Unterrichtung durch die Bundesregierung
Aufnahme von Beitrittsverhandlungen der Europäischen Union mit Island

Auswärtiges Amt Berlin, den 24. Februar 2010
Staatsminister

An den
Präsidenten des Bundesrates
Herrn Bürgermeister Jens Böhrnsen
Präsident des Senats der Freien Hansestadt Bremen

Sehr geehrter Herr Präsident,

die Europäische Kommission hat am 24. Februar 2010 ihre Stellungnahme zum isländischen Antrag auf Beitritt zur Europäischen Union (EU) vorgelegt.

Diese erfolgt auf Grundlage der im Vertrag über die Europäische Union verankerten Grundsätze, der vom Europäischen Rat von Kopenhagen 1993 festgelegten Kriterien und der Schlussfolgerungen des Europäischen Rates von Dezember 2006, in denen der erneuerte Konsens zur Erweiterungspolitik der EU festgehalten wurde. Jedes Bewerberland ist nach seinen eigenen Leistungen zu beurteilen. Es ist streng zu prüfen, ob es die Bedingungen erfüllt.

Die Europäische Kommission empfiehlt in ihren Schlussfolgerungen zur Stellungnahme die Eröffnung von Beitrittsverhandlungen. Sie weist darauf hin, dass Island über stabile demokratische Strukturen und eine funktionierende Marktwirtschaft verfügt. Bereits seit 1972 besteht ein Freihandelsabkommen mit der EU. Island ist durch seine über 15-jährige Beteiligung am Europäischen Wirtschaftsraum (EWR) in den Binnenmarkt eingebunden und setzt den Gemeinschaftsbesitzstand in diesem Bereich sehr weitgehend um. Island ist seit 2000 assoziiertes Schengen-Mitglied und nimmt erfolgreich an der Zusammenarbeit mit Polizei und Justizbehörden der EU-Mitgliedstaaten teil.

Ebenso setzt Island die von der EU getroffenen Beschlüsse zum Asylrecht (Dublin-Übereinkommen) um.

Die Europäische Kommission kommt zu dem Ergebnis, dass Island insgesamt in der Lage ist, die aus der EU-Mitgliedschaft erwachsenden Verpflichtungen umzusetzen und auch durch seine Teilnahme am EWR gezeigt hat, dass es dem Wettbewerbsdruck im europäischen Binnenmarkt standhalten kann. Anpassungen an den Gemeinschaftsbesitzstand sind in der Hauptsache in jenen Bereichen notwendig die außerhalb des EWR-Abkommens liegen und daher bislang nicht in isländisches Recht umgesetzt wurden. Dies gilt insbesondere für die Bereiche Fischerei, Landwirtschaft, Walfang, Steuern, aber auch Wirtschafts- und Währungspolitik

Die Europäische Kommission unterstreicht, dass Island in besonderem Maße von der Finanz- und Wirtschaftskrise betroffen ist. Erste Zeichen einer Stabilisierung seien aber im Zuge der Umsetzung der zusammen mit dem Internationalen Währungsfonds festgelegten Maßnahmen spürbar.

Die Bundesregierung befürwortet die baldige Aufnahme von Beitrittsverhandlungen. Die strikte Erfüllung der Kopenhagener Kriterien ist aus Sicht der Bundesregierung hierbei die wesentliche Voraussetzung für einen Beitritt. Maßgeblich bleibt neben der Beitrittsfähigkeit des Kandidaten auch die Aufnahmefähigkeit der EU.

Die spanische Ratspräsidentschaft hat deutlich gemacht, dass sie baldmöglichst eine Entscheidung zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen herbeiführen will, und strebt hierfür die Befassung des nächsten Europäischen Rates am 25. März 2010 an. Die Bundesregierung hat diesbezüglich im Kontakt mit der Ratspräsidentschaft, der Europäischen Kommission, den anderen Mitgliedstaaten und der isländischen Regierung darauf hingewiesen, dass in Deutschland für die Zustimmung zu einem Beschluss des Rates zur Aufnahme von Beitrittsverhandlungen ein Prüferfordernis aufgrund der innerstaatlichen Begleitgesetzgebung vorliegt.

Das Auswärtige Amt steht den zuständigen Gremien des Bundesrates jederzeit für eine weitergehende Unterrichtung und Aussprache zur Verfügung. Die Bundesregierung wird im Rahmen ihrer fortlaufenden Unterrichtung den Bundesrat kontinuierlich über die weitere Entwicklung des Vorgangs informieren.


Mit freundlichen Grüßen
DrWerner Hoyer