Freistaat Thüringen Erfurt, 12. Juni 2019 Der Ministerpräsident
An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Daniel Günther
Sehr geehrter Herr Präsident,
die Thüringer Landesregierung und die Landesregierung von Rheinland-Pfalz haben beschlossen, dem Bundesrat den als Anlage beigefügten Antrag für eine Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der bedarfsgerechten und netzdienlichen Stromerzeugung sowie der klimaneutralen Wärmenutzung aus Biomasse im EEG zuzuleiten.
Ich bitte Sie, die Vorlage gemäß § 36 Absatz 2 der Geschäftsordnung des Bundesrates auf die Tagesordnung der 979. Sitzung des Bundesrates am 28. Juni 2019 zu setzen und anschließend den zuständigen Ausschüssen zur Beratung zuzuweisen.
Mit freundlichen Grüßen
Bodo Ramelow
Entschließung des Bundesrates zur Stärkung der bedarfsgerechten und netzdienlichen Stromerzeugung sowie der klimaneutralen Wärmenutzung aus Biomasse im EEG
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Bundesrat sieht im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) ein wichtiges Instrument zum weiteren Ausbau der erneuerbaren Energien. In der von der Bundesregierung für 2019/20 angekündigten EEG-Novelle müssen die Voraussetzungen geschaffen werden, damit die festgelegten Ausbaupfade deutschlandweit erreicht werden.
- 2. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Bioenergie Strom verlässlich, flexibel und bedarfsgerecht zur Verfügung stellen kann. In diesem Zusammenhang betont der Bundesrat, dass ein Viertel des erneuerbaren Stroms in Deutschland aus Bioenergie stammt. Deshalb gebührt der Biomasse im Energiemix aus erneuerbaren Energien bei der Novelle des EEG auch für die kommenden Jahre eine angemessene Berücksichtigung. Die bestehenden Biomasseanlagen stellen ein beträchtliches Potenzial zur bedarfsgerechten Erzeugung von Strom und zur Erreichung der Klimaziele 2030 der Bundesregierung dar, welches es gilt, möglichst umfänglich zu erhalten und weiterzuentwickeln.
- 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, die Länder und Verbände frühzeitig in die Entscheidungsfindung zu einem zukünftigen Förderregime einzubinden.
- 4. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung außerdem dazu auf, den Ausbaupfad für Biomasseanlagen vor dem Hintergrund der doppelten Überbauung der installierten Leistung im Sinne eines Stabilisierungspfades anzupassen.
- 5. Darüber hinaus fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, im neuen EEG starke Anreize für eine Flexibilisierung der Anlagen zu setzen, um Bestandsanlagen und deren Erzeugungskapazität in Betrieb zu halten und darüber hinaus einen optimal steuerbaren Anlagenpark zu schaffen.
- 6. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung weiterhin dazu auf, der Erzeugung von Biogas aus Wirtschaftsdünger und landwirtschaftlichen Reststoffen in der Novelle des EEG wieder eine größere Bedeutung einzuräumen und dabei auch Anreize für eine verstärkte Güllevergärung in Biogasanlagen zu schaffen.
- 7. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, entsprechende wirtschaftliche Perspektiven für effiziente, systemdienliche und umweltverträgliche Neu- und Bestandsanlagen bei der Novellierung des EEG zu schaffen und der Bioenergie insgesamt durch Anreize Entwicklungsoptionen zu bieten.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Biomasseanlagen lieferten im Jahr 2017 23,6 Prozent des erneuerbaren Stroms in Deutschland entsprechend 8,5 Prozent des Bruttostromverbrauchs. Im Jahr 2018 hatte die Biomasse einen Anteil von 53 Prozent an der gesamten Energiebereitstellung (Strom, Wärme und Verkehr) aus Erneuerbaren Energien in Deutschland. Diese Zahlen belegen die wichtige Funktion der Bioenergie im bestehenden Energiemix: Für das Gelingen der Energiewende im Stromsektor ist die Bioenergie als Flexibilitätsoption zum Ausgleich der fluktuierenden Wind- und Sonnenenergie notwendig. Im Wärmemarkt erfüllt die Bioenergie bis zum Erreichen eines weitestgehend sanierten Gebäudebestandes und den dann möglichen niederkalorischen Wärmeversorgungssystemen eine unverzichtbare Brückenfunktion. Sektorenübergreifend ist Biomasse der wichtigste erneuerbare Energieträger. Mittel- und langfristig hat die Bioenergie vor allem für den Verkehrssektor sowie für die Bereitstellung von Wärme für den schwer dämmbaren (Altbau) Gebäudebestand einzige Dekarbonisierungs-Möglichkeit eine große Relevanz. Auch für hochkalorische industrielle Prozesse ist sie von Bedeutung.
Zur Gewährleistung dieser wichtigen Funktionen gilt es die Vielfalt der bestehenden Biomasse-Anlagen und Akteure zu erhalten und einen im Hinblick auf das Erreichen der Klimaziele erforderlichen Neuanlagenzubau zu gewährleisten. Die geltende Fassung des Erneuerbare Energien-Gesetzes ist dazu nicht geeignet. Das zeigt sich unter anderem an den unterdurchschnittlichen Ausschreibungsergebnissen − nur rund 130 von 428 ausgeschriebenen Megawatt wurden in drei Ausschreibungsrunden bezuschlagt.
Die Regelungen zur Bioenergie im EEG sind daher zu korrigieren. Andernfalls droht neben dem Ausbleiben von jetzt notwendigen Investitionen in die Flexibilisierung des Anlagenbestands spätestens in den 2020iger Jahren eine Stilllegungswelle von Biomasseanlagen. Milliarden an Fördergeldern und Investitionen im ländlichen Raum würden zunichte gemacht, der Anstieg von Treibhausgasen in der Landwirtschaft und ein Ausbremsen der Energiewende wäre die Folge.
Zur Umsetzung von Klimaschutzzielen sind neben der Festlegung eines Stabilisierungspfades stärkere Anreize für eine flexible und netzdienliche Fahrweise von Bioenergieanlagen zu setzen. Parallel sind die Vergütungsbedingungen zur Vergärung von Wirtschaftsdüngern (Gülle und Mist) in allen Anlagensegmenten zu optimieren und die Rahmenbedingungen zur gleichwertigen Behandlung von Gärresten und Gülle anzupassen. Daneben gilt es mit Post-EEG-Konzepten wirtschaftliche Perspektiven für die Bioenergienutzung insbesondere zur Treibhausgasreduktion im Wärme- und Kraftstoffmarkt sowie in der Landwirtschaft aufzuzeigen.