Punkt 1 der 869. Sitzung des Bundesrates am 7. Mai 2010
Der Bundesrat möge beschließen, zu dem vom Bundestag am 23. April 2010 beschlossenen Gesetz die folgende Entschließung zu fassen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Bundesregierung, mit dem Gesetz zur Abschaffung des Finanzplanungsrates und zur Übertragung der fortzuführenden Aufgaben auf den Stabilitätsrat sowie zur Änderung weiterer Gesetze die vom Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 geforderte Härtefallregelung bei atypischen Bedarfslagen im SGB II zügig durch Schaffung einer gesetzlichen Regelung umzusetzen. Die zur Lösung der Problematik vorgesehene Mehrbedarfsregelung wird jedoch kritisch gesehen, weil auf diese Weise eine unterschiedliche Ausgestaltung der beiden Fürsorgesysteme SGB II und SGB XII erfolgt. Im Interesse einer Harmonisierung in Fragen der existenzsichernden Bedarfe sollte in beiden Rechtsbereichen eine analoge Regelung für atypische Bedarfslagen erfolgen.
- 2. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, die mit der Mehrbedarfsregelung im SGB II entstehenden Wertungswidersprüche zu der im SGB XII vorgesehenen Öffnungsklausel bei nächster Gelegenheit im Rahmen eines zeitnahen, geeigneten Gesetzgebungsverfahren durch aufeinander abgestimmte Regelungen im SGB II und SGB XII zu beseitigen, um eine sachlich nicht begründbare Ungleichbehandlung von Leistungsempfängern in der Sozialhilfe und in der Grundsicherung für Arbeitsuchende zur Deckung des existenzsichernden Bedarfs zu vermeiden.
Begründung
Artikel 3a des Gesetzes sieht zur Lösung der Problematik der atypischen Bedarfslagen im SGB II einen allgemeinen Mehrbedarfszuschlag vor, wobei die Formulierung der Anspruchsvoraussetzungen unmittelbar der Begründung des Bundesverfassungsgerichtsurteils entnommen ist.
Im Gegensatz dazu wird die Deckung der vom Bundesverfassungsgericht angesprochenen atypischen Bedarfe im SGB XII durch eine bereits erprobte Öffnungsklausel sichergestellt, wonach die Bedarfe abweichend von den Regelsätzen festgelegt werden, wenn im Einzelfall eine atypische Bedarfslage bei einer generalisierenden Bemessung der laufenden Leistungen zum Lebensunterhalt nicht berücksichtigt werden konnte oder erheblich in der Höhe vom durchschnittlichen Bedarf abweicht. Die Öffnungsklausel ermöglicht sowohl eine Erhöhung als auch eine Absenkung des Regelsatzes im Einzelfall.
Durch die unterschiedlichen Ansätze erfolgt eine unterschiedliche Ausgestaltung der beiden bedarfsorientierten, auf das menschenwürdige Existenzminimum gerichteten Leistungssysteme des SGB XII und SGB II.
Dies widerspricht dem Ziel einer Harmonisierung der Regelungen des SGB XII und des SGB II in Fragen der existenzsichernden Bedarfe, die das Bundesverfassungsgericht in seiner Entscheidung vom 9. Februar 2010 bekräftigt hat. Spätestens nach der Neubemessung der Regelsätze, welche bis zum 31. Dezember 2010 zu erfolgen hat, erscheint eine Ungleichbehandlung der Betroffenen beider Leistungssysteme nicht mehr gerechtfertigt.
Auch die Konferenz der Obersten Landessozialbehörden hat sich in diesem Zusammenhang in ihrer Frühjahrssitzung am 25./26. März 2010 einstimmig dafür ausgesprochen, Wertungswidersprüche zwischen dem SGB II und SGB XII zu vermeiden. Sie hat zugleich vorgeschlagen, analog zu der Öffnungsklausel im SGB XII auch im SGB II eine solche Regelung vorzusehen.