Der Bundesrat hat in seiner 799. Sitzung am 14. Mai 2004 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, den Verordnungsvorschlag grundsätzlich abzulehnen, da dies eine Belastung der Betriebe mit zusätzlichem Verwaltungsaufwand bedeuten würde und zudem zusätzliche Kosten für die statistischen Landesämter nicht auszuschließen sind. Dies widerspricht allen Deregulierungs-, Bürokratieabbau- und Einsparungsbemühungen des Bundes und der Länder.
- 2. Der Vorschlag für diese EU-Verordnung verfolgt das Ziel, künftig regelmäßig differenzierte Informationen über die Weiterbildung in Unternehmen zu erhalten. Mit dieser Statistik soll die Datengewinnung in einem bisher nicht beanspruchten Politikfeld vollzogen werden. Dies vor dem Hintergrund, dass lebenslangem Lernen eine zentrale Bedeutung für die künftige Entwicklung der Gesellschaft zugesprochen wird. Die Institutionalisierung einer regelmäßigen Statistik zu dieser Thematik knüpft an zwei Vorerhebungen an, die in den Jahren 1994 und 2000/01 im Auftrag und mit finanzieller Unterstützung der Kommission durchgeführt wurden. Die Fragenkataloge waren in den beiden Vorerhebungen so umfangreich, dass die Bearbeitung dieser Statistik in den Unternehmen mit erheblichem Aufwand verbunden war.
- 3. Erschwerend kommt hinzu, dass eine erneute Erhebung zur betrieblichen Weiterbildung zwar Daten für Deutschland insgesamt liefern würde, nicht jedoch für die Länder. Zudem existieren auf nationaler Ebene bereits Erhebungen mit einem ähnlichen Anliegen.
Darüber hinaus wird es zudem schwer vermittelbar sein, dass Daten zu Fragen des lebenslangen Lernens für die Europäische Union benötigt werden.
- 4. Ungeachtet der Frage der Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit einer neuen Erhebung ist die weitere Belastung der Länderhaushalte mit Ausgaben für neue Statistiken nicht vertretbar.
- 5. Es kann davon ausgegangen werden, dass die vorliegende Verordnung auch dazu dienen soll, noch stärker auf die Politik der Mitgliedstaaten in Bezug auf das Thema "lebenslanges Lernen" einzuwirken. Die erhobenen Daten wären dann Grundlage für entsprechende Entscheidungen bzw. Vorschläge der Kommission, die damit infolge der Statistik faktisch eine größere Handlungskompetenz für sich in Anspruch nehmen könnte. Mit den ermittelten und ausgewerteten Daten könnte auf Grund eines dann möglichen Rankings der Druck auf die Politik wachsen, aus Sicht der Kommission erforderliche Maßnahmen für Deutschland und seine Länder zu ergreifen. Somit sind hinsichtlich der beruflichen Bildung und der Erstausbildung auch Fragen berührt, die in den Kompetenzbereich der Länder fallen. Darüber hinaus werden mit ESIS dem Grunde nach auch Kontrollmöglichkeiten im Bereich der beruflichen Bildung geschaffen die das Subsidiaritätsprinzip gefährden könnten.
Auf Grund der vorgesehenen Fallzahlen sind keine gesicherten repräsentativen Ergebnisse für die Länder zu erwarten.
- 6. Zusätzliche Statistiken, die den Ländern keinen Informationsgewinn, sondern nur Mehraufwand bringen, stehen in grundsätzlichem Widerspruch zu den statistikpolitischen Zielen, die Belastung der Wirtschaft durch amtliche Statistik zu begrenzen sowie Kosteneinsparungen bei den Statistikämtern zu erreichen.
- 7. Die in den Artikeln 9 und 11 vorgesehenen Fristen von 21 bzw. 18 Monaten sowie die weitere (unbekannte) Zeitdauer bis zur Veröffentlichung könnten dazu führen, dass die Daten schon bei der Veröffentlichung als veraltet angesehen werden könnten. Hinzu kommt, dass auf Grund der unterschiedlichen Gegebenheiten in den Mitgliedstaaten keine wirkliche Vergleichbarkeit gegeben ist. So geht z.B. für Deutschland der Teil der beruflichen Fort- und Weiterbildung, der über Kammern und Bildungsträger erworben wird, nicht in die Statistik ein. Die Verwendung dieser Daten für Rankingzwecke wäre somit stets erklärungsbedürftig. Es kann davon ausgegangen werden, dass in Veröffentlichungen der Medien aber - wie üblich - nur die reinen Zahlen verwendet würden und Deutschland damit vermutlich eher ungünstig abschneiden würde.
Nur 3.184 von 10.166 angeschriebenen Unternehmen haben sich im Jahr 2000 in Deutschland an der damals freiwilligen Erhebung beteiligt. Aus einer Beteiligungsquote von nur 31,3 % kann kein gesteigertes Interesse einer - laut Kommission - wichtigen Zielgruppe für die Ergebnisse der Erhebung abgeleitet werden.
Die letztlich für die Erhebung anfallenden Gesamtkosten und die Kostenbelastung der Länder sind noch unklar. Nachdem aber die Länder keinen spezifischen Nutzen aus den Daten ziehen können, ist eine Kostenbelastung der Länder zu vermeiden. Daher ist der vorliegende Verordnungsvorschlag als Ergebnis einer Gesamtbetrachtung abzulehnen.
- 8. Ungeachtet der grundsätzlichen Ablehnung des Verordnungsvorschlags müsste jedenfalls sichergestellt werden, dass weitere Erhebungen zur betrieblichen Weiterbildung
- - für die betroffenen Unternehmen - wie bisher - auf freiwilliger Basis erfolgen
- - für die statistischen Landesämter keine Kosten verursachen; die Kosten, die über die von der Kommission für Deutschland in Aussicht gestellte Erstattung hinausgehen, müssen - wie bei den beiden vorausgegangenen Erhebungen 1994 und 2000 - ausschließlich vom Bund finanziert werden;
- - seitens des Bundes von einer Überprüfung der auf nationaler Ebene erhobenen Statistiken im Bereich betrieblicher Weiterbildung begleitet werden, so dass gegebenenfalls eine Anpassung der nationalen Statistiken erfolgt bzw. diese ganz entfallen können.