A. Problem und Ziel
- Im Betreuungsbehördengesetz (BtBG) fehlt eine Regelung zu den datenschutzrechtlichen Befugnissen der Betreuungsbehörde, wenn sie im Auftrag für das Vormundschaftsgericht nach § 8 BtBG den Sachverhalt ermittelt. Das Ermittlungsergebnis ist Entscheidungshilfe für das Vormundschaftsgericht bei der Frage, ob für einen Betroffenen ein Betreuer bestellt wird und wer als Betreuer geeignet ist.
- Die Klärung des Sachverhalts nur beim Betroffenen allein ist häufig nicht ausreichend, gilt es doch, entsprechend den Intentionen des Betreuungsrechts familiäre und andere soziale Zusammenhänge bei der Entscheidung über die Notwendigkeit einer Betreuerbestellung einzubeziehen. Die Betreuungsbehörde benötigt nach der geltenden Rechtslage das ausdrückliche schriftliche Einverständnis des Betroffenen, wenn sie zur Aufklärung des Sachverhalts auch bei anderen Stellen oder Personen ermitteln muss. Viele der Betroffenen sind zur Erteilung eines Einverständnisses aber krankheits- oder behinderungsbedingt nicht in der Lage. Die Betreuungsbehörde kann dadurch keinen qualifizierten Bericht an das Vormundschaftsgericht liefern.
- Als Folge muss das Vormundschaftsgericht eigene weitere Ermittlungsarbeit leisten oder der Betreuungsbehörde dezidierte weitere Ermittlungsaufträge bei bestimmten Personen oder Stellen erteilen. Dies bedeutet Verfahrensverzögerungen und zusätzlichen Verwaltungsaufwand. Es sind durchaus Situationen denkbar, in denen ein zu langes Zuwarten dazu führt, dass dem Betroffenen nicht mehr rechtzeitig geholfen werden kann. Verfahrensverlängerungen, die deshalb eintreten, weil ein Betroffener krankheits- oder behinderungsbedingt seine Einwilligung zur Sachverhaltsermittlung bei anderen nicht erteilen kann, würde - abgesehen von zusätzlichem administrativem Aufwand - Menschen benachteiligen, die oft auf schnelle Hilfe in einer Lebenskrise angewiesen sind.
- Die Betreuungsbehörden in der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Sozialhilfeträger haben dringenden Handlungsbedarf gesehen und das Bundesministerium der Justiz aufgefordert, eine Initiative zu einer einheitlichen Klarstellung der Befugnisse der Betreuungsbehörden zu ergreifen. Diese ist bisher unterblieben. Eine bundeseinheitliche Regelung erscheint angesichts des von mehreren Ländern gesehenen Handlungsbedarfs geboten.
B. Lösung
- Zur Lösung des geschilderten Problems wird vorgeschlagen, § 8 BtBG um eine Befugnisnorm für die Tätigkeit der Betreuungsbehörde zu ergänzen.
C. Alternativen
- In Rahmen der Zielsetzung: Keine
D. Finanzielle Auswirkungen auf die öffentlichen Haushalte
- 1. Haushaltsausgaben ohne Vollzugsaufwand
Keine
- 2. Vollzugsaufwand
Keiner
E. Sonstige Kosten
- Keine
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines ... Gesetzes zur Ergänzung des Betreuungsbehördengesetzes (BtBG)
Der Bundesrat hat in seiner 820. Sitzung am 10. März 2006 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Abs. 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines ... Gesetzes zur Ergänzung des Betreuungsbehördengesetzes (BtBG)
Der Bundestag hat mit Zustimmung des Bundesrates das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Betreuungsbehördengesetzes
§ 8 des Betreuungsbehördengesetzes vom 12. September 1990 (BGBl. I S. 2002, 2025), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
- 1. Der bisherige Wortlaut wird Absatz 1.
- 2. Folgender Absatz 2 wird angefügt:
(2) Die Behörde darf im Rahmen des ihr vom Vormundschaftsgericht erteilten Auftrags die für die Feststellung des Sachverhalts und für den Vorschlag eines Betreuers erforderlichen Daten erheben. Die Daten sind vorrangig bei dem Betroffenen zu erheben. Die Erhebung von Daten bei Dritten ist nur zulässig, wenn der Betroffene einwilligt oder krankheits- oder behinderungsbedingt seine Einwilligung nicht erteilen kann und keine Anhaltspunkte dafür bestehen, dass überwiegende schutzwürdige Interessen des Betroffenen beeinträchtigt werden."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am ... in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
Für die Tätigkeit der Betreuungsbehörde nach § 8 BtBG zur Unterstützung des Vormundschaftsgerichts fehlt eine spezifische datenschutzrechtliche Grundlage. Die Klärung des Sachverhalts beim Betroffenen ist in vielen Fällen nicht ausreichend, um dem Gericht qualifizierte Entscheidungsgrundlagen zu liefern. Auf der datenschutzrechtlichen Grundlage der Länderregelungen ist eine Ermittlung des Sachverhalts bei Dritten nur mit dem Einverständnis des Betroffenen möglich. Kann ein Betroffener wegen seiner Behinderung oder Erkrankung sein Einverständnis nicht erteilen endet die Ermittlungstätigkeit der Behörde nach bisherigem Recht. Das Gericht muss dann eigenen weiteren Aufwand zur Klärung des Sachverhalts betreiben oder die Betreuungsbehörde erneut mit dezidierten Fragestellungen beauftragen.
Hierdurch entstehen Verzögerungen, Doppelarbeit und zusätzlicher Verwaltungsaufwand.
Eine rechtliche Klarstellung der Befugnisse der Betreuungsbehörde dient nicht nur einem effektiven Verfahrensablauf; sie liegt auch im Interesse der Menschen, die auf die Hilfe durch einen Betreuer angewiesen sind. Auch nach der Ergänzung des BtBG bleibt sichergestellt, dass die Behörde immer erst tätig werden kann, wenn sie vom Gericht einen Auftrag erhalten hat.
B. Zu den einzelnen Vorschriften
Zu Artikel 1 (§ 8 Abs. 2 - neu - BtBG)
Die Vorschrift regelt die grundsätzliche Befugnis der Betreuungsbehörde zur Ermittlung von Daten und beschreibt die Tatbestandsvoraussetzungen und Grenzen der Datenerhebung.
Satz 1 stellt klar, dass die Betreuungsbehörde zur Datenermittlung im Rahmen ihrer Aufgaben nach Absatz 1 ermächtigt ist. Ihr Tätigwerden innerhalb des gerichtlichen Auftrags wird im Gesetzeswortlaut ausdrücklich klargestellt.
Mit Satz 2 wird sichergestellt, dass die Behörde in erster Linie und zuerst - entsprechend der Intention des Betreuungsgesetzes - beim Betroffenen selbst ermittelt.
Dabei wird sich herausstellen, ob der Betroffene zur Auskunftserteilung bereit ist und ob er mit weiteren Ermittlungen bei Dritten einverstanden ist. Verweigert er Letzteres rechtswirksam, so endet hiermit die Ermittlungsbefugnis der Behörde und sie wird dies dem Vormundschaftsgericht mitteilen.
Satz 3 regelt die Erhebung von Daten bei Dritten. Diese ist bei einer rechtswirksamen Einwilligung des Betroffenen grundsätzlich zulässig. Ohne Einwilligung des Betroffenen ist die weitere Ermittlungstätigkeit dagegen nur zulässig, wenn weitere Tatbestandsmerkmale nebeneinander vorliegen. Zunächst ist Voraussetzung, dass der Betroffene wegen einer Krankheit oder Behinderung nicht in der Lage ist, sein Einverständnis zu weiteren Datenerhebungen zu erteilen. Ferner ist zu beurteilen, ob es besondere schutzwürdige Interessen des Betroffenen gibt, die bei der Bewertung der Frage, ob weitere Sachverhaltsermittlungen vorgenommen werden dürfen, überwiegen. Hierbei wird zu beachten sein, dass eine gründliche Sachverhaltsermittlung durch die Betreuungsbehörde regelmäßig im Interesse des Betroffenen sein wird da die ansonsten erforderliche weitere eigene Ermittlungsarbeit des Vormundschaftsgerichts Verfahrensverzögerungen und zusätzlichen Verfahrensaufwand zum Nachteil des Betroffenen mit sich bringen wird.
Die Kompetenz zur Bewertung der Tatbestandsmerkmale ist bei der Betreuungsbehörde gegeben.
Liegen alle Tatbestandsmerkmale für weitere Ermittlungen der Behörde vor, so darf sie auch ohne Einverständnis des Betroffenen bei Dritten den notwendigen Sachverhalt für die Entscheidung des Gerichts ermitteln.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Die Vorschrift regelt das Inkrafttreten des Gesetzes. Übergangsregelungen sind nicht erforderlich.