A.
Der Bundesrat hat in seiner 871. Sitzung am 4. Juni 2010 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 6. Mai 2010 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
B.
Der Bundesrat hat ferner die nachstehende Entschließung gefasst:
Der Bundesrat sieht in der Verordnung (EG) Nr. 1060/2009 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. September 2009 über Rating-Agenturen und dem hier zur Beratung stehenden Ausführungsgesetz zu dieser Verordnung einen wichtigen, aber bei weitem nicht ausreichenden ersten Schritt zu einer angemessenen Regulierung von Rating-Agenturen. Ziel der notwendigen gesetzgeberischen Maßnahmen muss es sein, einen unabhängigen, transparenten und objektivierten Ratingprozess zu gewährleisten, dessen Ergebnisse zu einer nachhaltigen und effizienten Allokation der finanziellen Ressourcen beitragen und auf diese Weise eine Stabilisierung der Finanzmärkte befördern.
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf,
- a) die Regulierung von Rating-Agenturen weiter zu verbessern, vor allem indem die Abhängigkeit der Rating-Agenturen von ihren Auftraggebern verringert wird, indem die wirtschaftliche und finanzielle Verflechtung von Rating-Agenturen und Finanzmarktakteuren ausgeschlossen wird und indem mögliche Marktmanipulationen durch die Finanzdienstleistungsaufsicht nicht nur strenger kontrolliert, sondern - wenn nötig - auch geahndet werden können.
- b) die Gründung einer Europäischen Rating-Agentur zu befördern, deren Ratings, etwa von europäischen Staatsanleihen, nicht nur allein den Grundsätzen der Unabhängigkeit, Transparenz und Objektivität gehorchen sollten, sondern auch für aufsichtsrechtliche Zwecke maßgeblich sein sollten. Dieses ist auch erforderlich, um die Marktmacht einiger weniger Agenturen zu brechen.
- c) die Anbindung aufsichtsrechtlicher Regelungen an Ratings, wie sie etwa für Kreditinstitute, Wertpapierfirmen, Versicherungsunternehmen oder Einrichtungen der betrieblichen Altersversorgung bei der Berechnung ihrer gesetzlichen Eigenkapitalanforderungen oder der Berechnung der Risiken ihres Anlagegeschäfts gilt, so zu überarbeiten, dass die prozyklischen, spekulationsfördernden und tendenziell systemgefährdenden automatischen Wirkungen von Herabstufungen erheblich verringert werden.
- d) den Anleger- und Verbraucherschutz als eigenständiges Ziel zu verfolgen und eine verbraucherorientierte Überwachung von Finanzprodukten sicherzustellen und gesetzliche Regelungen einzuführen, die es den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, das Risiko von Finanzprodukten adäquat einzuschätzen.
Begründung
Rating-Agenturen erfüllen in den modernen Volkswirtschaften eine wichtige Funktion. Verlässliche Ratings erlauben es den Marktteilnehmern, insbesondere auch den Verbraucherinnen und Verbrauchern, das Risiko von Finanzprodukten einzuschätzen und fundierte Anlage- und Finanzentscheidungen zu treffen. Das Vertrauen in die Verlässlichkeit der Ratings aber war, wie die Finanz- und Wirtschaftskrise gezeigt hat, allzu oft nicht gerechtfertigt. Die Rating-Agenturen haben dadurch entscheidend zu einer Verschärfung der Krise beigetragen.
Ursachen dieser Fehlentwicklung waren unzutreffende Modellannahmen, Interessenskonflikte, falsche Anreize, fehlender Wettbewerb und mangelnde Kontrolle. Um hier dauerhaft und nachhaltig Abhilfe zu schaffen, ist eine Doppelstrategie vonnöten. Zum einen muss die Regulierung der Rating-Agenturen verbessert werden. Dabei ist insbesondere sicherzustellen, dass Rating-Entscheidungen nicht im Sinne der Auftraggeber verzerrt oder sogar - im schlimmsten Fall - manipuliert werden. Zum anderen sollte eine Europäische Rating-Agentur eingerichtet werden, deren Ratings, beispielsweise von Anleihen europäischer Staaten, Ergebnis eines unabhängigen, transparenten und objektivierten Ratingprozesses und insofern auch für die entsprechenden aufsichtsrechtlichen Regelungen maßgeblich sein sollten.
Es kann allerdings nicht die Aufgabe einer solchen Europäischen Rating-Agentur sein, für alle angebotenen Finanzprodukte Ratings bereitzustellen. Nicht zuletzt deshalb ist es erforderlich, dass die allgemeine Anbindung aufsichtsrechtlicher Regelungen an Ratings überarbeitet wird. Deshalb ist es aber auch erforderlich, dass eine verbraucherorientierte Überwachung von Finanzprodukten stattfindet. Es muss gewährleistet sein, dass Informationen über Finanzprodukte, die sich an private Anleger richten, einfach und verständlich sind, eine Vergleichbarkeit mit Konkurrenzprodukten erlauben und es den Verbraucherinnen und Verbrauchern ermöglichen, das Risiko von Finanzprodukten adäquat einzuschätzen.