832. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2007
A.
- 1. Der federführende Rechtsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes nach Maßgabe folgender Änderungen beim Deutschen Bundestag einzubringen:
Zu Artikel 1 Nr. 2 ( § 1600f Satz 1 BGB), Nr. 3 Buchstabe b (§ 1628 Abs. 2 Satz 1, 2 - neu - BGB), Nr. 4 (§ 1629 Abs. 2 Satz 4 BGB)
Artikel 1 ist wie folgt zu ändern:
- a) In Nummer 2 § 1600f Satz 1 ist die Angabe "Abs. 1" zu streichen, und nach dem Wort "Probe" sind die Wörter "nach den anerkannten Grundsätzen der Wissenschaft" einzufügen.
- b) Nummer 3 Buchstabe b § 1628 Abs. 2 ist wie folgt zu ändern:
- aa) Die Wörter "dem anderen Elternteil auf Antrag" sind durch die Wörter "einem Elternteil auf dessen Antrag" zu ersetzen.
- bb) Folgender Satz ist anzufügen:
"Es kann die für die Durchführung der Abstammungsuntersuchung und Probengewinnung erforderlichen Anordnungen treffen."
- c) Nummer 4 § 1629 Abs. 2 Satz 4 ist wie folgt zu fassen:
"Ist ein Elternteil allein sorgeberechtigt, ersetzt das Gericht im Falle einer Entscheidung nach § 1600f dessen Einwilligung; § 1628 Abs. 2 Satz 2 gilt entsprechend."
Folgeänderungen:
- a) Das Vorblatt ist wie folgt zu ändern:
- aa) Abschnitt "A. Zielsetzung" ist wie folgt zu ändern:
- aaa) Absatz 2 Satz 2 ist durch folgende Sätze zu ersetzen:
"Diese Rechtsprechung hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 13. Februar 2007 (1 BvR 421/05) bestätigt. Zugleich hat es dem Gesetzgeber jedoch aufgegeben, bis zum 31. März 2008 eine gesetzliche Regelung zur isolierten Feststellung der Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater zu treffen, da zu dem grundrechtlich garantierten Anspruch des Mannes auf Kenntnis der Abstammung eines ihm rechtlich zugeordneten Kindes auch die Verwirklichung dieses Rechts durch ein geeignetes Verfahren gehöre. Der Gesetzesantrag dient der Umsetzung dieser Forderung."
- bbb) Absatz 3 ist zu streichen.
- aaa) Absatz 2 Satz 2 ist durch folgende Sätze zu ersetzen:
- bb) Abschnitt "B. Lösung" ist wie folgt zu ändern:
- aaa) Satz 6 ist wie folgt zu fassen:
"Beim allein sorgeberechtigten Elternteil soll das Familiengericht die Einwilligung ersetzen können."
- bbb) Nach Satz 7 ist folgender Satz einzufügen:
"Das Familiengericht kann Anordnungen zur Durchführung der Untersuchung treffen oder bei erheblichen Einwendungen, insbesondere einer konkreten Gefährdung des Kindeswohls, zunächst von der Übertragung der Entscheidungsbefugnis bzw. der Ersetzung der Einwilligung absehen."
- aaa) Satz 6 ist wie folgt zu fassen:
- aa) Abschnitt "A. Zielsetzung" ist wie folgt zu ändern:
- b) Die Allgemeine Begründung ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Absatz 2 ist der letzte Satz zu streichen.
- bb) Absatz 3 ist wie folgt zu fassen:
"Diese Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs hat das Bundesverfassungsgericht in seinem Urteil vom 13. Februar 2007 (1 BvR 421/05) bestätigt. Das Bundesverfassungsgericht hat aber zugleich anerkannt, dass einem Mann als Ausformung seines allgemeinen Persönlichkeitsrechts nach Artikel 2 Abs. 1 in Verbindung mit Artikel 1 Abs. 1 GG nicht nur ein Recht auf Kenntnis der Abstammung eines ihm rechtlich zugeordneten Kindes zusteht, sondern auch auf Verwirklichung dieses Rechts; der Gesetzgeber habe es unter Verletzung dieses Grundrechtsschutzes unterlassen, eine gesetzliche Regelung zur Feststellung der Abstammung eines Kindes von seinem rechtlichen Vater zu treffen. Das Bundesverfassungsgericht hat dem Gesetzgeber daher aufgegeben, die Rechtslage bis zum 31. März 2008 durch eine verfahrensrechtliche Regelung in Einklang mit dem Recht auf Kenntnis der Abstammung zu bringen. Dabei hat es diesen Gesetzentwurf in seiner zum Zeitpunkt der Entscheidung vorliegenden Fassung als eine mögliche Verfahrensgestaltung ausdrücklich erwähnt."
- cc) Absatz 4 ist zu streichen.
- dd) Absatz 5 ist wie folgt zu ändern:
- aaa) Satz 1 ist wie folgt zu fassen:
"Die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Regelung hat sich an folgenden Grundsätzen zu orientieren:"
- bbb) In Spiegelstrich 1 sind die Wörter: "(so die heutige Rechtslage nach der Rechtsprechung)" und die Wörter "(so der Vorschlag, den heimlichen Test zu legalisieren)" zu streichen.
- ccc) Spiegelstrich 4 ist folgender Satz anzufügen:
"Hier sollte auch geklärt werden, ob und inwieweit im Anfechtungsverfahren verstärkt das Interesse des Kindes am Erhalt seiner rechtlichen und sozialfamiliären Zuordnung zu wahren ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 -, Rnr. 99)."
- aaa) Satz 1 ist wie folgt zu fassen:
- ee) In Absatz 6 ist die Angabe "(BVerfGE 108, 82, 105)" durch die Angabe "(BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 - )" zu ersetzen.
- ff) In Absatz 7 Satz 3 sind die Wörter "der Bundesgerichtshof zu Recht" durch die Wörter "das Bundesverfassungsgericht" zu ersetzen.
- gg) Absatz 11 sind folgende Sätze anzufügen:
"Außerdem können besondere Lebenslagen und Entwicklungsphasen, in denen sich das Kind befindet, es im Einzelfall rechtfertigen, wegen besonderer Gefährdung des Kindeswohls für begrenzte Zeit von der Eröffnung eines Verfahrens abzusehen, mit dem dem Recht des Mannes auf Kenntnis der Abstammung des Kindes von ihm zur Durchsetzung verholfen werden soll (BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 -, Rnr. 72)."
- hh) Absatz 13 sind folgende Sätze anzufügen:
"Wenn eine einvernehmliche Lösung auch vor Gericht nicht erzielt werden kann und das Gericht die Entscheidung über die Einwilligung dem antragstellenden Elternteil überträgt, kann es zugleich Auflagen zur Durchführung der Untersuchung treffen (§ 1628 Abs. 2 Satz 2 BGB-E). Es kann damit eine schonende Umsetzung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung sicherstellen."
- ii) Absatz 14 ist wie folgt zu fassen:
"Ist die Mutter allein sorgeberechtigt, kann ihr das Familiengericht nach geltendem Recht unter bestimmten Voraussetzungen die Vertretung des Kindes für einzelne Angelegenheiten entziehen (§§ 1629, 1796 BGB). Würde dies auch für das Verfahren nach § 1600f BGB-E gelten, müsste für das Kind ein Ergänzungspfleger bestellt werden ( § 1909 BGB), dem die Entscheidung über die Erfüllung des Anspruchs oder die Geltendmachung des Einwands des Rechtsmissbrauchs obläge. Die Einschaltung eines Dritten, der außergerichtlich tätig wird, birgt jedoch zusätzlichen Streitstoff; es kann zu erheblichen Verzögerungen bei der Durchführung der Abstammungsuntersuchung oder gar zu einem neuen gerichtlichen Verfahren kommen, was für alle Beteiligten eine Belastung bedeutet. Das Gericht soll daher die Auseinandersetzung umfassend lösen, indem es die Einwilligung ersetzt und nötigenfalls Anordnungen zur Durchführung trifft (§ 1629 Abs. 2 Satz 4 BGB-E). Auch dieses Verfahren ist ein familiengerichtliches Verfahren; dem Kind kann zur Geltendmachung seiner Rechte ein Verfahrenspfleger zur Seite gestellt werden. Außerdem hat das Gericht nach § 1697a BGB diejenigen Entscheidungen zu treffen, die unter Berücksichtigung der tatsächlichen Gegebenheiten und Möglichkeiten sowie der berechtigten Interessen der Beteiligten dem Wohl des Kindes am besten entsprechen. Hierdurch ist es dem Gericht möglich, die Ersetzung der Einwilligung zunächst zurückzustellen, wenn eine besondere Gefährdung des Kindeswohls dies gebietet."
- jj) Absatz 15 ist zu streichen.
- c) Die Einzelbegründung zu Artikel 1 Nr. 2 ist wie folgt zu ändern:
- aa) In Absatz 1 Satz 1 ist die Angabe "Abs. 1" zu streichen.
- bb) Absatz 2 sind folgende Sätze anzufügen:
"Außerdem können es besondere Lebenslagen oder Entwicklungsphasen des Kindes im Einzelfall rechtfertigen, wegen einer besonderen Gefährdung des Kindeswohls die Entscheidung über die Durchführung einer Abstammungsuntersuchung für begrenzte Zeit zurückzustellen (vgl. § 1697a BGB)."
- d) Der Einzelbegründung zu Artikel 1 Nr. 3 ist folgender Absatz anzufügen:
"Wenn eine einvernehmliche Lösung auch vor Gericht nicht erzielt werden kann und das Gericht die Entscheidung über die Einwilligung dem antragstellenden Elternteil überträgt, kann es zugleich Auflagen zur Durchführung der Untersuchung treffen. Es kann damit eine schonende Umsetzung des Rechts auf Kenntnis der Abstammung sicherstellen."
- e) Die Einzelbegründung zu Artikel 1 Nr. 4 ist wie folgt zu fassen:
"Ist ein Elternteil allein sorgeberechtigt, sollte anstelle einer bereits nach geltender Rechtslage möglichen teilweisen Entziehung der Vertretungsbefugnis nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 i.V.m. § 1796 BGB die Ersetzung seiner Zustimmung durch das Familiengericht vorgesehen werden. Die ansonsten notwendige Bestellung eines Ergänzungspflegers (§ 1909 BGB) wird hierdurch vermieden. Das Gericht kann abschließend über den Anspruch entscheiden, was zu einer möglichst schnellen Befriedung beiträgt. Darüber hinaus soll es auch Anordnungen zur Umsetzung des Anspruchs treffen können, um erneuten Auseinandersetzungen zwischen den Beteiligten vorzubeugen. Dies wird durch den Verweis auf § 1628 Abs. 2 Satz 2 BGB-E sichergestellt. So kann das Gericht einer Mutter z.B. aufgeben, mit ihrem Kind zu einer bestimmten Zeit das vom Vater zu beauftragende Diagnoseinstitut zwecks Probenentnahme aufzusuchen. Die gerichtlichen Anordnungen können notfalls über § 33 FGG durchgesetzt werden. In jedem Fall ist das Gericht gehalten, das Kindeswohl besonders im Auge zu behalten ( § 1697a BGB)."
Begründung (nur für das Plenum):
Der Entwurf räumt den Anspruch, eine Abstammungsuntersuchung und Probengewinnung zu verlangen, den "anfechtungsberechtigten Personen im Sinne von § 1600 Abs. 1" BGB ein. Nach dessen Nummer 2 zählt hierzu auch der mögliche leibliche Vater. Das Bundesverfassungsgericht hält zwar auch die Annahme eines Mannes, er könnte Erzeuger eines ihm rechtlich nicht zugeordneten Kindes sein, für schutzwürdig und erkennt auch ihm das Recht auf Kenntnis der Abstammung dieses Kindes zu (BVerfG, Urteil vom 13. Februar 2007 - 1 BvR 421/05 -, Rnr. 59). Es hat aber auch ausgeführt (BVerfG, a.a.O, Rnr. 89), dass das Fehlen einer rechtlichen Zuordnung es rechtfertige, strengere Anforderungen an das Verfahren zu stellen; von dem Putativvater könne der Vortrag von Umständen verlangt werden, die es möglich erscheinen lassen, dass er der biologische Vater des Kindes sein könne. Außerdem betont das Bundesverfassungsgericht (BVerfG, a.a.O., Rnr. 99) erneut das von Artikel 6 Abs. 1 GG geschützte Interesse insbesondere des Kindes, gegebenenfalls seine rechtliche und sozialfamiliäre Zuordnung zu behalten. Es erscheint daher geboten, den Anspruch des möglichen biologischen Vaters auf Kenntnis der Abstammung eines Kindes nur dann greifen zu lassen, wenn keine sozialfamiliäre Beziehung zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater besteht. Dies wird dadurch erreicht, dass § 1600f BGB-E auf den gesamten § 1600 BGB und nicht nur dessen Absatz 1 verweist.
Der Gesetzentwurf enthält keine Hinweise, ob und welche Qualitätskriterien das einzuholende Abstammungsgutachten erfüllen muss. Es erscheint notwendig, im Interesse aller Beteiligten an einer sicheren Abstammungsdiagnostik auf die anerkannten Grundsätze der Wissenschaft abzustellen. Diese sind daher als weitere Änderung in § 1600f BGB-E aufzunehmen. Die gewählte Formulierung entspricht der des § 372a Abs. 1 ZPO. Derzeit sind als anerkannte Grundsätze der Wissenschaft die Richtlinien der Bundesärztekammer für die Erstattung von Abstammungsgutachten vom 8. März 2002 (vgl. Deutsches Ärzteblatt, 1999, Heft 10, A 665; FamRZ 2002, 1159) anzusehen. Eine ausdrückliche Erwähnung erscheint gleichwohl nicht sinnvoll, um bei weiteren wissenschaftlichen Entwicklungen nicht zu einer Änderung gezwungen zu sein.
Die Änderung in Artikel 1 Nr. 3 Buchstabe b Doppelbuchstabe aa ist redaktioneller Art und soll zu einer besseren Abstimmung auf den bisherigen Text des § 1628 BGB (§ 1628 Abs. 1 BGB-E) führen. Die Änderung in Doppelbuchstabe bb soll dem Gericht ermöglichen, Auflagen zur Durchführung der Untersuchung zu treffen, um das Recht auf Kenntnis der Abstammung schonend umzusetzen.
Der Gesetzentwurf sieht bislang im Falle einer Entscheidung nach § 1600f BGB-E bei alleiniger elterlicher Sorge einen Entzug der Vertretung nach § 1629 Abs. 2 Satz 3 BGB vor (§ 1629 Abs. 2 Satz 4 BGB-E). Entzieht das Gericht die Vertretung, hat es nach § 1909 Abs. 1 Satz 1 BGB einen Ergänzungspfleger zu bestellen. Dieser Weg erscheint umständlich, da die Zustimmung zur gendiagnostischen Abstammungsuntersuchung und auch deren praktische Umsetzung wieder nach außen, nämlich auf den Ergänzungspfleger verlagert wird. Der zwischen den Beteiligten bestehende Konflikt wird hierdurch nicht endgültig befriedet. Gelingt es dem Ergänzungspfleger nicht, die in der Regel zu erteilende Zustimmung auch praktisch umzusetzen, muss er sich erneut an das Gericht wenden. Sinnvoller erscheint es daher, dem Gericht die Möglichkeit einer Zustimmungsersetzung einzuräumen, wie sie auch § 1666 Abs. 3 BGB kennt, da dies eher Rechtsfrieden schafft. Durch konkrete Auflagen kann eine zügige, aber auch schonende Durchführung der Abstammungsuntersuchung und Probengewinnung sichergestellt werden. Notfalls kann das Gericht zur Durchsetzung seiner Anordnungen von den Mitteln des § 33 FGG Gebrauch machen.
Im Übrigen handelt es sich um redaktionelle Anpassungen an die zwischenzeitlich ergangene Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 13. Februar 2007.
B.
Der federführende Rechtsausschuss schlägt dem Bundesrat vor, Staatsministerin Dr. Beate Merk (Bayern) gemäß § 33 der Geschäftsordnung des Bundesrates zur Beauftragten des Bundesrates für die Beratung des Gesetzentwurfs im Deutschen Bundestag und seinen Ausschüssen zu bestellen.
C.
Der Ausschuss für Frauen und Jugend, der Ausschuss für Familie und Senioren, der Gesundheitsausschuss und der Ausschuss für Innere Angelegenheiten haben ihre Beratungen noch nicht abgeschlossen.*)
*) Der Freistaat Bayern hat beim Präsidenten des Bundesrates beantragt, die Vorlage auf die Tagesordnung der 832. Sitzung des Bundesrates am 30. März 2007 zu setzen und eine sofortige Sachentscheidung herbeizuführen.