Europäische Kommission
Brüssel, den 4.5.2012
C(2012) 2966 final
Herrn Horst Seehofer
Präsident des Deutschen Bundesrates
Leipziger Straße 3 - 4
D-10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
ich danke Ihnen für die Übermittlung der Stellungnahme des Deutschen Bundesrates zu dem Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht (KOM (2011) 635 endgültig) und bedaure die verzögerte Antwort.
Die Kommission begrüßt die Tatsache, dass der Bundesrat generell den Vorschlag unterstützt und ihn wie die Europäische Union für einen wichtigen Schritt zur Weiterentwicklung und zum Ausbau des Binnenmarktes im Interesse von Unternehmen und Verbrauchern betrachtet.
Der Bundesrat bezweifelt, dass Artikel 114 AEUV die richtige Rechtsgrundlage für den Vorschlag bildet und bittet um Klärung dieses Punktes. Die Kommission ist der Auffassung, dass dieser Artikel in der Tat die richtige Rechtsgrundlage ist. Der Bundesrat bezieht sich auf das Urteil des Gerichtshofs über die Europäische Genossenschaft. Nach Ansicht der Kommission unterscheidet sich der Fall des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts jedoch wesentlich von dem Gegenstand jenes Urteils. Bei der Europäischen Genossenschaft wurde eine neue Rechtsform geschaffen, die den nationalen Genossenschaften mit dem Ergebnis übergeordnet wurde, dass beispielsweise deren Hauptsitz von einem Mitgliedstaat in einen anderen verlagert werden kann, ohne dass diese Verlagerung zur Auflösung der Genossenschaft oder zur Schaffung einer neuen Rechtsform führt. Im Gegensatz zur Europäischen Genossenschaft und den Urteilen des Gerichtshofs im Bereich des geistigen Eigentums und des gewerblichen Rechtsschutzes, auf die sich das Urteil über die Europäische Genossenschaft bezieht, führt das Gemeinsame Europäische Kaufrecht in keinerlei Weise zur Schaffung einer neuen Rechtsform. Die Vertragsparteien entscheiden sich nicht für einen vom nationalen Kaufvertrag konzeptionell unterschiedlichen "Europäischen Kaufvertrag", sondern vereinbaren privatautonom das Gemeinsame Europäische Kaufrecht. Die bisher existierenden Kaufvertragsvorschriften der einzelnen Mitgliedstaaten werden somit durch die Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht lediglich ergänzt.
Die Verordnung über ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht bewirkt eine Rechtsangleichung durch die Festlegung von einheitlichen EU-Mindeststandards:
- (i) die Vertragsparteien müssen das Gemeinsame Europäische Kaufrecht vereinbaren können - die nationalen Rechtsordnungen dürfen die innerhalb der anwendbaren nationalen Rechtsordnung vollzogene Wahl des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts weder behindern noch erschweren;
- (ii) es wird festgelegt, unter welchen Voraussetzungen ein Kaufvertrag als wirksam gemäß dem Gemeinsamen Europäischen Kaufrecht abgeschlossen anzuerkennen ist. Hierzu gehört, dass die Mitgliedstaaten bestehende Vorschriften mit gleicher Wirkung abändern oder aufheben müssen.
Insofern kann man von einer zweiten Regelung für grenzüberschreitende Kaufverträge sprechen, wobei allerdings betont werden muss, dass die Maßgeblichkeit des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts für einen Kaufvertrag auf der Vertragsfreiheit (Privatautonomie) der Vertragsparteien beruht.
Die Bitte des Bundesrates um Überprüfung findet eine weitere Entsprechung in der Tatsache, dass die Ratsarbeitsgruppe "Zivilrecht" den Juristischen Dienst des Rates um ein Gutachten zu der Rechtsgrundlage gebeten hat. Die Kommission ist zuversichtlich, dass dieses Gutachten zu derselben Rechtsauffassung wie die Kommission gelangt.
Die Kommission begrüßt, dass es der Bundesrat befürwortet hat, dass die Kommission den sachlichen und räumlichen Anwendungsbereich auf grenzüberschreitende Kaufverträge begrenzt hat und Verbraucher das Gemeinsame Europäische Kaufrecht nur in seiner Gesamtheit wählen können.
Die Kommission glaubt nicht, dass die Einführung des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen wird. Um eine einheitlichere Anwendung zu gewährleisten, richtet die Kommission eine Datenbank mit den (übersetzten) Zusammenfassungen aller neueren einzelstaatlichen Urteile zum Kaufrecht ein, auf die Angehörige der Rechtsberufe Zugriff haben.
Der Wunsch des Bundesrates nach flankierenden Maßnahmen zur Umsetzung der Verordnung entspricht dem Vorgehen der Kommission. Um grenzübergreifende Streitfälle besser regeln zu können, unterstützt die Kommission alternative Verfahren der Streitbeilegung, die von den Unternehmen als wirksam, zeitsparend und kostengünstig angesehen werden. Dementsprechend hat die Kommission einen Monat nach Verabschiedung des Vorschlags für ein Gemeinsames Europäisches Kaufrecht einen Richtlinienvorschlag unterbreitet, mit dem gewährleistet werden soll, dass für alle Vertragsstreitigkeiten zwischen Verbrauchern und Unternehmen effektive außergerichtliche Streitbeilegungsstellen eingerichtet werden. Darüber hinaus wird mit dein gleichzeitig vorgelegten Vorschlag für eine Verordnung über die Online-Streitbeilegung nach seiner Verabschiedung eine EU-weite Online-Plattform geschaffen, über die Verbraucher und Unternehmen Streitigkeiten im Zusammenhang mit Online-Einkäufen in einem anderen EU-Land online regeln können. Die Kommission plant ferner im Laufe dieses Jahres die Vorlage eines Vorschlags für die außergerichtliche Beilegung von Streitigkeiten zwischen Unternehmen. Es ist kein Zufall, dass diese Vorschläge so gut wie gleichzeitig vorgelegt werden. Vielmehr wird hierdurch die Absicht der Kommission deutlich, auch andere Hindernisse bei grenzüberschreitenden Transaktionen in Angriff zu nehmen. Überdies können die Parteien bei Streitigkeiten bis 2 000 EUR das Europäische Verfahren für geringfügige Forderungen nutzen, das eingeführt wurde, um die Beitreibung von Forderungen im Ausland zu erleichtern.
Hinsichtlich der Bemerkung des Bundesrates, dass zur Vermeidung von Diskrepanzen bei der Regelung derselben Rechtsbereiche eine vollständige Abstimmung zwischen den Vorschriften des Gemeinsamen Europäischen Kaufrechts und der bereits gebilligten Richtlinie über die Rechte der Verbraucher erfolgen sollte, weist die Kommission darauf hin, dass abgesehen von einigen Unterschieden bei der Formulierung genau dies geschehen ist. Dies betrifft insbesondere die Kapitel 2 und 4 des Anhangs.
Abschließend möchte ich Ihnen versichern, dass die Kommission die anderen Änderungsvorschläge zur Kenntnis genommen hat und sie bei den Verhandlungen berücksichtigen wird.