Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 303761 - vom 22. März 2006.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 16. Februar 2006 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf seine Entschließungen vom 9. Juni 20051 und vom 27. Oktober 20052 zu Aserbaidschan,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 19. Januar 2006 zu der Europäischen Nachbarschaftspolitik3,
- - unter Hinweis auf seine früheren Entschließungen zum Südkaukasus, insbesondere seine Entschließung vom 11. März 1999 zur Unterstützung des Friedensprozesses in der Kaukasus-Region4 und seine Empfehlung vom 26. Februar 2004 an den Rat zu der Politik der Europäischen Union gegenüber dem Südkaukasus5,
- - in Kenntnis des Beschlusses des Rates vom 14. Juni 2004 über die Einbeziehung von Armenien und Aserbaidschan in die Europäische Nachbarschaftspolitik, insbesondere zur Förderung gutnachbarschaftlicher Beziehungen, vor allem durch die Achtung von Minderheiten,
- - in Kenntnis der Verpflichtungen von Armenien und Aserbaidschan gegenüber dem Europarat, insbesondere durch das Europäische Kulturabkommen, das überarbeitete Europäische Übereinkommen zum Schutz des archäologischen Erbes und das Rahmenübereinkommen zum Schutz nationaler Minderheiten, die sie ratifiziert und zu deren Einhaltung sie sich verpflichtet haben,
- - in Kenntnis des Haager Übereinkommens der UNESCO von 1954 über den Schutz von Kulturgütern bei bewaffneten Konflikten und seines Protokolls von 1954, zu denen Armenien und Aserbaidschan Vertragsparteien sind und die auf besetzte Gebiete anwendbar sind,< /li>
- - in Kenntnis der Erklärung der UNESCO von 2003 über die vorsätzliche Zerstörung von kulturellem Erbe, mit der die internationale Staatengemeinschaft die Bedeutung des Schutzes von kulturellem Erbe anerkennt und ihre Verpflichtung bekräftigt, seine vorsätzliche Zerstörung in jeder Form zu bekämpfen, damit dieses kulturelle Erbe an die nachfolgenden Generationen weitergegeben werden kann,< /li>
- - unter Hinweis auf den ICOMOS-Bericht6 und den Zwischenbericht über die Glaubens- und Religionsfreiheit des Menschenrechtsausschusses der Vereinten Nationen7,
- - gestützt auf Artikel 115 Absatz 5 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass von Armenien Vorwürfe erhoben wurden, dass das aserbaidschanische Militär im November 1998 und im Dezember 2002 Kampagnen zur Zerstörung des armenischen Friedhofs in Dschulfa in der Region Nachitschewan durchgeführt hat; in der Erwägung, dass die jüngsten Zerstörungen im Dezember 2005 vorgenommen wurden, wie die jüngsten Videoaufnahmen der armenischen Behörden belegen
B. in der Erwägung, dass es seitens der internationalen Staatengemeinschaft zahlreiche Reaktionen auf diese Aktionen gegeben hat; in der Erwägung, dass Aserbaidschan Antworten auf die Anfragen von Abdelfattah Amor, dem ehemaligen Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen, zu den Vorkommnissen im November 1998 und Dezember 2002 schuldig geblieben ist,
C. in der Erwägung, dass ernsthafte Vorwürfe über die Beteiligung der aserbaidschanischen Behörden an der Zerstörung dieser Denkmäler erhoben wurden,
D. unter nachdrücklichem Hinweis auf den außergewöhnlichen Charakter dieser archäologischen Stätte, an der sich noch 6 000 "Khatchkars" - in Stein gehauene Kreuze, die typisch für die armenische religiöse Kunst sind, - befanden und die ein Zeugnis der ethnischen und kulturellen Vielfalt der Region ist,
E. in der Erwägung, dass die Zerstörung oder Schändung jedes Denkmals oder Gegenstandes des kulturellen, religiösen oder nationalen Erbes gegen die Grundsätze der Europäischen Union verstößt,
F. in der Erwägung, dass diese Zerstörungen vor dem Hintergrund des anhaltenden Konflikts zwischen Armenien und Aserbaidschan um das Gebiet Berg-Karabach stattfinden
G. in der Erwägung, dass die Verhandlungen um Berg-Karabach in naher Zukunft einen positiven Ausgang finden könnten und eine Einigung über die Grundsätze für die Beilegung des Konfliktes erzielt werden könnte, obwohl das Treffen von Rambouillet zwischen den Staatspräsidenten Armeniens und Aserbaidschans vom 10. und 11. Februar 2006 zu keinem Ergebnis geführt hat,
H. unter Hinweis darauf, dass die Europäische Nachbarschaftspolitik darauf gerichtet ist, auf der Grundlage gemeinsamer Werte, einschließlich der Achtung der Minderheiten und ihres kulturellen Erbes, eine privilegierte Partnerschaft mit Armenien und Aserbaidschan aufzubauen,
- 1. verurteilt entschieden die Zerstörung des Friedhofs von Dschulfa sowie die Zerstörung aller Stätten von historischer Bedeutung, die auf armenischem oder aserbaidschanischem Staatsgebiet stattgefunden haben, und verurteilt jegliche Handlung, die darauf abzielt, das kulturelle Erbe eines Volkes zu zerstören;
- 2. fordert den Rat und die Kommission auf, den Regierungen von Armenien und Aserbaidschan klarzumachen, dass alle Anstrengungen unternommen werden müssen, um der Praxis der ethnischen Säuberungen Einhalt zu gebieten, die zu solchen Zerstörungen geführt hat, und Wege zur Erleichterung der allmählichen Rückkehr von Flüchtlingen und Vertriebenen zu finden;
- 3. fordert, dass die Regierungen von Armenien und Aserbaidschan ihre internationalen Verpflichtungen einhalten, insbesondere in Bezug auf das kulturelle Erbe, und vor allem diejenigen Verpflichtungen, die sich aus ihrem Beitritt zum Europarat und ihrer Aufnahme in die Europäische Nachbarschaftspolitik ableiten;
- 4. unterstreicht, dass die Achtung der Minderheitenrechte, einschließlich des historischen, religiösen und kulturellen Erbes, eine Voraussetzung für die echte und effektive Entwicklung der Europäischen Nachbarschaftspolitik ist, die auch zur Herstellung gutnachbarschaftlicher Beziehungen zwischen allen betroffenen Ländern führen muss;
- 5. fordert, dass Aserbaidschan Missionen zur Überwachung und zum Schutz des archäologischen Erbes, insbesondere des armenischen Erbes, zulässt und beispielsweise Experten der ICOMOS zu diesem Zweck den Zugang zu seinem Staatsgebiet gewährt und auch zulässt, dass eine Delegation des Europäischen Parlaments die archäologische Stätte von Dschulfa besucht;
- 6. appelliert an die Regierungen von Armenien und Aserbaidschan, ihre internationalen Verpflichtungen zu erfüllen, insbesondere in den Bereichen Kultur und Erhaltung des Erbes, die sie im Rahmen ihrer Mitgliedschaft in internationalen Institutionen wie der UNESCOund dem Europarat eingegangen sind, und fordert sie auf, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um das archäologische, historische und kulturelle Erbe auf ihrem Staatsgebiet zu schützen und die Zerstörung von anderen gefährdeten Stätten zu verhindern< /li>
- 7. fordert die Kommission und den Rat auf, eine Klausel zum Schutz der überaus wertvollen archäologischen oder historischen Stätten dieser Gebiete in die Aktionspläne aufzunehmen, die derzeit im Rahmen der Europäischen Nachbarschaftspolitik erörtert werden;
- 8. fordert die Kommission und den Rat auf, die Durchführung der Aktionspläne der Europäischen Nachbarschaftspolitik von der Achtung allgemein anerkannter Grundsätze durch Armenien und Aserbaidschan abhängig zu machen, insbesondere von der Erfüllung ihrer Verpflichtungen als Mitglieder des Europarates zur Einhaltung der Menschen- und Minderheitenrechte, und fordert die Kommission und den Rat auf, in diese Aktionspläne besondere Bestimmungen zum Schutz des kulturellen Erbes von Minderheiten aufzunehmen;
- 9. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten, der Regierung und dem Staatspräsidenten Armeniens, der Regierung und dem Staatspräsidenten Aserbaidschans sowie der Parlamentarischen Versammlung der OSZE, der Parlamentarischen Versammlung des Europarates, dem Generaldirektor der UNESCO und dem Generalsekretär der Vereinten Nationen zu übermitteln.< /li>
1 Angenommene Texte, P6_TA(2005)0243
2 Angenommene Texte, P6_TA(2005)0411.
3 Angenommene Texte, P6_TA(2006)0028.
4 ABl. C 175 vom 21.6.1999, S. 251.
5 ABl. C 98 E vom 23.4.2004, S. 193.
6 ICOMOS-Weltbericht 2002 über Denkmäler und historische Stätten in Gefahr - "Heritage@Risk".
7 58. Sitzung der Generalversammlung der Vereinten Nationen - Dokument 1/58/296, 19.8.2003.