978. Sitzung des Bundesrates am 7. Juni 2019
1. Hauptempfehlung zu Ziffer 2 der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat, die Entschließung wie folgt zu fassen:
"Entschließung des Bundesrates zu langen Transporten von Nutztieren
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung bei den Verhandlungen von Veterinärbescheinigungen mit Drittländern verstärkt die gemeinschaftlichen Anforderungen an den Tierschutz beim Transport erörtert und unterstützt das Anliegen der Bundesregierung, zukünftig Anforderungen an den Tierschutz in die bilateral neu abzustimmenden sowie in bereits abgestimmte Export-Veterinärbescheinigungen aufzunehmen.
Der Bundesrat bittet die Bundesregierung auch auf EU-Ebene darauf hinzuwirken, dass bei den Verhandlungen von EU abgestimmten Veterinärbescheinigungen mit Drittländern die gemeinschaftlichen Anforderungen an den Tierschutz in diese Bescheinigungen ebenfalls aufgenommen werden.
- 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ggf. in Abstimmung mit der Nationalen Kontaktstelle und den Kontaktstellen der Länder, wie tierschutzrelevante Hinweise von zuständigen Behörden, Unternehmen und aus sonstigen validen Erkenntnisquellen zu Transportrouten, Versorgungsstationen und Empfängern in Drittländern zentral gesammelt und ausgewertet und diese Auswertungen den Vorort-Behörden für ihre Entscheidungen zur Verfügung gestellt werden können.
- 3. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zudem, sich auf EU-Ebene für eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005
insbesondere dahingehend einzusetzen, dass
- - ein Echtzeit-Zugang zu den Daten der Navigationssysteme der Transportfahrzeuge während des Transports für die zuständigen Behörden künftig Voraussetzung für eine Abfertigung ist,
- - im Rahmen der obligatorischen Planung von Tiertransporten ein auf die jeweilige Transportroute abgestimmter Notfallplan vorgelegt werden muss. Weiter sollte unabhängig von einer Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 sich der Bund dafür einsetzen, dass
- - Drittländer, die im Rahmen von Handelsbeziehungen Nutz- oder Zuchttiere aus einem Mitgliedstaat aufnehmen wollen, ebenfalls eine Kontaktstelle nach dem Vorbild der EU einrichten,
- - die Grenzabfertigung an den Grenzen z.B. durch Einrichtung einer entsprechenden Abfertigungsspur für Tiertransporte beschleunigt wird.
- 4. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung zu prüfen, ob Verstöße gegen die rechtlichen Vorgaben z.B. zu Transportzeiten, Platzbedarf, Temperatur und Transportfähigkeit in Anhang 1 der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 durchgehend bußgeldbewehrt sind und ggf. vorhandene Lücken zu schließen.
- 5. Der Bundesrat sieht mittel- bis langfristig die Notwendigkeit, auf lange Beförderungen insbesondere zu Lande und zu Wasser in Drittländer, weitestgehend zu verzichten. Zuchtorganisationen sollten in diesem Zusammenhang prüfen, ob die genetischen Ressourcen nicht per Samen und/oder Embryonen in die Drittländer versendet werden können.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung um eine strafrechtliche Bewertung, ob sich Amtstierärzte, die Tiertransporte in Drittländer genehmigen, in denen die europäischen oder nationalen Tierschutzstandards nicht gelten, im Einzelfall strafbar machen können.
- 7. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, das Thema "Tiertransporte in Drittländer" bei der Europäischen Kommission und im Rat auf die Tagesordnung zu bringen mit dem Ziel, die in der Entschließung des Europäischen Parlaments vom 14. Februar 2019 zur Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 des Rates über den Schutz von Tieren beim Transport inner- und außerhalb der EU (2018/2110(INI)) dargelegten Mängel abzustellen. Ferner wird gebeten auf die EU-Kommission hinzuwirken, die Tierschutzaudits bei Tiertransporten in Drittländer zu verstärken und die hierbei gewonnenen Informationen den Mitgliedstaaten zur Verfügung zu stellen. Transportrouten einschließlich der Versorgungsstationen sollten durch eine unabhängige Stelle kontrolliert und zertifiziert werden. Und diese Informationen sollten den für die Genehmigung zuständigen Behörden ebenso in geeigneter Form zur Verfügung gestellt werden."
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der EuGH hat klargestellt, dass die Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 bis zum Ende des Transports, auch wenn der Bestimmungsort im Drittland liegt, eingehalten werden müssen. Bei diesen Transporten kommt es wiederholt aus unterschiedlichen Gründen zu Transportverzögerungen, insbesondere an den Außengrenzen. Widrige Witterungsbedingungen, unter Umständen verbunden mit unzureichender Versorgung der transportierten Tiere mit Futter und Wasser führen zu Leiden, Schmerzen und auch Schäden bei den transportierten Tieren. Darüber hinaus ist zu befürchten, dass nicht alle Grenzkontrollstellen sowie insbesondere Versorgungsstationen im Drittland geeignet sind, um eine tierschutzgerechte und mit den Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 1/2005 konforme Versorgung der Tiere zu gewährleisten. Neben widrigen Witterungsbedingungen können Mängel beispielsweise hinsichtlich der Beschaffenheit der Unterbringung, der Qualität und Menge von Futter und Wasser sowie hinsichtlich der Sachkunde der dort tätigen Personen bestehen. Die einen Transport im Mitgliedstaat abfertigenden Behörden können sich nicht vor Ort vergewissern, ob die in einem Transportplan angegebenen Kontrollstellen an den Grenzen und sonstigen Versorgungsstellen im Drittland den rechtlichen Anforderungen genügen. Die zuständigen Behörden sind hierbei überwiegend auf die Angaben der Unternehmer angewiesen. Es ist an der Zeit, durch Abfertigungen und die rückblickende Überprüfung bundesweit bei den zuständigen Behörden gewonnenes Wissen zu bündeln und neue Erkenntnisse zu erlangen, um den abfertigenden Behörden eine größere Handlungssicherheit zu geben.
Weiterhin ist festzustellen, dass lange Beförderungen kein nationales, sondern ein EU-weites Problem sind, so dass Erkenntnisse der EU und auch anderer Mitgliedstaaten genutzt werden können müssen.
2. Hilfsempfehlung zu Ziffer 1 der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz empfiehlt dem Bundesrat hilfsweise für den Fall, dass Ziffer 1 keine Mehrheit erhält, die Entschließung in Drucksache 213/19 (PDF) nach Maßgabe nachstehender Änderung zu fassen:
Zu Nummer 1
Nummer 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) Vor dem Wort "bestehenden" ist das Wort "bereits" einzufügen.
- b) Nach dem Wort "Veterinärverwaltung" ist der Klammerzusatz "(FIS-VL oder TSN)" zu streichen.
Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Der Ausschuss für Agrarpolitik und Verbraucherschutz unterstützt grundsätzlich das Bestreben, eine schon bestehende elektronische Plattform für die Veterinärverwaltung weiter auszubauen. Es besteht allerdings noch Diskussionsbedarf, welche Plattform zu diesem Zweck empfohlen werden kann. Es gab auf der Bund-Länder-Besprechung vom 28. März 2019 eine noch eher unverbindliche Abstimmung zur Nutzung entweder von FIS-VL oder TSN. Anstatt FIS-VL und TSN wird vom Land Brandenburg inzwischen das TRAde Control and Expert System (im folgenden TRACES genannt) präferiert und dessen Ausbau unterstützt. TRACES ist bereits EU-weit etabliert und beinhaltete schon jetzt weitreichende Möglichkeiten zur Verwaltung des Tierverkehrs, die lediglich eines geringen Ausbaus bedürfen, um den aktuellen Anforderungen der Veterinärbehörden gerecht zu werden. Die neuesten Navigations- bzw. Flottenmanagementsysteme der Transportunternehmen ermöglichen es, über 70 verschiedene Parameter in die vorhandenen Managementsysteme einzuspeisen, welche dann über eine Schnittstelle an TRACES gesendet werden können. Somit stehen diese noch zu definierenden Standards den Veterinärbehörden zur Verfügung bzw. sind flexibel änderbar und können so den Transport bis zum Endziel lückenlos überwachen.
Es stehen weitere konstituierende Treffen der bearbeitenden Arbeitsgruppe aus, welche eine Einigung der Länder auf eine der zur Diskussion stehenden Plattformen erreichen soll.
Um eine breite Zustimmung der Länder zur vorliegenden Entschließung zu finden, wird beantragt, die nähere Benennung von in Frage stehenden Datenbanken in Punkt eins der Entschließung zu streichen.
Breite Zustimmung besteht hingegen in dem Punkt, dass eine bereits bestehende Plattform ausgebaut werden soll. Dies soll durch das Einfügen des Wortes "bereits" vor "bestehenden" untermauert werden.