Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 103923 - vom 28. Februar 2007.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 1. Februar 2007 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - gestützt auf Artikel 192 Absatz 2 des EG-Vertrags,
- - gestützt auf die Artikel 39 und 45 seiner Geschäftsordnung,
- - in Kenntnis des Berichts des Rechtsausschusses (A6-0405/2006),
A. in der Erwägung, dass es in Europa Unterschiede bei den Verjährungsfristen, dem Fristbeginn, dem Zeitpunkt der Kenntnis, der Möglichkeit der Hemmung und Unterbrechung der Frist sowie der Beweisführung und der Erhebung der Einrede der Verjährung gibt,
B. in der Erwägung, dass die Unterschiede so groß sind, dass sie zu unerwünschten Folgen für die Unfallopfer in grenzüberschreitenden Streitigkeiten führen können, indem verletzten Personen Hindernisse in den Weg gelegt werden, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem eigenen - und in manchen Fällen unter Umständen auch in ihrem eigenen Staat - ihre Rechte geltend machen und gezwungen sind, sich nach ausländischem Recht zu richten,
C. in der Erwägung, dass besonders folgende Probleme im Zusammenhang mit Unfällen mit grenzüberschreitenden Bezügen auftreten: in einigen Ländern wird Minderjährigen und Menschen mit einer Behinderung kein besonderer Schutz in Bezug auf den Lauf von Verjährungsfristen gewährt, die so Ansprüche auf eine Entschädigung, die ihnen sonst zugesprochen würden, unter Umständen verlieren können, wenn sie in einem anderen Mitgliedstaat als ihrem eigenen verletzt werden; in einigen Ländern kann der Lauf von Verjährungsfristen nur durch Klageerhebung bzw. -zustellung unterbrochen werden: in grenzüberschreitenden Streitigkeiten kann ein solches System zu Problemen führen, denn die Verhandlungen dauern notwendigerweise länger, und die Tatsache, dass das Opfer den Ablauf der Verjährungsfrist nicht hemmen kann, bringt es in die nachteilige Lage, in einer frühen Phase Kosten für eine Klageerhebung bzw. -zustellung verauslagen zu müssen, bevor der Abschluss von Verhandlungen möglich ist,
D. in der Erwägung, dass es angesichts der Unterschiede bei den Verjährungsfristen in Fällen von Personenschäden mit grenzüberschreitenden Bezügen sachdienlich sein könnte, auf das wesentliche beschränkte Grundsätze aufzustellen,
E. in der Erwägung, dass die Bedingung des Artikels 39 Absatz 2 der Geschäftsordnung, wonach ein Vorschlag noch nicht in Vorbereitung sein darf, ordnungsgemäß erfüllt ist,
- 1. fordert die Kommission auf, eine Untersuchung der Auswirkung unterschiedlicher Verjährungsfristen auf den Binnenmarkt und speziell auf Bürgerinnen und Bürger, die ihre gemäß dem EG-Vertrag bestehenden Freiheiten ausüben, durchzuführen; insbesondere sollte in dieser Studie die Zahl der Personenschäden mit grenzüberschreitenden Bezügen bestimmt und alle Schwierigkeiten und/oder Härten für geschädigte Parteien auf Grund der Unterschiede bei den Verjährungsfristen unter Bezugnahme auf die unter Erwägung B genannten Bereiche bewertet werden;
- 2. fordert die Kommission auf, nach der Bewertung der Studie einen Bericht über die Verjährungsfristen unter besonderer Bewertung möglicher Optionen, beginnend von einer beschränkten Harmonisierung der Verjährungsfristen bis hin zur Anwendung einer kollisionsrechtlichen Anknüpfungsregel, vorzulegen;
- 3. fordert die Kommission auf, gegebenenfalls im Ergebnis der gemäß Nummer 1 durchgeführten Studie und nach Konsultation des Parlaments, ihm auf der Grundlage von Artikel 65 Buchstabe c und Artikel 67 Absatz 5 zweiter Spiegelstrich des Vertrags entsprechend den als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen einen Legislativvorschlag über die Verjährung bei Ansprüchen aufgrund von Personenschäden und tödlichen Unfällen in grenzüberschreitenden Streitigkeiten zu unterbreiten;
- 4. bestätigt, dass die als Anlage beigefügten Empfehlungen das Subsidiaritätsprinzip und die Grundrechte der Bürgerinnen und Bürger einhalten; fordert die Kommission auf, sorgfältig zu prüfen, dass das Subsidiaritätsprinzip und Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkte strikt beachtet werden; schlägt vor, insbesondere ist darauf zu achten, dass das am wenigsten einschränkende Mittel der Rechtsetzung gewählt wird, und zu prüfen, ob nicht z.B. durch die Einführung des Herkunftslandsprinzips das Problem am besten gelöst werden könnte;
- 5. vertritt die Auffassung, dass der geforderte Vorschlag keine finanziellen Auswirkungen haben darf;
- 6. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung und die als Anlage beigefügten ausführlichen Empfehlungen dem Rat und der Kommission sowie den Parlamenten und Regierungen der Mitgliedstaaten zu übermitteln.
Anlage
Ausführliche Empfehlung zum Inhalt des Verlangten Vorschlags
Empfehlung 1 (zur Form und zum Geltungsbereich des anzunehmenden Instruments)
Das Parlament ist der Auffassung, dass Grundsätze zu Verjährungsfristen in angemessener Form, und soweit die Gemeinschaft eine Rechtsetzungskompetenz besitzt, für Schadensersatzsprüche aufgestellt werden sollten, die
- - aufgrund oder als Folge der Verletzung einer Person entstanden sind,
- - von den Erben der/des Geschädigten geltend gemacht werden oder
- - von einer anderen Person geltend gemacht werden, wenn die/der Geschädigte eine Verletzung oder einen tödlichen Unfall erlitten hat,
wenn an dem Prozess Parteien, die ihren Aufenthalt oder Wohnsitz in verschiedenen Mitgliedstaaten haben, beteiligt sind, oder wenn eine Partei, die ihren Aufenthalt oder Wohnsitz in einem Staat außerhalb der Gemeinschaft hat, beteiligt ist, oder wenn eine Wahlmöglichkeit zwischen den Rechtsordnungen verschiedener Länder besteht.
Empfehlung 2 (zum Mindestinhalt des anzunehmenden Instruments))
Dauer, Berechnung, Beginn, Aussetzung und Hemmung der Verjährungsfrist
- - Die allgemeine Verjährungsfrist sollte vier Jahre betragen, unabhängig von der Art der Schuld, des Anspruchs oder der Identität des Beklagten, es sei denn, das Recht, nach dem sich der Anspruch richtet, sieht eine längere Frist vor; in diesem Fall trägt der Kläger die Beweislast für das Vorliegen einer längeren Frist. Die Verjährungsfrist für die Vollstreckung von Schadensersatzansprüchen, die durch ein Endurteil oder ein Schiedsurteil zugesprochen wurden, sollte 10 Jahre betragen. Keine Verjährungsfrist sollte es für Schadensersatzansprüche aufgrund von Terroranschlägen, Folter oder Sklaverei geben.
- - Die Verjährungsfrist sollte um 24.00 Uhr an ihrem letzten Tag auslaufen; Sie sollte nach dem offiziellen Kalender desjenigen Mitgliedstaats berechnet werden, in dem der Anspruchssteller klagt, wobei der Tag, an dem der Anspruch entstanden ist, nicht mitgerechnet werden sollte. Wird eine Verjährungsfrist verlängert, sollte die neue Verjährungsfrist von dem Tag an berechnet werden, an dem die vorausgegangene Verjährungsfrist ausläuft.
- - Die Verjährungsfrist sollte zu laufen beginnen:
- 1. an dem Tag, an dem der Anspruch entstanden ist, oder an dem Tag, an dem die verletzte Person (tatsächliche oder hypothetische) Kenntnis erlangt hat, wenn dieser Tag später liegt;
- 2. im Fall von Ansprüchen der Erben am Tag des Todes oder an dem Tag, an dem die Erben des Nachlasses (tatsächliche oder hypothetische) Kenntnis erlangt haben, wenn dieser Tag später liegt;
- 3. im Fall von Ansprüchen sekundär Geschädigter am Tag des Todes oder an dem Tag, an dem die/der sekundär Geschädigte (tödliche Unfälle) (tatsächliche oder hypothetische) Kenntnis erlangt hat, wenn dieser Tag später liegt, oder an dem Tag, an dem der Anspruch entstanden ist, oder an dem Tag, an dem die verletzte Person (nicht tödliche Unfälle) (tatsächliche oder hypothetische) Kenntnis erlangt hat, wenn dieser Tag später liegt.
- - Der Lauf der Verjährungsfrist sollte ausgesetzt werden, wenn der Beklagte bewusst, bösgläubig, in unangemessener Weise oder als Folge eines Fehlers das Vorliegen der Tatsachen oder Umstände verschwiegen hat, die die Haftung des Beklagten begründen. Sie sollte auch ausgesetzt werden, solange Strafverfahren/strafrechtliche Untersuchungen andauern, die mit dem Anspruch im Zusammenhang stehen, oder wenn es eine offene Forderung/einen offenen Anspruch nach der Richtlinie 2000/26/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 16. Mai 2000 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Kraftfahrzeug-Haftpflichtversicherung (Vierte Kraftfahrzeughaftpflicht-Richtlinie)1 gibt.
- - Die Verjährungsfrist sollte unterbrochen werden: durch den Beginn von Gerichtsverfahren; jeden Akt des Anspruchstellers, der dem Beklagten mitgeteilt wird und durch den außergerichtliche Verfahren eingeleitet werden sollen; jeden Akt des Anspruchstellers, der dem Beklagten mitgeteilt wird und durch den Verhandlungen eingeleitet werden sollen; oder jeden anderen Akt des Anspruchstellers, der dem Beklagten mitgeteilt wird und durch den der Beklagte von der Tatsache unterrichtet wird, dass der Anspruchsteller Schadensersatz geltend macht.
Geeignete Bestimmungen sollten aufgenommen werden für die Erhebung der Einrede der Verjährung, für das Ermessen des Gerichts bei der Anwendung der Verjährungsfrist, für die Wirkungen der erfolgreichen Geltendmachung der Einrede der Verjährung und für mehrere Anspruchsteller/Beklagte.
Darüber hinaus sollten die Mitgliedstaaten verpflichtet sein, nationale Informationszentren einzurichten, die ein Register sämtlicher strafrechtlicher Ermittlungen oder laufender Verfahren führen, an denen ausländische Geschädigte beteiligt sind, und die auf mit einer Begründung versehene Anträge, die von oder im Namen von ausländischen Geschädigten gestellt werden, schriftlich Auskunft erteilen.
1 ABl. L 181 vom 20.7.2000, S. 65. Geändert durch die Richtlinie 2005/14/EG (ABl. L 149 vom 11.6.2005, S. 14).