsverordnung mit festgesetzten Mindest- und Höchstsätzen zu regeln. Insoweit besteht eine Regelungspflicht auch für Beratungsleistungen.
- 3. Die Rückführung der bis 2009 verbindlichen Grundleistungen (Fachplanungen) in den verbindlichen Rahmen der Verordnung ist im Rahmen des Ermächtigungsauftrags des genannten Gesetzes geboten. Das steht auch in Übereinstimmung mit primärem und sekundärem Unionsrecht.
- a) Die Honorarordnung gilt als verbindliches Preisrecht nur für Auftragnehmerinnen und Auftragnehmer mit Sitz im Inland und nur in Bezug auf Leistungen, die vom Inland aus erbracht werden.
- b) Entsprechend dem gesetzlichen Auftrag sind rechtsförmlich festgesetzte Mindest- und Höchstsätze wie die anderen hier verbindlich festgesetzten Honorare erforderlich, verhältnismäßig, geeignet und gerechtfertigt, um die öffentlichrechtlich und wettbewerblich gebotenen Anforderungen an die Auftragsvergaben und ihre angemessene Honorierung zu erfüllen. Die Reglementierung der zu honorierenden Leistungen ist so wie bei den anderen - verbindlich geregelten - Grundleistungen aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses geboten (Artikel 15 und 16 der Richtlinie 2006/123/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 12. Dezember 2006 über Dienstleistungen im Binnenmarkt (ABl. L 376 vom 27.12.2006, S. 36).
- c) Dies gilt auch für die Wiedereinführung der Grundleistungen und Honorarregelungen für die örtliche Bauüberwachung bei Ingenieurbauten und Verkehrsanlagen. Die örtliche Bauüberwachung ist eine Leistung, die öffentlichrechtlichen Anforderungen genügen muss und die meist von öffentlichrechtlichen Auftraggebern veranlasst wird.
- 4. Die ausgegliederten Ingenieurleistungen machen im Verhältnis aller von privaten und öffentlichen Bauherrn in Auftrag gegebenen und verbindlich reglementierten Ingenieurleistungen 20 Prozent, die Leistungen der örtlichen Bauüberwachung bei Ingenieurbauten und Verkehrsanlagen 10 Prozent der Ingenieurleistungen aus. Dieser Anteil ist nicht unerheblich - auch nicht auf Grund des Hinweises, dass davon nur 5 Prozent der Berufsangehörigen betroffen seien.
- 5. Die Rückführung der besagten Grundleistungen ist auch deswegen geboten, weil die von der Bundesregierung seinerzeit gegebene allgemeine Begründung dazu führen kann, dass auch andere mit verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen versehene Grundleistungen der Planung aus dem Preisregime herausgenommen werden müssen; denn nach der derzeitigen Regelung gibt es vergleichbare Leistungen, die einerseits nach der HOAI vergütet werden müssen (Landschaftsplanung, Wärme- und Schallschutz bei der Bauplanung, Bauüberwachung/Bauoberleitung), andererseits aber freigegeben sind (Umweltverträglichkeitsstudien, Wärmeschutz und Energiebilanz, örtliche Bauüberwachung). Eine solche Inkonsistenz bietet nach Auffassung des Bundesrates ein Einfallstor für weitere Erosionen der HOAI.
- 6. Der Bundesrat behält sich daher ausdrücklich vor, der Bundesregierung nach Artikel 80 Absatz 3 des Grundgesetzes einen Änderungsentwurf zur HOAI vorzulegen, um so dem gesetzlichen Auftrag der Ermächtigung des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen zu genügen und den Bestand der Honorarordnung für Architekten und Ingenieure zu sichern.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die im Rahmen der sechsten Novelle der HOAI 2009 bisher als Grundleistungen mit verbindlichen Mindest- und Höchstsätzen freigegebenen Leistungen sind nach dem Urteil aller Fachleute keine unverbindlichen Beratungsleistungen. Sie sind zu allgemeinen Planungsleistungen hinzukommende erforderliche Leistungen zur Erfüllung öffentlichrechtlicher Anforderungen an die Planung, Genehmigung, Planfeststellung und Ausführung baulicher Anlagen (Objekt). Sie können insoweit nicht beliebig vertraglich beauftragt werden, sondern sind in der Regel in Auftrag zu geben, damit nachgewiesen werden kann, dass das geplante und auszuführende Objekt den öffentlichrechtlichen Anforderungen entspricht. Es sind Werkvertragsleistungen nach §§ 631 ff. BGB und keine Dienstvertragsleistungen nach § 611 BGB. Der Auftrag und die dazu aufgestellten Voraussetzungen und Bedingungen des Gesetzes zur Regelung von Ingenieur- und Architektenleistungen vom 4. November 1991 gebieten daher auch insoweit die Regulierung.
Die Rückführung ist nicht diskriminierend, erforderlich und aus zwingenden Gründen des Allgemeininteresses gerechtfertigt, um eine Leistung, die öffentlichrechtlichen Anforderungen entspricht, angemessen zu vergüten.
Das gilt auch für die Wiedereinführung der Honorarregelung für die örtliche Bauüberwachung bei Ingenieurbauten und Verkehrsanlagen. Die örtliche Bauüberwachung ist eine Leistung, die öffentlichrechtlichen Anforderungen zu genügen hat (unter anderem dem Bauordnungsrecht).
Die freie Vereinbarung dieser Grundleistungen nach § 3 Absatz 1 Satz 2 der Rechtsverordnung verstößt damit gegen den gesetzlichen Auftrag zum Erlass der HOAI.