Bundesministerium für Gesundheit
Berlin, 10. März 2016
Parlamentarische Staatssekretärin
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Stanislaw Tillich
Sehr geehrter Herr Präsident,
mit der Entschließung zur "Stärkung der Sicherheit von Patientinnen und Patienten bei der stationären Krankenhausbehandlung nach dem SGB V" vom 25. September 2015 (BR-Drs. 320/15-Beschluss), hat der Bundesrat die Bundesregierung aufgefordert, in den einschlägigen Berufsgesetzen der Gesundheitsberufe die rechtliche Voraussetzung dafür zu formulieren, dass bei der Beantragung eines Ersatzdokuments von der zuständigen Stelle das Vorliegen von Widerrufsgründen - insbesondere die Frage der Zuverlässigkeit - zu prüfen ist und sich gegenüber dem Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) dafür einzusetzen, dass bei der Überarbeitung der Richtlinie zum Risikomanagement in den Krankenhäusern Handlungsstrategien zur Vermeidung vorsätzlichen kriminellen Handelns aufgenommen werden.
Hinsichtlich der im Beschluss des Bundesrates formulierten ersten Forderung möchte ich darauf hinweisen, dass für das Ausstellen von Ersatzdokumenten die üblichen Regelungen des Verwaltungsverfahrensrechts gelten. Die Handhabung der gesetzlichen Vorgaben ist Sache des Verwaltungsvollzugs und damit der Länder.
Ob im Hinblick auf die zweite Forderung der Entschließung Maßnahmen der Qualitätssicherung (QS) ein geeignetes Mittel zur Verhinderung vorsätzlichen patientenschädigenden Handelns sind, kann auch nach Rücksprache mit Vertretern des Gemeinsamen Bundesausschusses nicht bestätigt werden. In diesem Gespräch wurden mögliche Maßnahmen zur Vermeidung vorsätzlicher krimineller Handlungen gegenüber Patienten erörtert und im Anschluss daran die Entschließung des Bundesrates auf ihre Umsetzbarkeit geprüft.
Ergebnis dieser Prüfung ist, dass Maßnahmen der QS primär auf die Verbesserung der Leistungen für Patientinnen und Patienten ausgerichtet sind. Ansatzpunkt solcher QS Instrumente ist stets die sachorientierte Überlegung, welche Umstände zu einem Fehler geführt haben könnten. Hintergrund ist die Grundannahme, dass durch das Erkennen von Fehlern oder Verbesserungspotential ein Veränderungsprozess eingeleitet werden kann auch in dem Sinne, dass eine klare Fehleranalyse künftige Fehler vermeiden hilft. Zudem beruht ein wirkungsvolles Qualitätsmanagement auf dem Engagement und der Motivation der Mitarbeiter und dem Aufbau einer Vertrauenskultur. Durch die Verknüpfung einer solchen Qualitäts- und Sicherheitskultur mit der Suche nach einem vorsätzlichem Fehlverhalten oder auch kriminellem Handeln würde die notwendige Akzeptanz für die Qualitätssicherung leiden, da einer solchen Zielrichtung ein Generalverdacht gegenüber Mitarbeitern innewohnt. Maßnahmen der Qualitätssicherung und Patientensicherheit, wie Risikomanagement- und Fehlermeldesysteme, sind daher eher ungeeignet, um kriminellen Handlungen vorzubeugen.
Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass die vom Bundesrat zitierte Qualitätsmanagement-Richtlinie Krankenhäuser (KQM-RL) mit Beschluss des G-BA vom 17. Dezember 2015 durch eine neue sektorenübergreifende Qualitätsmanagement-Richtlinie (QM-RL) abgelöst wird. Die QM-RL beinhaltet mehrere Maßnahmen, deren primäres Ziel die Steigerung der Patientensicherheit ist, die aber flankierend auch eine verbesserte Wachsamkeit und eine verbesserte Sicherheitskultur fördern und somit mittelbar einen Beitrag zur Verhinderung vorsätzlicher Patientenschädigung leisten können. Eine solche unterstützende
Funktion können neben dem verpflichtenden Risikomanagement auch die in § 4 QM-RL normierten Regelungen zu Verantwortlichkeiten der Mitarbeiter u.a. für sicherheitsrelevante Prozesse sowie die Durchführung von Teambesprechungen und Maßnahmen zur Erhöhung der Arzneimitteltherapiesicherheit haben.
Dagegen können Maßnahmen im Rahmen des sog. Compliance Managements1 in erster Linie ein geeignetes Mittel sein, um Strategien gegen kriminelles Handeln zu etablieren. Ein frühzeitiges Erkennen und nach Möglichkeit Verhindern vorsätzlichen kriminellen Verhaltens im Krankenhaus kann ferner durch eine konsequente Mitarbeiterorientierung, die eine qualifizierte Auswahl der Mitarbeiter ebenso wie regelmäßige Mitarbeitergespräche sowie die Einführung eines psychosozialen Risikomanagements umfassen sollte, gewährleistet werden.
In einigen Krankenhäusern wurden solche Compliance-Management-Systeme bzw. Compliance-Beauftragte, auch Ombudspersonen genannt (extern und neutral), bereits eingesetzt. Sie dienen den Mitarbeitern als Ansprechpartner, um Verstöße gegen Vorschriften sowie gegen den jeweiligen Verhaltenskodex zu melden. Der Ansprechpartner ist sodann verpflichtet, den Hinweisen nachzugehen und die erforderlichen Maßnahmen vorzunehmen, insbesondere Mitteilung an die Leitung des Hauses. Diese Systeme helfen dabei, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bei der Einhaltung von Regeln zu stärken und die Vertraulichkeit zu wahren.
Mit freundlichen Grüßen
Annette Widmann-Mauz
- 1. Compliance-Management umfasst alle Maßnahmen, die das regelkonforme und ordnungsgemäße Verhalten der in einem Unternehmen tätigen Organe, Organmitglieder und Mitarbeiter im Hinblick auf gesetzliche, vertragliche und unternehmenseigene Regelungen sicherstellen sollen. Solche Verfahren sind bereits in einigen Krankenhäusern etabliert.