COM (2018) 439 final; Ratsdok. 9980/18
Der Bundesrat hat in seiner 970. Sitzung am 21. September 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Trotz verbesserter Investitionsbedingungen in Europa weisen insbesondere die Bereiche Forschung und Innovation, kleine und mittlere Unternehmen (KMU) sowie Mikrofinanzierungen etwa im Bereich sozialer Unternehmen noch deutliche Investitionsdefizite auf. Daher begrüßt der Bundesrat den vorliegenden Vorschlag der Kommission für ein Programm "InvestEU". Das Programm ist geeignet, einen wesentlichen Beitrag zur Steigerung der Investitionen in den genannten Bereichen zu leisten und somit strukturellen Defiziten sowie Marktversagen entgegenzuwirken.
- 2. Darüber hinaus betont der Bundesrat die Bedeutung des Programms "InvestEU" zur Erreichung der Klimaziele und zur Förderung der Umsetzung der europäischen Säule sozialer Rechte, zum Beispiel durch die Bereitstellung von knapp einem Drittel der Haushaltgarantie von 38 Milliarden Euro in den Jahren 2021 bis 2027 für die Förderung von Investitionen im Bereich nachhaltiger Infrastruktur und weiteren 4 Milliarden Euro für soziale Investitionen.
- 3. Der Bundesrat begrüßt insbesondere die beabsichtigte Zusammenfassung diverser Finanzierungsprogramme in einem einzigen Regelwerk mit vereinheitlichtem Verfahren sowie einer zentralen Anlauf- und Beratungsstelle. Hierdurch werden bürokratische Hürden abgebaut und Synergieeffekte ermöglicht. Damit wird ein wichtiger Beitrag geleistet, um potenzielle Investoren überhaupt zu gewinnen.
- 4. Der Bundesrat stimmt der Prämisse zu, Investitionen als Schlüssel für die makroökonomische Erholung anzusehen. Insbesondere die Stimulierung grenzüberschreitender Projekte durch das Programm "InvestEU" zeichnet sich durch einen europäischen Mehrwert aus. Unterfinanzierte Infrastruktur in Grenzgebieten stellt noch immer ein wesentliches Hemmnis für die europaweite Verflechtung von Wertschöpfungsketten dar.
- 5. Der Bundesrat unterstützt die Fokussierung der Investitionsförderung auf zukunftsgerichtete Politikbereiche. Die Stärkung der Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit sowie damit verbunden die Förderung des Strukturwandels sind zentrale Herausforderungen für die soziale und ökonomische Entwicklung der EU.
- 6. Schließlich unterstützt der Bundesrat die Möglichkeit der Verknüpfung des Programms "InvestEU" mit europäischen Strukturfonds, um deren Einsatz und Verwaltung für die Mitgliedstaaten zu erleichtern. Er betont in diesem Zusammenhang jedoch gleichzeitig die Bedeutung einer angemessenen Mittelausstattung der bestehenden EU-Strukturfonds im Rahmen einer wirkungsvollen Kohäsionspolitik.
- 7. Der Bundesrat stellt fest, dass angesichts niedriger Zinsen vor allem ein Interesse bei risikobehafteten Vorhaben bestehen dürfte. Dadurch erhöht sich die Ausfallwahrscheinlichkeit. Er fordert daher, stärker herauszuarbeiten, wie das Portfolio ausgestaltet sein soll.
- 8. Der Bundesrat merkt an, dass dem Vorwurf der Mitnahmeeffekte im Europäischen Fonds für strategische Investitionen (EFSI) kaum entgegengetreten wurde. Der Verordnungsvorschlag macht kaum deutlich, wie Mitnahmeeffekte im Programm "InvestEU" minimiert werden sollen.
- 9. Der Bundesrat empfiehlt eine fundierte unabhängige Evaluation des Programms "InvestEU". Die Evaluation sollte durch die unabhängigen Mitglieder des Investitionsausschusses spezifiziert werden.
- 10. Nach Auffassung des Bundesrates ist die bisherige Darstellung der im Rahmen des EFSI bewilligten Projekte mangelhaft. Die verfügbaren Statistiken sind nur sehr oberflächlich. Die Länder können die Partizipation der ansässigen Unternehmen und sonstigen Projektträger nicht beobachten. Dies ist im Rahmen von "InvestEU" erheblich zu verbessern, um die Wirksamkeit und geografische Verteilung besser nachvollziehen zu können. Der Bundesrat schlägt deshalb vor, das Investitionsvorhabenportal im Programm "InvestEU" um ein Verzeichnis der in Durchführung befindlichen und der bereits durchgeführten Projekte zu erweitern. Das Verzeichnis sollte nach verschiedenen Merkmalen (zum Beispiel Partnerstruktur, geografische Zuordnung, Umfang, Politikbereich) recherchierbar sein.
- 11. Der Bundesrat sieht die vorgeschlagenen Indikatoren (Anhang III des Verordnungsvorschlags) in dieser aggregierten Form als wenig aussagekräftig an. Es sollte eine Projektdatenbank angelegt werden, die die freie Merkmalskombination erlaubt, um eigene Auswertungen der regionalen, geografischen und sonstigen inhaltlichen Eigenschaften der Projekte durchführen zu können.
- 12. Allerdings ist es aus seiner Sicht für die deutsche Wirtschaft wichtig, dass alle regionalen Förderbanken auch ab 2021 ohne zusätzlichen finanziellen oder administrativen Aufwand wie bisher von EU-Garantien profitieren und diesen Vorteil an deutsche Unternehmen weitergeben können. Dies bedeutet, dass weiterhin ein indirekter Zugang (wie derzeit über den Europäischen Investitionsfonds (EIF) bzw. die Europäische Investitionsbank (EIB)) zu EU-Garantien offengehalten werden muss, bei dem nicht Voraussetzung ist, dass mindestens drei Mitgliedstaaten von einem Finanzprodukt abgedeckt sein müssen oder ein Eigenbeitrag der Förderbank zu erfolgen hat.
- 13. Darüber hinaus dürfen die Hürden für einen direkten Zugang (über die Kommission) für regionale Förderbanken auch nicht zu hoch angesetzt werden. Daher regt der Bundesrat an, dass die strikte Vorgabe, dass "mindestens drei Länder von jedem Finanzprodukt abgedeckt sein müssen", gelockert wird und keine zu hohen zusätzlichen Anforderungen an die bereits regulierten und beaufsichtigten Förderbanken im Rahmen der neu eingeführten Säulenbewertung ("Pillar Assessments") gestellt werden.
- 14. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich in diesem Sinne auf EU-Ebene für die regionalen Förderbanken einzusetzen.
- 15. Er stellt fest, dass gemäß Artikel 7 Nummer 1 Buchstabe d des Verordnungsvorschlags in Verbindung mit Anhang II Nummer 11 des Verordnungsvorschlags eine Förderung des sozialen Wohnungsbaus und von Studentenwohnungen aus Mitteln des Fonds "InvestEU" möglich sein soll. Eine solche Förderentscheidung könnte darauf gestützt werden, dass auf europäischer Ebene eine gegenüber den sach- und ortsnäheren Mitgliedstaaten eigenständige Beurteilung eines Marktversagens oder suboptimaler Investitionsbedingungen auf Unionsebene oder in einem oder mehreren Mitgliedstaaten angestellt wird.
Der Bundesrat weist nachdrücklich darauf hin, dass für den Bereich des sozialen Wohnungsbaus und der Schaffung von Studentenwohnungen keine allgemeine Kompetenz der EU besteht. Eine Förderung dieser Bereiche durch die EU stellt einen Eingriff in die alleinige Kompetenz der Mitgliedstaaten dar. Sie wäre angesichts der höchst unterschiedlichen regionalen und lokalen Wohnungsmärkte auch unter Subsidiaritäts- und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten problematisch.
Der Bundesrat erinnert in diesem Zusammenhang an seine Stellungnahmen vom 4. Juni 2010 (BR-Drucksache 193/10(B) ) und vom 10. Februar 2012 (BR-Drucksache 614/11(B) ), in denen er sich bereits ausdrücklich gegen eine Finanzierung von Wohnungsbauvorhaben im Rahmen der Kohäsionspolitik ausgesprochen hatte.