923. Sitzung des Bundesrates am 13. Juni 2014
A
Der federführende Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
Zum Gesetzentwurf insgesamt
- 1. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung mit dem vorliegenden Gesetzentwurf, insbesondere durch eine intensivierte Prüfung der Abgabepflichten der Verwerter durch die gesetzlichen Rentenversicherungsträger, bestrebt ist, die Künstlersozialversicherung zu stabilisieren.
- 2. Der Bundesrat begrüßt außerdem das Anliegen des Gesetzentwurfs, eine Abgabegerechtigkeit bei der Künstlersozialabgabe herzustellen und den weiteren Anstieg des Abgabesatzes zu vermeiden.
- 3. Allerdings gibt er zu bedenken, dass eine Stabilisierung auf die Dauer nur gelingen wird, wenn die Künstlersozialversicherung eine breite Akzeptanz erfährt.
- 4. Der Bundesrat hat allerdings* Bedenken, ob die flächendeckende Prüfung der Arbeitgeber mindestens alle vier Jahre durch die Betriebsprüfdienste der Träger der gesetzlichen Rentenversicherung im Hinblick auf die Künstlersozialabgabe in der vorgesehenen Weise praktikabel ist.
- 5. Der Gesetzentwurf betont die überragende kulturpolitische Bedeutung dieser Versicherung. Insofern weist der Bundesrat darauf hin, dass aufgrund dieser gesamtgesellschaftlichen Bedeutung die Finanzierung der Künstlersozialversicherung nicht auf Kosten der Beitragszahler der gesetzlichen Rentenversicherung gehen darf. Der Gesetzentwurf sieht jedoch keine Kostenerstattung für die von den Rentenversicherungsträgern durchzuführenden Prüfungen vor.
- 6. Im Gesetzentwurf wird nicht klargestellt, durch wen die zusätzlichen Kosten, die der Deutschen Rentenversicherung durch die Ausweitung der Prüfungen entstehen, zu tragen sind. Dies ist von besonderer Bedeutung, da im Anhörungsverfahren zum BUK-Neuorganisationsgesetz zur Höhe des Aufwands und zu den zusätzlichen Einnahmen unterschiedliche Einschätzungen vertreten wurden (siehe hierzu auch Stellungnahme des Normenkontrollrates).
Der Bundesrat verweist auf die bereits im Gesetzgebungsverfahren zum BUK-Neuorganisationsgesetz (BR-Drucksache 811/12(B) ) vorgetragenen Bedenken. Er bittet sicherzustellen, dass die Kosten für die Prüfungen der Künstlersozialabgabe in angemessenem Verhältnis zu den zu erwartenden Einnahmen stehen und alle die Künstlersozialversicherung betreffenden Ausgaben gedeckt werden können.
- 7. Der Bundesrat teilt im Übrigen die Zweifel des Nationalen Normenkontrollrats an den im Gesetzentwurf mit lediglich 12,3 Millionen Euro veranschlagten Mehrkosten der intensivierten Prüfung.
- 8. Die Einführung einer Geringfügigkeitsgrenze zur Entlastung kleiner Unternehmen hinsichtlich der Melde- und Abgabepflichten wird grundsätzlich begrüßt.
Allerdings erscheint die vorgesehene Höhe von 450 Euro im Kalenderjahr in Anbetracht der üblichen Entgelte für das Engagement von Künstlern zu gering, um kleine Unternehmen wirksam von Bürokratie zu entlasten; im Übrigen steht sie in diesen Fällen auch in keinem angemessenen Verhältnis zum wirtschaftlichen Ertrag für die Künstlersozialkasse.
- 9. Der Gesetzentwurf sieht eine erhebliche Ausweitung der Prüfungen durch die Träger der Deutschen Rentenversicherung im Hinblick auf die Abgabeverpflichtung der Arbeitgeber nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) vor. Die Ausweitung der Prüftätigkeit zieht auf Seiten der Wirtschaft einen weiteren Bürokratieaufwand nach sich, davon betroffen sind auch Erbringer von Sozialleistungen, zum Beispiel Pflegeheime, die Künstler für Veranstaltungen engagieren. Der Bundesrat hält eine weitere Belastung der Erbringer von Sozialleistungen durch Bürokratieaufwand, der nicht im unmittelbaren Zusammenhang mit den zu erbringenden Sozialleistungen steht, für problematisch.
- 10. Durch den Gesetzentwurf soll ein weiterer Anstieg des Künstlersozialabgabesatzes vermieden werden. Im Hinblick darauf, dass der Künstlersozialabgabesatz trotz der im Jahr 2007 begonnenen Prüftätigkeit der Träger der Deutschen Rentenversicherung weiterhin angestiegen ist, bezweifelt der Bundesrat, dass lediglich eine Ausweitung dieser Prüftätigkeit nachhaltig zu einer Stabilisierung des Abgabesatzes führen kann.
- 11. Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung,
- - im Rahmen der für 2019 vorgesehenen Evaluierung die Auswirkungen der Regelungen auf die Erbringer von Sozialleistungen gesondert zu betrachten und den Bundesrat über das Ergebnis zu unterrichten,
- - zu prüfen und den Bundesrat zu unterrichten, welche Maßnahmen außer einer Anhebung des Künstlersozialabgabesatzes und den Prüfungen bei den Arbeitgebern geeignet sein können, um einen langfristigen Ausgleich zwischen den Einnahmen und den Ausgaben der Künstlersozialkasse zu erreichen. So wäre zum Beispiel daran zu denken, den Künstlerbegriff in den Blick zu nehmen, der für den Kreis der späteren Leistungsbezieher von maßgebender Bedeutung ist.
- 12. Zu Artikel 1 ( § 28p SGB IV) und Artikel 2 Nummer 4 ( § 35 KSVG)
Das Prüfverfahren zur Künstlersozialabgabe muss so gestaltet werden, dass es für die zu prüfenden Betriebe und Unternehmen und für die prüfende Deutsche Rentenversicherung bzw. Künstlersozialkasse zu möglichst geringem bürokratischen Aufwand kommt.
Der Bundesrat bittet deshalb im weiteren Gesetzgebungsverfahren sicherzustellen, dass Beitragsprüfungen nach § 28p SGB IV und die Abgabenprüfung nach § 35 Absatz 2 KSVG möglichst zeitgleich durchzuführen sind, damit das neue Verfahren für die zu prüfenden Betriebe und Unternehmen praktikabel gestaltet wird. Die in § 35 Absatz 4 KSVG enthaltene Regelung ist hierbei nicht klar genug formuliert.
In § 35 KSVG wird für die Künstlersozialkasse ein eigenes Prüfrecht bei den Arbeitgebern eingeführt. In Absatz 4 soll geregelt werden, dass die Träger der Rentenversicherung und die Künstlersozialkasse bei der Prüfung der Melde- und Abgabepflicht bei den Arbeitgebern eng zusammenarbeiten und sich laufend abstimmen. Diese allgemeine Bestimmung erscheint nicht ausreichend. Vielmehr muss festgelegt werden, dass eine zeitliche Trennung nur in begründeten Ausnahmefällen erfolgen darf.
- 13. Zu Artikel 2 Nummer 2 Buchstabe a - neu - (§ 24 Absatz 1 Satz 3 - neu - KSVG)
In Artikel 2 ist Nummer 2 wie folgt zu fassen:
'2. § 24 wird wie folgt geändert:
- a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
"Satz 1 Nummer 9 gilt nicht für ehrenamtliche Musikvereine, soweit für sie Musiklehrer in der Nachwuchsausbildung des Vereins tätig sind."
- b) Absatz 3 wird wie folgt gefasst:
(3) Aufträge ... <weiter wie Vorlage>"'
Begründung:
In der Praxis haben sich die Fälle gemehrt, in denen nicht kommerzielle Musikvereine, insbesondere ehrenamtlich geführte Jugendmusikkapellen, im Zusammenhang mit ihrer Nachwuchsausbildung zur Künstlersozialversicherungsabgabe nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz (KSVG) herangezogen werden. Bei den hier im Raum stehenden Nachzahlungsforderungen für bis zu fünf Jahre sieht sich mancher Verein vom finanziellen Ruin bedroht. Dies ist mit dem notwendigen ehrenamtlichen Engagement und mit der überaus wünschenswerten Integration von Kindern und Jugendlichen in Musikvereine und Gesellschaft sowie dem Gedanken der Brauchtumspflege nicht vereinbar.
Im Koalitionsvertrag von CDU, CSU und SPD vom 16. Dezember 2013 wurde im Hinblick auf die Künstlersozialabgabe vereinbart, die Abgrenzung von ehrenamtlicher und künstlerischer Tätigkeit zu schärfen. Der vorliegende Gesetzentwurf setzt diese Vereinbarung nicht um.
Mit der Rechtsänderung soll bewirkt werden, dass die zwischen der Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände und der Künstlersozialkasse vereinbarten sogenannten Berliner Kriterien entgegen dem teilweise anders interpretierten Urteil des Bundessozialgerichts vom 20. November 2008 (B 3 KS 5/07 R) wieder Anwendung finden und Rechtssicherheit hergestellt wird. Demnach sollen Musikvereine dann nicht zu einer Abgabe nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz verpflichtet sein, wenn
- - die musikalische Ausbildung nur zum Nachwuchs für das eigene Orchester betrieben wird (und zwar unabhängig davon, wie viele Musiker der Verein ausbildet); - nur für Instrumente ausgebildet wird, die das Orchester benötigt; - keine eigene Organisationsstruktur für den Bereich der musikalischen Ausbildung unterhalten wird (zum Beispiel eigene Abteilung, eigener Briefbogen);
- - nur Vereinsmitglieder ausgebildet werden;
- - die Einnahmen aus den Gebühren für die Ausbildung unter den Gesamtkosten liegen (das heißt der Verein leistet regelmäßig einen Zuschuss zu den Gesamtkosten der musikalischen Ausbildung).
Damit bleiben ehrenamtliche Musikvereine abgabefrei, soweit ihre Nachwuchsausbildung nicht einer gewerblichen Musikschule gleichkommt.
Der Bundesrat hat bereits zweimal einen gleichlautenden Beschluss zum KSVG gefasst (BR-Drucksache 152/10(B) und BR-Drucksache 315/11(B) ). Die Bundesregierung hat das Anliegen zuletzt unter Verweis auf die von Künstlersozialkasse und Trägern der Deutschen Rentenversicherung mit dem Bundesversicherungsamt gefundenen Verwaltungspraxis zurückgewiesen (vergleiche BT-Drucksache 17/6764). Das erzielte Ergebnis ist jedoch nicht ausreichend. Hiernach sind nur Vereine mit bis zu 20 Schülern grundsätzlich nicht abgabepflichtig. Bei bis zu 60 Schülern wird die Abgabepflicht grundsätzlich nur verneint, wenn der Verein keinem Ausbilder mehr als die sogenannte Übungsleiterpauschale (2 400 Euro per anno) zahlt. Mit der Orientierung der Abgabepflicht an der Zahl der Musikschüler ist eine zufrieden stellende Verbesserung für Laienmusikvereine nicht erreicht. Dies unterstreicht auch eine Massenpetition von Blasmusikkapellen mit 33 000 Unterschriften. Nach der Anhörung im Petitionsausschuss des Deutschen Bundestages am 11. März 2013 hat sich jedoch eine tatsächliche Änderung nicht ergeben. Es wurde zwar vom Vertreter der Bundesregierung die Einführung eines die Praxis erleichternden Fragebogens angeboten. Dieser wurde vom Blasmusikverband entwickelt, aber letztlich in einer Weise verändert, dass keine Rechtssicherheit für die Vereine besteht, von der Abgabe befreit zu sein. Sie müssen im Gegenteil bei der vorgesehenen intensivierten Prüfung verstärkt damit rechnen, mit erheblichen Zahlungsverpflichtungen konfrontiert zu werden.
- a) Dem Absatz 1 wird folgender Satz angefügt:
B
- 14. Der Finanzausschuss und der Ausschuss für Kulturfragen empfehlen dem Bundesrat, gegen den Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes keine Einwendungen zu erheben.
* Bei Annahme von Ziffer 3 wird das Wort "allerdings" durch das Wort "ferner" ersetzt.