Antrag des Freistaates Bayern
Entwurf eines Gesetzes zur weiteren Stabilisierung des Finanzmarktes
(Finanzmarktstabilisierungsergänzungsgesetz - FMStErgG)

Punkt 21 der 856. Sitzung des Bundesrates am 6. März 2009

Der Bundesrat möge beschließen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes ergänzend wie folgt Stellung zu nehmen:

- zu § 1 Absatz 1 Rettungsübernahmegesetz (RettungsG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 1 Absatz 1 RettungsG um eine Definition der "Sicherung der Finanzmarktstabilität" zu ergänzen ist.

Begründung

§ 1 Absatz 1 RettungsG sieht die Enteignung zur Sicherung der Finanzmarktstabilität vor. Es wird im Gesetz nicht definiert, was unter der Sicherung der Finanzmarktstabilität zu verstehen ist. Enteignungen sind möglich, wenn das Wohl der Allgemeinheit sie erfordert und der Enteignungszweck auf andere zumutbare Weise nicht erreicht werden kann.

Inwieweit dies bei der Sicherung der Finanzmarktstabilität vorliegt, wann Finanzmärkte instabil sind und wer dies entscheidet, ergibt sich aus dem Gesetz nicht unmittelbar.

- zu § 1 Absatz 4 Nummer 1 RettungsG

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 1 Absatz 4 Nummer 1 RettungsG einer klarstellenden Formulierung bedarf, dass die Enteignung nur zulässig ist, wenn sie für die Sicherung der Finanzmarktstabilität zwingend erforderlich ist.

Begründung

Laut eigener Aussagen der Bundesregierung soll die Enteignung das allerletzte Mittel nach Ausschöpfung aller anderen möglichen Mittel zur Sicherung der Finanzmarktstabilität darstellen. Diese politische Aussage soll durch die sprachliche Änderung der zwingenden Erforderlichkeit im Gesetz zum Ausdruck gebracht werden.

- zu § 1 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe c RettungsG

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in § 1 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe c Satz 1 RettungsG nicht klargestellt werden sollte, dass für einen "alternativen Erwerb" zu "wirtschaftlich zumutbaren Bedingungen" zumindest die im Fall einer Enteignung festzusetzende Entschädigung ein Maßstab sein muss.

Ferner bittet der Bundesrat, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 1 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe c Satz 2 erster Halbsatz RettungsG ("Die Enteignung ist nur zulässig, wenn sich die Enteignungsbehörde zuvor ernsthaft um den alternativen Erwerb vergeblich bemüht hat") verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht.

Begründung

Als Angebot für den "alternativen Erwerb" muss zumindest der Betrag angesetzt werden, der im Fall einer Enteignung als Entschädigung gemäß § 4

RettungsG zu bezahlen ist. Es muss ausgeschlossen sein, dass ein geringerer Betrag als der später festgestellte Entschädigungsbetrag angeboten wird und es aus diesem Grund zu einer Enteignung kommt.

Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zum Schutz der Eigentumsgarantie gemäß Artikel 14 des Grundgesetzes kann die Enteignung nur als Ultima Ratio eingesetzt werden. Dies bedeutet, dass die Enteignung nur dann eingesetzt werden kann, wenn andere, mildere Mittel nicht mehr zur Verfügung stehen, um das Gemeinwohlziel zu erreichen.

Allerdings lässt die Formulierung im Begründungsteil zu Artikel 3 ( § 1 RettungsG -Enteignung zur Sicherung der Finanzmarktstabilität) Zweifel aufkommen, ob der Gesetzentwurf den verfassungsrechtlichen Vorgaben entspricht. So heißt es im Gesetzentwurf: "Nur wenn ein alternativer Erwerb hinreichende Aussicht auf Erfolg hat, muss sich die Enteignungsbehörde zuvor ernsthaft darum vergeblich bemüht haben."

Mit der Behauptung, ein alternativer Erwerb habe keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, kann der Staat mit diesem Enteignungsgesetz - ohne je eine Alternative ernsthaft versucht zu haben - direkt zur Enteignung schreiten.

Damit ist die Gefahr groß, dass die im Gesetz genannten Hürden für eine Enteignung zu niedrig angesetzt wurden und einer verfassungsrechtlichen Überprüfung nicht standhalten würden.

- zu § 1 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe c RettungsG

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 1 Absatz 4 Nummer 2 Buchstabe c Satz 2 letzter Halbsatz RettungsG ("oder dieser angesichts der Dringlichkeit keine ausreichende Aussicht auf Erfolg verspricht") gestrichen werden kann.

Begründung

Für eine Enteignung ist üblicherweise ein ernsthaftes Angebot, den Enteignungsgegenstand zum Verkehrswert zu übernehmen, ausreichend.

Dieses Angebot kann innerhalb kürzester Zeit abgegeben werden. Es stellt sich die Frage, welche Fälle es geben kann, in denen aufgrund der Dringlichkeit kein ernsthaftes Angebot mehr abgegeben werden kann und wer in diesem Fall beurteilt, dass es keine Aussicht auf Erfolg verspricht.

- zu § 2 Absatz 1 Nummer 5 RettungsG

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 2 Absatz 1 Nummer 5 RettungsG um die Formulierung zu ergänzen ist, dass eine Enteignung in jedem Fall gegen Entschädigung erfolgt, auch wenn die Höhe der Entschädigung noch nicht feststeht.

Begründung

Eine Enteignung ist nur gegen Entschädigung rechtlich zulässig. Dies sollte auch in der Rechtsverordnung zum Ausdruck gebracht werden. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung ist insoweit unvollständig.

- zu § 3 Absatz 1 RettungsG

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, in § 3 Absatz 1 RettungsG als Enteignungsbehörde ein anderes Bundesministerium vorzusehen.

Begründung

Das Bundesinnenministerium ist das zuständige Ministerium für Verfassungsfragen. Bei Enteignungen von Unternehmen des Finanzsektors stehen auch stark verfassungsrechtliche Aspekte im Vordergrund, daher sollte die Zuständigkeit als Enteignungsbehörde beim sachnäheren Bundesministerium des Inneren gegebenenfalls der Justiz liegen.

- zu § 4 Absatz 1 Satz 2 RettungsG

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 4 Absatz 1 Satz 2 RettungsG gestrichen werden kann.

Begründung

§ 4 Absatz 1 Satz 1 RettungsG legt fest, dass die Enteignung gegen Entschädigung zu erfolgen hat. Der folgende Satz 2 ist unnötig.

Entschädigt wird üblicherweise nur derjenige, dessen Eigentum durch die Enteignung beeinträchtigt wurde. Es sollte keine Entschädigungspflicht für Beeinträchtigungen von Rechten geben. Dies führt zu Rechtsunsicherheit, da sich aus dem Gesetzeswortlaut nicht ergibt, welche weiteren Rechtsbeeinträchtigungen gemeint sein könnten.

Bisherige Rechtspraxis war auch, eine Entschädigung für den Eigentumsentzug, nicht jedoch für jeden Vermögensnachteil zu leisten. Dies implizierte eine Sozialbindung, die dem Enteignungsrecht fremd ist. Mit dieser Rechtspraxis sollte daher nicht gebrochen werden, um weitergehende Entschädigungen als den Verkehrswert zu verhindern.

- zu § 5 Absatz 3 und Absatz 5 RettungsG

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob § 5 Absatz 3 und Absatz 5 RettungsG im Widerspruch stehen.

Begründung

§ 5 Absatz 3 RettungsG regelt, dass das Bundesverwaltungsgericht, solle es zur Überzeugung kommen, dass die Rechtsverordnung rechtswidrig ist, diese mit allgemeiner Verbindlichkeit für unwirksam erklärt. § 5 Absatz 5 hingegen zwingt jeden Aktionär dazu, sollte er auch von der Rechtswidrigkeit der Rechtsverordnung ausgehen, einen eigenen Antrag beim Bundesverwaltungsgericht innerhalb der normierten Fristen zu stellen. Dies steht aber im Widerspruch zur Allgemeinverbindlichkeitserklärung der Rechtswidrigkeit der Rechtsverordnung durch das Bundesverwaltungsgericht.

- zu § 6 Absatz 2 Satz 3 RettungsG

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob in § 6 Absatz 2 Satz 3 RettungsG das Wort "soll" durch das Wort "ist" zu ersetzen ist.

Begründung

Ein Recht auf bevorzugten Rückerwerb der Anteile sollte dem bisherigen Anteilsinhabern nicht nur zugestanden werden, sondern ist ihnen zuzugestehen.

- zu Art. 3 FMStErgG (RettungsG)

Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, ob Artikel 3 FMStErgG mit europäischem Recht vereinbar ist.

Begründung

Der Gesetzentwurf muss auch den Anforderungen des europäischen Gemeinschaftsrechts entsprechen. Soweit ein im Ausland ansässiger Investor Anteile an einem deutschen Unternehmen des Finanzsektors erwirbt, macht er von der Freiheit des Kapitalverkehrs Gebrauch. Die Verstaatlichung dieser Anteile könnte folglich in die Kapitalverkehrsfreiheit eingreifen. Der Gesetzentwurf enthält jedoch keine Ausführungen zur europarechtlichen Dimension der Enteignung.