843. Sitzung des Bundesrates am 25. April 2008
A
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Agrarausschuss (A), der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik (AS), der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die von der Kommission vorgeschlagene Novellierung des europäischen Spielzeugrechts im Grundsatz.
- (bei Annahme entfällt Ziffer 2)
- 2. Der Bundesrat begrüßt die Überarbeitung der Richtlinie 88/378/EWG des Rates vom 03. Mai 1988 zur Angleichung der Rechtsvorschriften der Mitgliedstaaten über die Sicherheit von Spielzeug (Spielzeugrichtlinie).
- 3. Diese kann einen wichtigen Beitrag für die weiter notwendige Verbesserung der Sicherheit von Spielzeug leisten.
- 4. Seit Bestehen der Richtlinie hat sich in der Praxis gezeigt, dass dort beschriebene Regularien an den Entwicklungsstand anzupassen sind. Besonders den seit kurzem bekannten spezifischen Gefahren von Spielzeug, wie die durch chemische Inhaltsstoffe, wird durch eine Verschärfung der sicherheitstechnischen Anforderungen sowie eine Ergänzung der Verbraucherinformationen begegnet. Es muss jedoch sichergestellt werden, dass auf technisch mögliche Maßnahmen bei der Gestaltung, Herstellung und Zusammensetzung des Spielzeugs zu Gunsten von Warnhinweisen nicht verzichtet werden darf.
- 5. Die Spielzeugliste des europäischen Warnsystems RAPEX macht deutlich, welche Gefahren von unsachgemäß hergestelltem Spielzeug für die Kinder ausgehen können. Vor dem Hintergrund der jüngsten Rückrufaktionen für Spielzeug begrüßt der Bundesrat, dass die Kommission mit ihrem Vorschlag eine Verschärfung der Sicherheitsanforderungen für Spielzeug und die Verbesserung der Durchsetzung und der Wirksamkeit der Richtlinie anstrebt.
- 6. Insbesondere sind
- - die Aufnahme des grundsätzlichen Verbots von als krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend eingestuften Stoffen,
- - die Aufnahme des Verbots bestimmter allergener Duftstoffe sowie
- - die Klarstellungen bezüglich der Vorschriften über eine gegebenenfalls erforderliche EG-Baumusterprüfung als Schritte in die richtige Richtung zu unterstützen.
- 7. Der Bundesrat unterstützt den Vorschlag, den Wirtschaftsakteuren die beschriebenen Pflichten aufzuerlegen, um eine Klarstellung der einzelnen Aufgaben und ein hohes Sicherheitsniveau innerhalb jeder Handelsstufe zu erreichen. Dies auch durch gegenseitige Kontrolle und Unterrichtung der beteiligten Akteure im Rahmen einer Vertriebskette. Sie sind in die Aufgaben der Marktüberwachungsbehörden einzubinden und zur aktiven Unterstützung zu verpflichten.
- 8. Allerdings erkennt der Bundesrat in bestimmten Punkten des Richtlinienvorschlags noch Änderungsbedarf.
- 9. Er bittet die Bundesregierung deshalb, sich in den weiteren Verhandlungen [auf europäischer Ebene für entsprechende Korrekturen] und {folgende Änderungen} einzusetzen.
- 10. Der "Neue Ansatz" sieht vor, dass die EU in ihren Richtlinien nur noch die grundlegenden Anforderungen an Produkte in Bezug auf Gesundheit, Sicherheit, Verbraucher- und Umweltschutz festlegt. Die konkreten technischen Anforderungen werden hingegen in harmonisierten Europäischen Normen geregelt.
Durch die Regelung einer Vielzahl von Details insbesondere zu den chemischen Eigenschaften von Spielzeug in Anhang II der vorgeschlagenen Richtlinie selbst weicht die Kommission deutlich von diesem Grundkonzept ab. Die von ihr beschlossenen Regelungen zu Inhaltsstoffen sind außerdem nicht durchgehend schlüssig. Unproblematische Stoffe wie z.B. Zink wurden erstmals in die Verbotslisten aufgenommen. Demgegenüber hat die Kommission die Grenzwerte für bestimmte gefährliche Stoffe angehoben.
Um die Flexibilität der neuen Richtlinie zu gewährleisten, sollte das Grundkonzept des "Neuen Ansatzes" möglichst beibehalten werden.
- 11. Die Novellierung der Spielzeugrichtlinie wird mit ihren umfangreichen Stoffverboten und Migrationsgrenzwerten einen erheblichen Prüfaufwand sowie Mehrkosten bei den Herstellern verursachen. Der Bundesrat spricht sich deshalb dafür aus, bei der Festlegung von Verfahrens- und Prüfregeln zum Umgang mit den verbleibenden Gefahrenstoffen den praktischen Prüfaufwand und Kostenaspekte mit zu berücksichtigen.
- 12. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass der, der Spielzeug in den Verkehr des Gemeinschaftsmarktes bringt, neben den Herstellerdaten nach Artikel 3 Abs. 5 auch das Vorhandensein der Identifikationsnummer gemäß Artikel 3 Abs. 4 dieses Richtlinienvorschlags zu überprüfen hat. Des Weiteren darf der Importeur erstmalig und die weiteren Wirtschaftsakteure nur dann Spielzeug auf dem Gemeinschaftsmarkt bereitstellen, wenn auch die in Artikel 5 Abs. 2, 2. Unterabsatz bzw. Artikel 6 Abs. 2, 1. Unterabsatz der vorgeschlagenen Richtlinie beschriebenen Anforderungen erfüllt sind. Hierbei sind allen beteiligten Wirtschaftsakteuren verbindliche Bedingungen für das Inverkehrbringen aufzuzeigen.
- 13. Der Bundesrat stellt fest, dass das Verbot des nationalen Prüfzeichens GS einen Rückschritt für den Schutz der Kinder in Deutschland bedeutet. Das CE-Zeichen verpflichtet zwar den Hersteller, die europäische Spielzeugrichtlinie (bzw. das deutsche Geräte- und Produktsicherheitsgesetz) einzuhalten. Dabei handelt es sich aber nur um Mindestanforderungen und ob diese Anforderungen eingehalten werden, wird nicht kontrolliert. Das bisher in Deutschland zugelassene GS-Zeichen bietet demgegenüber eine erhöhte Sicherheit, weil eine unabhängige zugelassene Stelle im Auftrag des Herstellers im Rahmen einer Bauartprüfung feststellt, dass die sicherheitstechnischen Voraussetzungen erfüllt sind und sich eine jährliche Prüfung der in Verkehr gebrachten Serienprodukte anschließt.
- 14. Am 21. Februar 2008 hat das Europäische Parlament in erster Lesung zu dem gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten Stellung genommen. Der Bundesrat ist mit dem Europäischen Parlament der Auffassung, dass es auch in Zukunft zulässig sein muss, nationale Sicherheitszeichen neben der CE-Kennzeichnung
zu verwenden. Damit kann das bewährte deutsche GS-Zeichen ("Geprüfte Sicherheit") bis zu einer Einigung auf ein effektives EU-einheitliches Sicherheitszeichen fortbestehen.- (bei Annahme entfällt Ziffer 15)
Allerdings enthält der vor dem genannten Beschluss des Europäischen Parlaments von der Kommission vorgelegte Vorschlag für eine novellierte Spielzeugrichtlinie in Artikel 15 Abs. 5 noch das ausdrückliche Verbot, andere Konformitätskennzeichnungen als die CE-Kennzeichnung
zu verwenden. Der Bundesrat hält dieses mit der aktuellen Beschlusslage auf europäischer Ebene für nicht vereinbar und fordert, den Richtlinienvorschlag entsprechend anzupassen.Begründung
Das deutsche GS-Zeichen (GS = geprüfte Sicherheit) ist ein anerkanntes Sicherheitszeichen, das weit über die Grenzen Deutschlands hinaus Beachtung und beim Verbraucher hohe Akzeptanz findet. Insbesondere im Bereich der Spielzeuge soll es die Gewähr dafür bieten, dass die sicherheitstechnischen Anforderungen erfüllt und durch eine unabhängige Stelle (notifizierte Stelle) geprüft und regelmäßig überwacht werden. Außerdem ist es ein wichtiges Kriterium, an dem sich der Verbraucher orientieren kann. Daher sollte die Möglichkeit, das GS-Zeichen zu erteilen, erhalten bleiben, bis ein europaweit einheitliches Sicherheitszeichen eingeführt ist. Die in Artikel 15 des Vorschlags enthaltenen Formulierungen sollen klarstellen, dass ein nationales Sicherheitszeichen (GS-Zeichen) auch weiterhin möglich ist.
- 15. Im Zuge der Beratungen zur Überarbeitung des Rechtsrahmens für das Inverkehrbringen von Produkten hat das Europäische Parlament am 21. Februar 2008 beschlossen, dass das zunächst beabsichtigte Verbot nationaler Sicherheitszeichen wieder gestrichen werden soll. Der im Vorgriff auf diese Parlamentsentscheidung verfasste Vorschlag der Spielzeugrichtlinie ist daher entsprechend anzupassen, so dass die GS-Zeichen-Vergabe für Spielzeug auch weiterhin möglich ist.
- 16. Der Bundesrat bittet daher, in der Richtlinie klarzustellen, dass nationale Sicherheitszeichen (GS-Zeichen) weiterhin zulässig sind. Diese Regelung sollte in Artikel 15 verortet werden.
- 17. Der Richtlinienvorschlag sieht in seinem Artikel 18 vor, dass Hersteller bzw. Importeure zur Konformitätsbewertung in der Regel das Verfahren der internen Fertigungskontrolle nach Modul A des Anhangs I des Vorschlags für einen Beschluss des Europäischen Parlaments und des Rates über einen gemeinsamen Rechtsrahmen für die Vermarktung von Produkten (BR-Drucksache 135/07 (PDF) ) anwenden. In Einzelfällen ist eine EG-Baumusterprüfung vorgesehen.
Die Durchführung der internen Fertigungskontrolle setzt eine entsprechende Qualifikation der Hersteller/Importeure voraus. Um diese auch sicherzustellen, sollte sie gegenüber einer sachverständigen Stelle nachgewiesen werden müssen. Der Bundesrat ist in diesem Zusammenhang der Auffassung, dass ein geeignetes Zertifizierungsverfahren in der novellierten Spielzeugrichtlinie selbst vorgesehen werden sollte.
- 18. Der Bundesrat hält die Ergänzung von Artikel 33 durch eine Regelung, die die notifizierten Stellen verpflichtet, stichprobenartige Kontrollmaßnahmen bei den Produkten, die von ihnen geprüft wurden, bei der Einfuhr an den Binnenmarktgrenzen durchzuführen und dies zu dokumentieren, für notwendig.
- 19. Der Bundesrat unterstreicht die Notwendigkeit der Marktüberwachungsbehörden, ausreichende Möglichkeiten zur Überwachung der einschlägigen Bestimmungen zu besitzen. Dies ist bei jedem Spielzeug zu gewährleisten, sei es in der Gemeinschaft oder in einem Drittstaat hergestellt. Demzufolge ist bei Herstellern mit Sitz außerhalb der Gemeinschaft sicherzustellen, dass die Marktüberwachungsbehörden notwendige Unterlagen in ihrer Sprache erhalten und eine Prüfung durch eine notifizierte Stelle auf Kosten eines beteiligten Wirtschaftsakteurs verlangen können.
- 20. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, in Kapitel VI des Richtlinienvorschlags eine Regelung zu schaffen, die die Marktüberwachungsbehörden ermächtigt, gegenüber wiederholt auffällig gewordenen Herstellern oder Importeuren anzuordnen, dass sie für einen festgelegten Zeitraum bestimmte Produkte nur in Verkehr bringen dürfen, wenn durch Prüfung einer notifizierten Stelle nachgewiesen wird, dass die Herstellung von einwandfreien Produkten gelingt.
- 21. Der Bundesrat bittet in Kapitel VI eine Regelung einzuführen, die die Marktüberwachungsbehörden ermächtigt, in bestimmten Fällen gegenüber Anbietern von Plattformen für Internetauktionen den Abbruch der Auktion anzuordnen.
- 22. Der Bundesrat bittet, den Artikel 48 durch eine Regelung zu ergänzen, wonach die Marktüberwachungsbehörden der Mitgliedstaaten und die Kommission ermächtigt werden, aktiv die Öffentlichkeit zu informieren, wenn für geprüfte Produkte zwar Anhaltspunkte für deren Gefährlichkeit bestehen, die Voraussetzungen für eine Verbraucherwarnung aber nicht vorliegen.
- 23. Der Bundesrat bedauert aber, dass neben einigen Verbesserungen durch die möglichen Ausnahmen auch eine Verschlechterung des derzeitigen Schutzniveaus im Richtlinienvorschlag enthalten ist. Mit dem Verweis auf das Chemikalienrecht würde hinsichtlich der Verwendung der krebserregenden, erbgutverändernden und fortpflanzungsgefährdenden Stoffe (k/e/f-Stoffe) eine deutliche Verschlechterung des jetzt geltenden Schutzniveaus für Kinderspielzeug erfolgen.
- 24. Die Höchstmengen für die Bioverfügbarkeit für Schwermetalle wie z.B. Blei und Quecksilber in Anhang II des Richtlinienvorschlags sind in 6 von 8 Fällen höher als derzeit. Die Einhaltung niedriger und unproblematischer Migrationsgrenzwerte wäre technisch möglich. Der Bundesrat kritisiert, dass derartige Stoffe in Spielzeug enthalten sein dürfen, zumal auch der Deutsche Verband der Spielwarenindustrie darauf hinweist, dass gutes Spielzeug ohne diese Stoffe auskommt. Der Bundesrat bemängelt, dass mit dem Richtlinienvorschlag dem Minimierungsgebot nicht Rechnung getragen wird.
- 25. Während laut Artikel 9 Abs. 2 erster Unterabsatz Spielzeuge die Sicherheit der Benutzer oder Dritter nicht gefährden dürfen, wird in Anhang II Teil III Nr. 1 lediglich gefordert, dass die menschliche Gesundheit nicht geschädigt werden kann. Hier sollte die Formulierung derjenigen in Artikel 9 Abs. 2 angepasst werden, damit der vorsorgliche Gesundheitsschutz mit eingeschlossen ist.
- 26. Anhang II Teil III Nr. 4 und 5 sollte dahingehend geändert werden, dass Stoffe und Zubereitungen, die krebserzeugend, erbgutverändernd oder fortpflanzungsgefährdend sind, nicht in Spielzeug verwendet werden dürfen.
- 27. Nr. 4 sieht vor, dass solche Stoffe unter bestimmten Bedingungen in Spielzeug eingesetzt werden dürfen, z.B. dann, wenn es keine geeigneten Alternativstoffe gibt. Dies ist nicht akzeptabel. Die Gesundheit von Kindern muss einen höheren Stellenwert als die Vermarktung von Spielzeug haben.
- 28. Der Bundesrat erkennt an, dass zwar 38 allergene Duftstoffe verboten werden, bemängelt jedoch, dass 26 weitere Stoffe aber weiter verwendet werden dürfen, wenn sie gekennzeichnet sind.
- 29. Laut Anhang II Teil III Nr. 7 darf Spielzeug Spuren von allergenen Duftstoffen enthalten, sofern dies technisch unvermeidlich ist. Es sollte zumindest präzisiert werden, bis zu welchen Konzentrationen dies gilt.
- 30. Der Bundesrat weist darauf hin, dass die Zuständigkeit für die Notifizierung bei den Ländern liegt. Die Notifizierung im Sinne des Vorschlags für eine neue Richtlinie über die Sicherheit von Spielzeug ist nämlich inhaltlich identisch mit dem bisherigen Zulassungsverfahren nach § 11 GPSG. Für Spielzeug haben die Länder die Aufgabe der Zulassung der ZLS übertragen.
- 31. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung daher auf, in den weiteren Beratungen des Richtlinienvorschlags sich dafür einzusetzen, dass
- - keine Ausnahmen in Bezug auf das Verwendungsverbot von k/e/f-Stoffen zugelassen werden,
- - alle allergenen Duftstoffe im Spielzeugbereich verboten werden,
- 32. - die Migrationsgrenzwerte für bestimmte toxikologisch besonders kritische Elemente, wie z.B. Blei und Quecksilber, durch Stoffverbote ersetzt werden,
- 33. - freiwillige nationale Prüfzeichen wie das GS-Zeichen so lange verwendet werden dürfen, bis ein ebenso effektives EU-einheitliches Prüfzeichen eingeführt wird,
- - durch weitere geeignete Maßnahmen ein hohes Gesundheitsniveau für Kinder garantiert wird, wie z.B. durch die Übertragung bestehender Regelungen zu k/e/f-Stoffen aus dem Bereich Lebensmittelkontaktmaterialien auf Kunststoffspielzeug.
B
- 34. Der Gesundheitsausschuss empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.