Unterrichtung durch das Europäische Parlament
Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Tschetschenien nach den Wahlen und zur Zivilgesellschaft in Russland

Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 19. Januar 2006 angenommen.

Entschließung des Europäischen Parlaments zur Lage in Tschetschenien nach den Wahlen und zur Zivilgesellschaft in Russland Das Europäische Parlament,


1 ABl. L 327 vom 28.11.1997, S. 3.
2 Angenommene Texte, P6_TA(2005)0207.
3 Angenommene Texte, P6_TA(2005)0534.

A. in der Erwägung, dass am 29. November 2005 der britische EU-Ratsvorsitz die Parlamentswahlen, die am 27. November 2005 in der russischen Teilrepublik Tschetschenien stattgefunden haben, begrüßt hat und diese Wahlen als bedeutenden Schritt zur Vertretung eines breiteren Meinungsspektrums in der tschetschenischen Gesellschaft bezeichnet hat,

B. in der Erwägung, dass die Kommission es als ermutigend bezeichnet hat, dass diese Parlamentswahlen, die ersten in Tschetschenien seit acht Jahren, ohne größere gewaltsame Zwischenfälle verlaufen seien, es jedoch abgelehnt hat, sich zur Fairness dieser Wahlen zu äußern,

C. in der Erwägung, dass Menschenrechtsaktivisten in einem offenen Brief an die Europäische Union, der von der russischen Menschenrechtsgruppe Memorial, der Internationalen Helsinki-Föderation für Menschenrechte, der Gesellschaft für russischtschetschenische Freundschaft und anderen, einschließlich der in Paris ansässigen Internationalen Föderation für Menschenrechte, unterzeichnet wurde, der Europäischen Union vorwerfen, sie beschönige durch ihre optimistische Einschätzung dieser Wahlen die Wirklichkeit, und unterstreichen, dass diese Erklärung nicht nur den von russischen und internationalen Menschenrechtsaktivisten zusammengetragenen Nachweisen widerspricht , sondern auch das Bekenntnis der Europäischen Union zu Menschenrechten, Demokratie und Rechtsstaatlichkeit in Frage stellt,

D. in der Erwägung, dass die offiziell genannte Wahlbeteiligung von 57 % von Memorial in Frage gestellt wurde, die behauptet, dass die Beteiligung viel geringer gewesen und die Abstimmung durch weit verbreitete Betrügereien und Akte der Einschüchterung beeinträchtigt worden sei,

E. in der Erwägung, dass in Tschetschenien und in einigen Fällen in den Nachbarregionen im Nordkaukasus nach wie vor schwere Menschenrechtsverletzungen wie Mord, gewaltsames Verschwinden, Folter, Geiselnahmen und willkürliche Festnahmen begangen werden,

F. in der Erwägung, dass die russische Regierung zahlreiche Zuständigkeiten im Bereich Terrorismusbekämpfung von den föderalen Behörden auf lokale Behörden übertragen hat um so den Anschein zu erwecken, bei dem seit nunmehr zehn Jahren andauernden Konflikt zwischen Russland und Tschetschenien handele es sich um eine interne tschetschenische Auseinandersetzung, bei der es, wie in einem unlängst vorgelegten gemeinsamen Bericht der Helsinki-Föderation, der Internationalen Gesellschaft für Menschenrechte, des norwegischen Helsinki-Komitees und Memorial dargelegt wird, zu einer Brutalisierung des Vorgehens der Konfliktparteien und allgegenwärtiger Angst und Unsicherheit unter der Zivilbevölkerung gekommen ist,

G. in der Erwägung, dass zahlreiche Entführungen, Folterungen und willkürliche Morde, zu denen es in den vergangenen zwei Jahren in Tschetschenien gekommen ist, tschetschenischen paramilitärischen Kräften zugeschrieben werden,

H. in der Erwägung, dass die in Tschetschenien begangenen Übergriffe und Menschenrechtsverletzungen weitgehend ungestraft bleiben, so dass ein Klima der Straffreiheit entstanden ist, das sich von der Republik Tschetschenien und der Republik Inguschetien auf weitere Regionen des Nordkaukasus, unter anderem auf Nordossetien und in jüngster Zeit Kabardino-Balkaria, ausbreitet,

I. in der Erwägung, dass sich die Demokratie in Russland in den letzten Jahren weiter deutlich verschlechtert hat, insbesondere durch Zunahme der staatlichen Kontrolle über die wichtigsten Fernseh- und Radiosender, die Verbreitung der Selbstzensur unter den Printmedien, die Schließung unabhängiger Medien, Beschränkungen des Rechts auf Veranstaltung öffentlicher Demonstrationen, die Verschlechterung des Klimas für NGOs einschließlich Fällen der Schikanierung von Menschenrechtsaktivisten und eine verstärkte politische Kontrolle der Justiz,

J. unter Betonung der Tatsache, dass die Konsultationen zwischen der Europäischen Union und Russland zu Menschenrechtsfragen bislang keine großen Fortschritte in diesem Bereich gezeitigt haben, der in den Beziehungen zwischen der Europäischen Union und Russland eine vorrangige Stellung einnehmen sollte,

K. in der Erwägung, dass der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte am 20. Dezember 2005 eine Beschwerde im Zusammenhang mit dem Verschwinden von Ruslan Alichadijew, dem ehemaligen Präsidenten des aus fairen Wahlen hervorgegangenen Parlaments der autoproklamierten Tschetschenischen Republik Itschkeria, für zulässig erklärt hat; in der Erwägung, dass eine von der tschetschenischen Staatsanwaltschaft eingeleitete Untersuchung ergebnislos blieb und die russische Regierung es abgelehnt hat, dem Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte die Ermittlungsakten zur Verfügung zu stellen,

L. in der Erwägung, dass die Kommission am 13. Dezember 2005 6 000 000 EUR bereitgestellt hat, um den Opfern der andauernden Krise im Nordkaukasus zu helfen, womit sich die Gesamthilfe der Europäischen Union für diese Region im Jahr 2005 auf 26 300 000 EUR erhöht und das Programm weltweit zur fünftgrößten humanitären Hilfsoperation der Europäischen Union und die Europäische Union zum wichtigsten Geldgeber in der Region wird,

M. in der Erwägung, dass die Gesetzesvorlage, die die Tätigkeit von NGOs in Russland einschränkt am 23. und 27. Dezember mit geringfügigen Änderungen von beiden Kammern des Parlaments angenommen wurde und nur noch von Präsident Putin unterzeichnet werden muss, um Gesetzeskraft zu erlangen,

N. in der Erwägung, dass NGOs einschließlich Memorial, der Moscow Helsinki Group und des Moscow Bureau For Civil Rights in einem Schreiben an den russischen Außenminister Sergey Lawrow vom 28. Dezember 2005 unterstrichen haben, dass zahlreiche Aspekte des Gesetzes weiterhin gegen das Völkerrecht, die russische Verfassung, das russische Zivilgesetzbuch und zahlreiche russische Gesetze verstoßen,

O. in der Erwägung, dass die Vereinigungsfreiheit ein grundlegendes Menschenrecht darstellt und für eine demokratische Gesellschaft von großer Bedeutung ist,

P. zutiefst beunruhigt über die Zunahme rassistisch motivierter Gewalt in Russland,

Q. in der Erwägung, dass der Prozess gegen Stanislaw Dmitrijewski, dem die Veröffentlichung des Aufrufs von Aslan Maschkadow zum Frieden in Tschetschenien in seiner Zeitung vorgeworfen wird und dem somit fünf Jahre Haft drohen, am 18. Januar 2006 wieder aufgenommen wurde,