Unterrichtung durch die Bundesregierung
Antwort der Bundesregierung zu den Fragen an die Bundesregierung zur Umsetzung des Ersten Gleichstellungsberichts der Bundesregierung "Neue Wege - Gleiche Chancen. Gleichstellung von Frauen und Männern im Lebensverlauf"

Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend
Berlin, den 2. April 2013
- Parlamentarischer Staatssekretär -

An den Präsidenten des Bundesrates
Herrn Ministerpräsidenten
Winfried Kretschmann

Sehr geehrter Herr Präsident,
die Fragen beantworte ich wie folgt:

Frage 1

In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, einen Anspruch auf gleiches Entgelt für gleichwertige Tätigkeiten im Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz rechtlich zu verankern, umsetzen?

Antwort:

Die Bundesregierung vertritt die Auffassung, dass der Grundsatz "Gleiches Entgelt für gleichwertige Tätigkeiten" im deutschen Recht ausreichend verankert ist. Der Gleichberechtigungsgrundsatz in Art. 3 Abs. 2 Grundgesetz verbietet, Frauen bei gleicher oder gleichwertiger Arbeit ein geringeres Entgelt zu zahlen als Männern.

Nach § 2 Abs. 1 Nr. 2 und § 7 Abs. 1 AGG sind Benachteiligungen wegen des Geschlechts in Bezug auf die Beschäftigungs- und Arbeitsbedingungen einschließlich des Arbeitsentgelts unzulässig. Zusätzlich stellt § 8 Abs. 2 AGG klar, dass die Vereinbarung einer geringeren Vergütung für gleiche oder gleichwertige Arbeit wegen des Geschlechts nicht dadurch gerechtfertigt wird, dass wegen des Geschlechts besondere Schutzvorschriften gelten.

Frage 2

Welche Schlussfolgerung zieht die Bundesregierung aus der Empfehlung des Sachverständigengutachtens nach einer Abschaffung der Minijobs aus individueller und gesellschaftlicher Perspektive?

Antwort:

Die geringfügige Beschäftigung erhöht für Unternehmen und Beschäftigte die Flexibilität und bietet für die Beschäftigten Hinzuverdienstmöglichkeiten. Dabei gelten alle arbeitsrechtlichen Gesetze auch für geringfügig Beschäftigte, insbesondere dürfen sie nicht wegen der geringfügigen Beschäftigung als einer Form der Teilzeitarbeit schlechter behandelt werden als in Vollzeit beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Die sozialversicherungsrechtliche Position ist mit Beginn des Jahres 2013 durch das "Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung" gestärkt worden. Für neue geringfügig entlohnte Beschäftigungsverhältnisse ist eine Versicherungspflicht (mit Befreiungsmöglichkeit) in der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt worden. Für den Bestand bleibt es grundsätzlich bei der Versicherungsfreiheit mit der Möglichkeit, für die Zukunft auf die Versicherungsfreiheit zu verzichten und die Beiträge aufzustocken.

Frage 3

In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, die Regelungen, die während einer bestehenden Ehe die traditionelle Arbeitsteilung verfestigen, wie

die an die Ehe anknüpfen und ein traditionelles Rollenmodell begünstigen, zu beschränken oder zu beseitigen, umsetzen?

Antwort:

Eine Umsetzung der Empfehlungen steht gegenwärtig nicht an. Die Bundesregierung überprüft derzeit, wie sich ehe- und familienbezogene gesetzliche Regelungen auf Familien auswirken. Darüber hinaus ist hinsichtlich des Ehegattensplittings festzuhalten, dass Ehepartner entscheiden können, ob sie zusammen unter Anwendung des Splitting-Verfahrens oder jeweils einzeln zur Einkommensteuer veranlagt werden wollen. Das Ehegattensplitting ist insofern ein neutrales Verfahren, als es die Besteuerung nicht geschlechtsspezifisch daran orientiert, welcher Ehepartner welchen Anteil der Erwerbseinkünfte erzielt.

Es handelt sich daher nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nicht um eine beliebig veränderbare Steuervergünstigung, sondern um eine an dem Schutzgebot des Artikels 6 Abs. 1 GG und der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit der Ehegatten nach Artikel 3 Abs. 1 GG orientierte, sachgerechte Besteuerung.

Frage 4

In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, angesichts des hohen Anteils von Frauen im Niedriglohnbereich gesetzliche Mindestlöhne zu schaffen, umsetzen?

Antwort:

In der Bundesregierung findet derzeit ein Abstimmungsprozess statt, ob und inwieweit branchenspezifische Mindestlöhne durch eine gesetzliche allgemeine verbindliche und angemessene Lohnuntergrenze in den Bereichen, in denen ein tarifvertraglich festgelegter Lohn nicht existiert, flankiert werden sollen. Die Meinungsbildung ist noch nicht abgeschlossen.

Frage 5

In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, zur partnerschaftlichen Weiterentwicklung beim Elterngeld einerseits die Partnermonate zu verlängern und andererseits die Halbierung der Bezugsdauer des Elterngeldes aufzuheben, wenn beide Elternteile gleichzeitig Elternzeit und Teilzeitbeschäftigung in Anspruch nehmen, umsetzen?

Antwort:

Zunächst ist darauf hinzuweisen, dass sich die Bezugsdauer des Elterngeldes bei gleichzeitigem Bezug und gleichzeitiger Teilzeitbeschäftigung beider Elternteile nicht halbiert: Den Eltern stehen innerhalb der ersten 14 Lebensmonate ihres Kindes gemeinsam grundsätzlich zwölf bzw. bei Inanspruchnahme der Partnermonate 14 Monatsbeträge des Elterngeldes zu; ein Elternteil kann mindestens zwei und höchstens zwölf Monatsbeträge nutzen. Die Eltern können die ihnen zur Verfügung stehenden Monatsbeträge nacheinander, abwechselnd oder parallel beanspruchen. Bei Teilzeittätigkeit von bis zu 30 Wochenstunden richtet sich die Höhe des Elterngeldes nach der Differenz zwischen dem maßgeblichen Einkommen vor und nach der Geburt.

Die Bundesregierung arbeitet kontinuierlich an einer Weiterentwicklung des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes. Geprüft wird insbesondere die Frage, wie den Bedürfnissen der Eltern durch flexiblere Regelungen noch besser Rechnung getragen werden kann. Dabei ist die Umsetzung der Vorhaben eines Teilelterngeldes sowie einer Stärkung der Partnermonate im Gesamtkonzept der Weiterentwicklung der familienpolitischen Leistungen auch abhängig von haushaltspolitischen Erwägungen.

Frage 6

In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens, über eine sanktionsbewehrte Geschlechterquote für Aufsichtsräte die Unterrepräsentanz von Frauen in diesen Gremien zu ändern, umsetzen?

Frage 7

In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens zu (befristeten) Mindestanteilsregelungen für Frauen in Führungspositionen in der Privatwirtschaft umsetzen?

Antwort:

Die Fragen 6 und 7 stehen in thematischem Zusammenhang und werden daher gemeinsam beantwortet.

Die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen, insbesondere in Vorständen und Aufsichtsräten, ist ein wichtiges gleichstellungspolitisches Anliegen der Bundesregierung. Zahlreiche Initiativen der Bundesregierung und der Wirtschaft unterstützen und fördern die Erhöhung des Anteils von Frauen in Führungspositionen und Aufsichtsräten:

Die Bundesregierung setzt darauf, dass mit den vielfältigen neuen Initiativen der Unternehmen und den in dieser Legislaturperiode gestarteten Aktivitäten der Bundesregierung der Anteil von Frauen in Führungspositionen in der Wirtschaft auf allen Ebenen in den kommenden Jahren weiter erhöht wird.

Die differenzierte Meinungsbildung der Bundesregierung zu einer europaweiten gesetzlichen Quotenregelung .hat ihren Ausdruck zuletzt in der deutschen Haltung gegenüber dem entsprechenden Richtlinien-Vorschlag der EU-Kommission gefunden. In der Bundesregierung findet weiterhin eine Meinungsbildung zu einer gesetzlichen Flexi-Quote statt.

Frage 8

In welcher Weise und wann will die Bundesregierung die Empfehlung des Sachverständigengutachtens zum Abbau abgeleiteter Sicherungsansprüche in der Gesetzlichen Rentenversicherung und zum Abbau eigenständiger, armutsfester Renten umsetzen?

Antwort:

Zu der Forderung im Sachverständigengutachten, dass "Witwen-/Witwerrenten langfristig zurückgebaut werden sollten", wird darauf hingewiesen, dass der Gesetzgeber mit der letzten Reform den allgemeinen Versorgungssatz der Witwen- und Witwerrente auf 55 % der Versichertenrente abgesenkt und einen kindererziehungsabhängigen Zuschlag eingeführt hat. Daneben haben seither Ehepartner die Möglichkeit, statt einer Hinterbliebenenversorgung ein Rentensplitting, das dem Versorgungsausgleich nachgebildet ist, zu wählen. Dann werden ihre während der Ehe erworbenen Rentenansprüche hälftig geteilt. Da das neue Recht nur für neue Eheschließungen und für Ehegatten gilt, die bei Einführung beide noch nicht das 40. Lebensjahr vollendet hatten, werden sich die Auswirkungen der Reform im Wesentlichen erst nach dem Jahr 2025 bemerkbar machen.

Im Übrigen ist zu berücksichtigen, dass der angesprochene Abbau von Hinterbliebenenrenten grundsätzlich nur begrenzt möglich ist. Witwen- und Witwerrenten haben - auch nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts - Unterhaltsersatzfunktion. Sie sollen den Unterhalt ersetzen, der durch den Tod des Verstorbenen entfallen ist. Ein Abbau, der z.B. mit einer erheblichen Absenkung des Versorgungssatzes verbunden wäre, wäre verfassungsrechtlich problematisch. Denn Witwen dürfen aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht schlechter gestellt werden als Geschiedene, die durch den Versorgungsausgleich 50 % der in der Ehe erworbenen Anwartschaften erhalten.

Hinsichtlich der im Sachverständigengutachten geforderten höheren

Rentenansprüche für Geringverdiener soll mit einer steuerfinanzierten Lebensleistungsrente die Lebensleistung von Menschen, die jahrelang gearbeitet, die Kinder erzogen oder Angehörige gepflegt und dabei auch vorgesorgt haben, im System der gesetzlichen Rentenversicherung besser honoriert werden.

Im Übrigen wurde mit dem Gesetz zu Änderungen im Bereich der geringfügigen Beschäftigung vom 5. Dezember 2012 für geringfügig entlohnte Beschäftigungen, die ab 2013 neu aufgenommen werden, die grundsätzliche Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung eingeführt. Damit erwerben die geringfügig entlohnt Beschäftigten Ansprüche auf das volle Leistungsspektrum der Rentenversicherung.

Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hermann Kues