COM (2018) 367 final; Ratsdok. 9574/18
Der Bundesrat hat in seiner 970. Sitzung am 21. September 2018 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Das EU-Förderprogramm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport hat sich mit seinen Vorläuferprogrammen in über 30 Jahren zu einem der erfolgreichsten Förderprogramme der EU entwickelt. Die Förderung der grenzüberschreitenden Mobilität und des interkulturellen Austausches von Lehrenden und Lernenden ist nicht nur ein unschätzbarer Gewinn für die persönliche Entwicklung aller Teilnehmenden. Das Programm trägt auch in erheblichem Maße zum gegenseitigen kulturellen Verständnis der Menschen, der Bildungsinternationalisierung und der Bildung eines europäischen Zusammengehörigkeitsgefühls bei. Insofern ist der europäische Mehrwert des Programms klar erkennbar.
- 2. Beim neuen Programm für allgemeine und berufliche Bildung, Jugend und Sport für den Programmzeitraum 2021 bis 2027 sollten die wesentlichen Grundsätze des aktuellen Programms beibehalten werden und eine behutsame Fortentwicklung im Mittelpunkt stehen. Der Bundesrat erwartet, dass die weiteren Verhandlungen über den Programmentwurf zügig vorangetrieben werden.
- 3. Der Bundesrat begrüßt die mit dem Verordnungsvorschlag einhergehenden Verbesserungen, die in den derzeitigen Programmaufbau integriert werden und mit den bestehenden Durchführungsmechanismen für größtmögliche Stabilität und Kontinuität gegenüber dem Vorläuferprogramm sorgen sollen.
- 4. Hinsichtlich des Vorhabens, im Namen des Programms künftig auf das "+" zu verzichten und von "Erasmus" zu sprechen, weist der Bundesrat darauf hin, dass geeignete Maßnahmen zur Gewährleistung der Sichtbarkeit der einzelnen Bildungs- bzw. Förderbereiche ergriffen werden sollten, um sicherzustellen, dass die Marke "Erasmus" mit allen Bildungsbereichen sowie mit dem Jugend- und dem Sportbereich in Verbindung gebracht wird.
- 5. Der Bundesrat erkennt die hohe Bedeutung von zukunftsorientierten Fachbereichen und Disziplinen wie künstlicher Intelligenz, Digitalisierung und der Bekämpfung des Klimawandels an. Die Förderung durch "Erasmus" muss sich allerdings gleichberechtigt an alle Disziplinen und Lernbereiche richten, sodass auf die Hervorhebung einzelner Bereiche (wie in Erwägungsgrund 14 des Verordnungsvorschlags) zu verzichten ist.
- 6. Der Bundesrat empfiehlt die weitere Stärkung der europäischen Dimension und sozialen Inklusion auch durch vermehrte sektorübergreifende Projektmöglichkeiten, wie zum Beispiel zwischen dem Schul- und Jugendbereich, dem Schul- und Hochschulbereich sowie dem Jugend- und Sportbereich.
- 7. Er nimmt mit Skepsis zur Kenntnis, dass das Programm "Erasmus" ausdrücklich zur Verwirklichung "der politischen Agenden [der Union] für den Schulbereich" (Erwägungsgrund 10 des Verordnungsvorschlags) beitragen soll und mit den dem Programm zugewiesenen Mitteln laut dem vorliegenden Verordnungsvorschlag "auch die institutionelle Kommunikation über die politischen Prioritäten der Union gefördert [wird]" (Artikel 22 Nummer 4 des Verordnungsvorschlags). Der Bundesrat weist darauf hin, dass eine politische Instrumentalisierung des Programms unbedingt zu vermeiden ist, hält es in diesem Zusammenhang für problematisch, dass die genannten politischen Agenden hier nicht näher und nicht abschließend definiert sind, und weist ausdrücklich auf Artikel 165 AEUV hin.
- 8. Er begrüßt die angestrebte Verdoppelung der finanziellen Mittel für das Programm ab 2021. Er mahnt aber hinsichtlich der zugleich angestrebten Verdreifachung der Teilnehmendenzahl an, dass die qualitätsgesicherte physische Mobilität weiterhin Kern des Programms bleiben muss. Virtuelle Mobilität kann den Austausch erleichtern, sollte aber in den verschiedenen Formaten stets auch mit physischer Mobilität verbunden sein. Die Verdreifachung der Teilnehmendenzahl und der Anspruch, das Programm inklusiver zu gestalten, führen zu einem gesteigerten Verwaltungsaufwand, der eine Vereinfachung der Verwaltungsprozesse und eine angemessene Anpassung des Budgetanteils für die nationalen Agenturen erfordert.
- 9. Basierend auf den Erfahrungen aus der aktuellen Programmperiode sowie auf den mit der Budgetverdoppelung geweckten Erwartungen hält der Bundesrat es zur Erhöhung der Teilnehmendenzahl für erforderlich, das Jahresbudget im Vergleich zum jeweiligen Vorjahr gleich zu Beginn des kommenden Programmzeitraums stärker zu steigern als in den letzten Jahren des Programmzeitraums. Insbesondere im Übergang von 2020 auf 2021 muss es zu einer erkennbaren Steigerung kommen.
- 10. In der vorgeschlagenen Verordnung sollte das Budget nicht nur zwischen den einzelnen Bildungssektoren, sondern auch so zwischen den Leitaktionen differenziert ausgewiesen werden, dass erkennbar wird, welche Anteile zentral von der Kommission und welche dezentral in den Mitgliedstaaten bewirtschaftet werden. Die vorgeschlagene Verordnung sollte außerdem für die dezentral bewirtschafteten Mittel die grundsätzlichen Kriterien der Verteilung auf die Mitgliedstaaten enthalten. Da besonders auch im Bereich der internationalen Mobilität die Nachfrage wesentlich höher als die verfügbare Förderung ist, erwartet der Bundesrat ebenfalls eine signifikante Steigerung der entsprechenden zusätzlichen Finanzbeiträge zur Förderung der internationalen Dimension des Programms.
- 11. Der Bundesrat begrüßt insbesondere:
- - die Aufstockung der finanziellen Mittel für alle Kategorien von Lernenden, unabhängig davon, ob sie im Rahmen der Hochschulbildung, der allgemeinen Bildung, der beruflichen Bildung, der Erwachsenenbildung oder des nichtformalen Lernens bzw. von Jugendaktivitäten und auf aktive Teilhabe ausgerichteten Aktivitäten beteiligt sind;
- - die Ausweitung der Lernmobilität im Schulbereich sowie im Bereich der beruflichen und Erwachsenenbildung;
- - die Einführung neuer und flexiblerer Formate (zum Beispiel Kurzzeit- und Gruppenmobilität) in allen Bildungsbereichen;
- - die Verortung aller Formate der Schülermobilität unter Leitaktion 1;
- - den inklusiveren Ansatz, gemäß dem gezielter mehr Menschen verschiedener Altersstufen mit unterschiedlichem kulturellen, sozialen und wirtschaftlichen Hintergrund erreicht werden sollen;
- - die Teilnahme von Drittstaaten in allen Teilen des Programms;
- - die Möglichkeit, weiterhin mehrere nationale Agenturen mit der sektorspezifischen Programmdurchführung beauftragen zu können, und - die angekündigte Vereinfachung des Antrags- und Berichtsverfahrens.
- 12. Der Bundesrat hält insbesondere die Vereinfachung der Verwaltungs- und Antragsverfahren einschließlich der Wiedereinführung der Förderung von "vorbereitenden Besuchen" zur Antragsplanung für essentiell, weil der hohe Verwaltungsaufwand bislang ein erheblicher Grund für fehlendes Interesse an der Teilnahme am Programm war und deshalb insbesondere viele kleinere Einrichtungen und benachteiligte Teilnehmende nicht erreicht werden konnten.
- 13. Der Bundesrat regt an, dass zur Erreichung des mit dem Verordnungsvorschlag verbundenen Ziels der Verwaltungsvereinfachung, die Verordnung anwenderfreundlicher gestaltet und redaktionell überarbeitet wird:
- - Er bittet die Bundesregierung, darauf hinzuwirken, dass der Verordnungstext mit Blick auf die in Artikel 2 des Verordnungsvorschlags enthaltenen Begriffsbestimmungen eine Neugliederung erfährt, die sich an inhaltlichen Zusammenhängen, Prioritäten und Programmlogik orientiert.
- - So sollten aus Sicht des Bundesrates alle Zielgruppendefinitionen als zentrale Bestandteile den Anfang der Begriffsbestimmungen bilden. Dies umfasst insbesondere die Begriffe "Menschen mit geringen Chancen", "junge Menschen" sowie "Hochschulstudierende". Danach sollten die wichtigsten allgemeinen Definitionen folgen. Dies umfasst die Begriffe "Lernende" und "Schüler", gefolgt von den Lernformen "Lernmobilität", "nichtformales Lernen" sowie "informelles Lernen". Dies dient der Befolgung des Grundsatzes vom Allgemeinen ins Spezielle und soll den Anwender besser führen. Thematisch eng verbundene Begriffe wie beispielsweise "international" und "transnational" sollten ebenfalls direkt aneinander anschließend aufgelistet werden, anstatt an unterschiedlichen Positionen.
- 14. Darüber hinaus hält der Bundesrat eine Definition für den unter Artikel 2 in den Absätzen 4 und 8 des Verordnungsvorschlags verwendeten Begriff "Lernunterstützung" für erforderlich, um ein europaweit einheitliches Verständnis zu gewährleisten.
- 15. Zudem regt er an, dass in Artikel 2 Absatz 14 des Verordnungsvorschlags nach dem Wort "Projekte" die Wörter "im Rahmen des Programms" eingefügt werden, um zu gewährleisten, dass nicht jede Form der Zusammenarbeit als "Partnerschaft" im Sinne der Verordnung deklariert wird.
- 16. Er hält es ferner für notwendig, Artikel 24 Nummer 7 des Verordnungsvorschlags um eine Regelung für die Fälle zu ergänzen, in denen die aktuelle nationale Agentur nicht mit der nationalen Agentur des Vorläuferprogramms identisch ist. Dies ist erforderlich, um zu gewährleisten, dass die neue nationale Agentur über alle für eine Abwicklung notwendigen Daten verfügt.
- 17. Der Bundesrat empfiehlt die stärkere Berücksichtigung von existierenden lokalen Einrichtungen der Jugendarbeit als Antragsberechtigte.
- 18. Er weist auf die herausragende Bedeutung der Funktionsfähigkeit der IT-Tools hin. Der Bundesrat erwartet, dass bestehende Probleme gelöst werden und für die neue Programmgeneration erforderliche neue IT-Tools zum Programmstart funktionsfähig sind.
- 19. Er bewertet es zwar positiv, dass unter Leitaktion 2 künftig ausdrücklich kleinere Partnerschaften aufgeführt werden, er gibt allerdings zu bedenken, dass dazu auch ein entsprechend praktikables und vereinfachtes Vertragsmodell geschaffen werden muss.
- 20. Hinsichtlich der Exzellenzpartnerschaften unter Leitaktion 2 nimmt der Bundesrat zur Kenntnis, dass es für die genannten "Europäischen Hochschulen" und "Zentren der beruflichen Exzellenz" Pilotprojekte geben wird und die entsprechenden Ausschreibungen noch in diesem Jahr erfolgen. Der Bundesrat fordert die Kommission auf, bei der Durchführung und Auswertung der Pilotprojekte die Mitgliedstaaten eng einzubeziehen, insbesondere mit Blick auf die Schlussfolgerungen für die Ausgestaltung in der nächsten Programmgeneration ab 2021.
- 21. Der Bundesrat erwartet zu den beabsichtigten Synergien mit anderen EU-Förderprogrammen eine Konkretisierung der genauen Schnittstellen und der komplementären Förderung.
- 22. Auch zur Einbindung von "DiscoverEU" sind weitere konkrete Erläuterungen seitens der Kommission unerlässlich, insbesondere zum bildungspolitischen Mehrwert der Initiative.
- 23. Der Bundesrat nimmt die Intention der Kommission zur Kenntnis, den Verordnungstext allgemein zu halten, weist aber gleichwohl darauf hin, dass die inhaltliche Regelungsdichte der Verordnung so zu gestalten ist, dass eine hinreichende Steuerungswirkung durch die Verordnung selbst gewährleistet ist. Nichtsdestotrotz werden zuvörderst die konkreten Durchführungsbestimmungen dem Programm Sichtbarkeit verleihen und mit darüber bestimmen, ob und wie die vorgegebenen Ziele für die neue Programmgeneration verwirklicht werden. Der Bundesrat fordert die Kommission deshalb auf, die Mitgliedstaaten eng in die Erarbeitung der Durchführungsbestimmungen einzubeziehen bzw. zügig konkrete Vorschläge zur Programmumsetzung der im Verordnungsvorschlag vorgeschlagenen Mobilitäts- und Projektformen vorzulegen, damit die tatsächlichen Implikationen des Verordnungsvorschlags auch von den Mitgliedstaaten aktiv mitgestaltet werden können.
- 24. Der Bundesrat lehnt die Ermächtigung der Kommission zum Erlass delegierter Rechtsakte in Artikel 20 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags, mit denen im Hinblick auf die allgemeinen und spezifischen Ziele des Programms die Indikatoren für die Berichterstattung über den Fortschritt nachträglich überarbeitet werden sollen und die Verordnung um Bestimmungen über einen Rahmen für die Überwachung und Evaluierung ergänzt werden soll, im Grundsatz als zu weitgehend ab. Er ist der Ansicht, dass insbesondere der Rahmen für die Überwachung und Evaluierung von vornherein feststehen sollte. Auch die Indikatorik sollte zu Beginn des Programmzeitraums weitestgehend vom europäischen Gesetzgeber, also dem Europäischen Parlament und dem Rat, festgelegt und nicht von der Kommission mittels delegierter Rechtsetzung nachträglich verändert werden. Unabhängig davon wird auf Artikel 290 Absatz 1 AEUV hingewiesen, wonach in der Verordnung zwingend die Ziele, Inhalt, Geltungsbereich und Dauer der Befugnisübertragung ausdrücklich festgelegt werden müssen.
- 25. Der Bundesrat erwartet, dass die Mitgliedstaaten künftig im Programmausschuss, jenseits der Stellungnahme zum Arbeitsprogramm, mehr Mitspracherechte bei der Programmumsetzung (zum Beispiel durch die Möglichkeit zur Stellungnahme zum Programmleitfaden) erhalten.
- 26. Er stellt fest, dass der Verordnungsvorschlag im Schwerpunkt Gesetzgebungsbefugnisse der Länder und ihre Verwaltungsverfahren im Bildungsbereich betrifft. Die Schaffung des rechtlichen Rahmens für die Beteiligungsmöglichkeiten der von dem Programmkonzept im Wesentlichen umfassten Zielgruppen (Schülerinnen und Schüler, Lehrkräfte, Studierende, Lehrpersonal an Schulen und Hochschulen sowie Lernende und Lehrende an Erwachsenenbildungseinrichtungen), wie zum Beispiel Beurlaubungsregelungen bei Mobilitätsmaßnahmen, obliegt den Ländern. Dies trifft auch auf geförderte Unterrichtsprojekte und andere Kooperationsformen der Bildungsinstitutionen zu, die von diesen Zielgruppen besucht werden. Zielgruppen und Kooperationsformen, für deren Einbeziehung in das Programm der Bund Regelungen zu treffen hat, sind quantitativ in erheblich geringerem Umfang betroffen. Die Stellungnahme des Bundesrates ist somit gemäß § 5 Absatz 2 Satz 1 EUZBLG von der Bundesregierung maßgeblich zu berücksichtigen.
- 27. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.