Punkt 36 der 921. Sitzung des Bundesrates am 11. April 2014
Der Bundesrat möge die Entschließung wie folgt fassen:
Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, in der Rechtssache C-549/13 (Bundesdruckerei GmbH ./. Stadt Dortmund) eine mündliche Verhandlung zu beantragen und die Rechtsauffassung des Landes Nordrhein-Westfalen in das Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof einzubringen.
Begründung (nur für das Plenum):
Anlässlich eines Vergabeverfahrens der Stadt Dortmund zur Aktendigitalisierung und Konvertierung von Daten hat sich ein Bieter-Rechtsstreit entwickelt. Es geht um die Frage, ob die Verpflichtung eines ausländischen Subunternehmers zur Zahlung des vergabespezifischen Mindestlohns gemäß § 4 Absatz 3 i.V.m. § 9 Absatz 1 Tariftreue- und Vergabegesetz NRW (TVgG) mit europäischem Recht vereinbar ist. Die erstinstanzlich zuständige Vergabekammer bei der Bezirksregierung Arnsberg hat diese Frage dem Europäischen Gerichtshof gemäß Artikel 267 AEUV zur Vorabentscheidung vorgelegt.
Die nordrheinwestfälische Landesregierung hat zur Darlegung ihrer Rechtsauffassung eine Stellungnahme erarbeitet und diese, wie in solchen Fällen üblich, fristgerecht der Bundesregierung als Prozessvertreterin zur Weiterleitung an den Gerichtshof übermittelt. Die Bundesregierung hat jedoch von einer eigenen Stellungnahme in dem Verfahren vor dem Gerichtshof abgesehen und auch die nordrheinwestfälische Rechtsauffassung nicht übermittelt.
Der Vorgang ist ungewöhnlich. Bislang sind keine Fälle bekannt, in denen die Bundesregierung als Prozessvertreterin die Rechtsauffassungen der Länder nicht bei dem Gerichtshof eingebracht hat.
Nach § 7 Absatz 2 i.V.m. Absatz 1 EUZBLG macht die Bundesregierung in Verfahren vor dem EuGH auf Verlangen des Bundesrates von ihrem Recht zur Stellungnahme Gebrauch. Diese Art der Wahrnehmung der Interessen der Länder durch den Bund ist auch verfassungsrechtlich geboten, da die Länder - anders als andere von dem Ausgang des Verfahrens Betroffene - von Verfassung wegen daran gehindert sind, einem Rechtsstreit vor dem EuGH gemäß Artikel 40 Absatz 2 der EuGH-Satzung beizutreten.
Allerdings ist die Durchführbarkeit eines Bundesratsverfahrens von dem Hintergrund der engen Fristen zur Abgabe von Stellungnahmen vor dem Gerichtshof in der Praxis zu hinterfragen. Dies zeigte sich auch im vorliegenden Fall - zu dem Zeitpunkt, als deutlich wurde, dass eine Einbringung der Rechtsposition des Landes durch die Bundesregierung nicht erfolgt war, war ein entsprechendes Bundesratsverfahren wegen der zwischenzeitlich abgelaufenen Frist zur Abgabe einer Stellungnahme nicht mehr erfolgversprechend.
Die einzige Gelegenheit, die Rechtsposition des Landes Nordrhein-Westfalen im derzeitigen Stadium noch in das laufende Verfahren einzubringen, wäre somit im Rahmen einer etwaigen mündlichen Verhandlung. Diese muss jedoch entweder von den Prozessbeteiligten oder von einem Mitgliedstaat beantragt werden. Hierzu soll die Bundesregierung mit dem vorliegenden Antrag nach § 7 Absatz 2 EUZBLG aufgefordert werden.
Da der Antrag auf mündliche Verhandlung gemäß Artikel 76 Absatz 1 der EuGH-Verfahrensordnung innerhalb von drei Wochen nach Bekanntgabe des Abschlusses des schriftlichen Verfahrens zu stellen ist und dieser Termin unmittelbar bevorzustehen scheint, ist die Angelegenheit eilbedürftig, so dass eine sofortige Sachentscheidung durch das Plenum geboten ist.
Perspektivisch sollte eine einvernehmliche Regelung zur künftigen Bund-Länder-Kooperation in Verfahren vor dem Europäischen Gerichtshof herbeigeführt werden.