Unterrichtung durch die Bundesregierung
Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates - Beitrag der Erdgasspeicher zur deutschen Energieversorgung dauerhaft sichern

Bundesministerium für Wirtschaft und Energie
Berlin, 16. Dezember 2014

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Volker Bouffier

Sehr geehrter Herr Präsident,
namens der Bundesregierung übersende ich Ihnen in der Anlage die Antwort der Bundesregierung zur Entschließung des Bundesrates - Beitrag der Erdgasspeicher zur deutschen Energieversorgung dauerhaft sichern (BR-Drs. 243/14(B) HTML PDF ) vom 11. Juli 2014.

Mit freundlichen Grüßen
Uwe Beckmeyer
Parlamentarischer Staatssekretär

Antwort der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates vom 11. Juli 2014- BR-Drs. 243/14(B) HTML PDF - "Beitrag der Erdgasspeicher zur deutschen Energieversorgung dauerhaft sichern"

Der Bundesrat hat die Bundesregierung mit Entschließung vom 11. Juli 2014 insgesamt gebeten, zur Verbesserung der Versorgungssicherheit dafür zu sorgen, dass immer ausreichend Erdgas gespeichert ist, und eine nationale Erdgasreserve mit einer Reichweite von 45 Tagen zu schaffen. Hierbei sei auch sicherzustellen, dass die Gasspeicher sicher und ohne Risiken für die Bevölkerung und Umwelt betrieben werden.

Der Bundesrat hat außerdem um Prüfung gebeten, wie rechtlich sichergestellt werden kann, dass wichtige deutsche Infrastrukturen nicht für strategische Ziele genutzt werden können, die nationalen Interessen entgegenstehen.

Zu prüfen sei eine Präzisierung der außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften sowohl hinsichtlich der Tatbestandsvoraussetzungen als auch mit Blick auf die Vollzugspraxis der zuständigen Bundesbehörden.

Die Bundesregierung nimmt hierzu wie folgt Stellung:

I. Zum Aspekt Versorgungssicherheit

Um im Normalfall die Versorgungssicherheit bei Erdgas zu einem sehr hohen Grad zu gewährleisten, sieht der deutsche Rechtsrahmen eine Reihe von Regeln vor, vor allem:

Hinzu kommen Regeln, die die technische Sicherheit der Netze betreffen. Die Handelsunternehmen betreffenden Pflichten können diese unter anderem mit Hilfe einer Einspeicherung von Erdgas zur Befriedigung des insbesondere saisonal volatilen Bedarfs erfüllen. Der - infolge des Infrastrukturausbaus und der Regeln des Binnenmarktes - liquidere Erdgasmarkt hat dabei tendenziell dazu geführt, dass Speichererfordernisse für die inländische Versorgungssicherheit zurückgegangen sind.

Deutschland hat angesichts seiner weltweit viertgrößten Speicherkapazitäten sehr gute Voraussetzungen, dass die Erfordernisse der Handelsunternehmen umgesetzt werden können. Die Einspeicherregeln ermöglichen überdies einen diskriminierungsfreien Drittzugang (§ 28 EnWG).

Die Erwartungen der Marktteilnehmer hinsichtlich liquider Märkte und der zunehmende Wettbewerbsdruck haben auch dazu geführt, dass der Preisspread zwischen Sommer und Winter deutlich zurückgegangen ist, so dass sich nach individuellem Risikokalkül von Händlern eine Einspeicherung zeitweise nicht lohnt. Um die Vorteile von Speichern für die Versorgungssicherheit weiter attraktiv zu halten, wurde über die Bundesnetzagentur der Konsultationsprozess "Bepreisung von Ein- und Ausspeisekapazitäten" mit der Gaswirtschaft initiiert. Letztlich soll festgelegt werden, in welchem Maße Netzentgelte für Speicher deutlich gesenkt werden sollen.

Bei einem sehr schweren Krisenfall stößt auch der flexible deutsche Markt nach einer bestimmten Zeit an seine Grenzen. Die Frage ist, ob und wie der Zeitpuffer bis zum Eintritt des Notfalls, in dem Einschränkungen im Gasverbrauch verfügt werden müssen, ausgeweitet werden kann und sollte. Die Bundesratsentschließung benennt hier die Anlage einer strategischen Notfallreserve bzw. Regelungen zur Sicherstellung saisonal erforderlicher Mindestfüllstände.

Die Überprüfung von Maßnahmen in einigen anderen europäischen Staaten hat ergeben, dass dortige Regelungen zu Mindestfüllständen o.ä. nicht dazu führten, dass dort die Speicherfüllstände im Durchschnitt höher sind als in Deutschland. Es tritt außerdem das Problem auf, dass Unternehmen bei staatlichen Regelungen geneigt sind, sich darauf zu verlassen und eigene Vorsorgemaßnahmen zurück zu fahren. Vor diesem Hintergrund wird das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie eine Studie vergeben mit dem Titel:

"Möglichkeiten zur Verbesserung der Gasversorgungssicherheit und der Krisenvorsorge durch Regelungen der Speicher (strategische Reserve, Speicherverpflichtungen), einschließlich der Kosten sowie der wirtschaftlichen Auswirkungen auf den Markt". Die Studie soll im Mai 2015 abgeschlossen sein. Im Februar 2015 werden Zwischenergebnisse präsentiert. Die Studie soll dann als Grundlage einer politischen Entscheidung dienen, ob und ggf. welche Maßnahmen getroffen werden sollen.

II. Zum Aspekt Schutz wichtiger deutscher Infrastrukturen

Deutschland ist als offene Volkswirtschaft wirtschaftlich erfolgreich. Ausländische Investoren tragen maßgeblich zur Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts und zur Schaffung von Arbeitsplätzen bei. Nach Berechnungen der Germany Trade and Invest - Gesellschaft für Außenwirtschaft und Standortmarketing mbH (gtai) sichern Investitionen aus dem Ausland aktuell rund 3 Millionen Arbeitsplätze in Deutschland. Das entspricht etwa 10 Prozent aller sozialversicherungspflichtig Beschäftigten.

Das anhaltend starke Engagement ausländischer Investoren zeigt die Attraktivität unserer heutigen wirtschaftspolitischen Rahmenbedingungen. Studien der UNCTAD (United Nations Conference on Trade and Development) zeigen, dass sich Deutschland gegen starke weltweite Konkurrenz als siebtgrößter Empfänger ausländischer Direktinvestitionen behauptet. Der weitaus größte

Teil dieser Investitionen stammt aus anderen EU-Staaten, gefolgt von den USA und der Schweiz. Besonders dynamisch haben sich in den letzten Jahren Direktinvestitionen aus dem asiatischen Raum entwickelt. So hat sich beispielsweise der Zufluss chinesischer Investitionen nach Deutschland zwischen den Jahren 2000 und 2011 annähernd verachtfacht. Diese Attraktivität gilt es weiter zu bewahren.

Bundesregierung, Bundestag und Bundesrat waren sich demgemäß bei Einführung des heutigen § 5 Abs. 2 Außenwirtschaftsgesetz (AWG) einig darüber, dass ein offenes Investitionsregime zu den Grundpfeilern der wirtschaftlichen Entwicklung gehört. Der Bundesrat hielt damals ausdrücklich fest, dass Wachstum, Beschäftigung und Wohlstand ganz wesentlich auch auf dem Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit beruhen. Wörtlich heißt es in der seinerzeitigen Stellungnahme weiter:

"Der Bundesrat nimmt die Erklärung der Bundesregierung in der Gesetzesbegründung zustimmend zur Kenntnis, dass die Änderung des Außenwirtschaftsgesetzes und der Außenwirtschaftsverordnung keine Abkehr vom Grundsatz der Kapitalverkehrsfreiheit darstellt. Da nach dem Gesetz Eingriffe nur in Betracht kommen, wenn dies aus Gründen der öffentlichen Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland unerlässlich ist und diese Begriffe vom Europäischen Gerichtshof sehr eng definiert sind, geht der Bundesrat davon aus, dass Eingriffe auf der Grundlage dieses Gesetzes allenfalls in seltenen Ausnahmefällen erfolgen werden. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, im Gesetzesvollzug durch geeignete Maßnahmen, insbesondere durch eine die Rechtssicherheit erhöhende Transparenz, keinen Zweifel daran aufkommen zu lassen, dass ausländische Investitionen in der Bundesrepublik Deutschland weiterhin erwünscht und willkommen sind." (BT-Drs. 016/10730, S. 17).

Gemessen an diesem gemeinsamen Maßstab haben sich die bestehenden außenwirtschaftsrechtlichen Vorschriften und die Vollzugspraxis zur Investitionsprüfung grundsätzlich bewährt.

Bereits heute kann das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie alle Unternehmenskäufe prüfen, durch die Investoren mit Sitz außerhalb der EU bzw. des EFTA-Raums mindestens 25% der Stimmrechte an einem in Deutschland ansässigen Unternehmen erlangen (§§ 55 ff. Außenwirtschaftsverordnung, AWV). Für eine derartige Prüfung ist es ohne Belang, wie groß das zu erwerbende Unternehmen ist und in welcher Branche es tätig wird. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie untersucht in solchen Fällen auf Antrag oder von Amts wegen, ob der konkrete Erwerb die öffentliche Ordnung oder Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland gefährdet, d.h. ob eine tatsächliche und hinreichend schwere Gefährdung vorliegt, die ein Grundinteresse der Gesellschaft berührt. Auf dieser Grundlage wäre grundsätzlich auch ein Eingreifen möglich, falls im Einzelfall nationale Interessen einem Erwerb von wichtigen deutschen Infrastrukturen entgegenstünden. Besondere Investitionsprüfregeln gelten für den Erwerb von Unternehmen, die in besonders sicherheitssensiblen Bereichen tätig sind (§§ 60 ff. AWV). Dazu zählen Hersteller oder Entwickler von Kriegswaffen, besonders konstruierten Motoren oder Getrieben für gepanzerte militärische Kettenfahrzeuge und von Produkten mit IT-Sicherheitsfunktionen, die für die Verarbeitung staatlicher Verschlusssachen genutzt werden. Prüfungsmaßstab in diesen Spezialfällen ist, ob der konkrete Erwerb wesentliche Sicherheitsinteressen der Bundesrepublik Deutschland gefährdet. Auch in solchen Fällen könnte der Erwerb wichtiger deutscher Infrastrukturen als ultima ratio untersagt werden.

Mit dem 2013 beschlossenen Gesetz zur Modernisierung des Außenwirtschaftsrechts haben Bundestag und Bundesrat diese Vorschriften erst kürzlich modernisiert und präzisiert. Der deutsche Gesetzgeber unterliegt in diesem Bereich im Übrigen engen unionsrechtlichen Gestaltungsvorgaben, die bei allen entsprechenden Überlegungen zu berücksichtigen wären. Der aktuelle Gesetzestext entspricht ausdrücklich den Vorgaben des EU-Rechts, namentlich den Anforderungen an Kapitalverkehrs- und Niederlassungsfreiheit und der entsprechenden Rechtsprechung des EuGH.

Um einen Missbrauch wichtiger deutscher Infrastrukturen zu verhindern, steht neben dem Außenwirtschaftsrecht vielfach auch das Regulierungsrecht zur Verfügung. So unterfallen beispielsweise die in Deutschland befindlichen Erdgasspeicher dem Anwendungsbereich des Energiewirtschaftsgesetzes. Speicherbetreiber sind danach verpflichtet, Dritten diskriminierungsfreien Zugang zu gewähren. Sie können von Fernleitungsnetzbetreibern sogar angewiesen werden, Erdgas auszuspeichern, um das Netz stabil zuhalten, wenn die Sicherheit oder Zuverlässigkeit des Gasversorgungssystems gefährdet oder gestört sein sollte..