Das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft hat mit Schreiben vom 31. August 2020 zu der o.g. Entschließung des Bundesrates Folgendes mitgeteilt:
Zu der Entschließung des Bundesrates:
"Erweiterung der tierschutzgerechten Weideschlachtung" vom 5. Juni 2020 (Drucksache 094/20 (PDF) ) nimmt das Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft wie folgt Stellung:
Nach dem EU-Lebensmittelhygienerecht sind Schlachttiere grundsätzlich lebend in einen zugelassenen Schlachtbetrieb zu transportieren und dort zu schlachten. Eine Ausnahme vom Schlachthofgebot besteht derzeit im EU-Recht nur für in Wildfarmen gehaltenes Schalenwild sowie, unter außergewöhnlichen Umständen, für Bisons. Die Schlachtung von Rindern, Schweinen, kleinen Wiederkäuern und Pferden im Herkunftsbetrieb ist nicht vorgesehen.
§ 12 Absatz 2 der Tierische Lebensmittelhygiene-Verordnung (Tier-LMHV) erweitert den Anwendungsbereich national auf einzelne Huftiere der Gattung Rind, die ganzjährig im Freiland gehalten werden. Diese dürfen mit Genehmigung der zuständigen Behörde im Haltungsbetrieb geschlachtet, oder zur Gewinnung von Fleisch für den menschlichen Verzehr getötet werden, wenn die für in Wildfarmen gehaltenes Schalenwild und Bisons geltenden Anforderungen der Verordnung (EG) Nr. 853/2004 eingehalten werden. Diese nationale Ausnahmeregelung wurde von der Europäischen Kommission 2009 notifiziert.
Die Forderungen des Bundesrates sehen im Einzelnen folgendes vor:
- a) die Möglichkeit der Schlachtung im Haltungsbetrieb nach § 12 Absatz 2 der Tierische Lebensmittel-Hygieneverordnung (Tier-LMHV) auf die Tierart Schwein zu erweitern.
- b) die Möglichkeit der Schlachtung im Haltungsbetrieb nach § 12 Absatz 2 Tier-LMHV auch auf saisonal unter extensiven Bedingungen im Freiland gehaltene Rinder und Schweine zu erweitern.
Nach der Notifizierung der deutschen Ausnahmeregelung des § 12 der Tier-LMHV im Jahr 2009 hat die Europäische Kommission jeglichen Vorstoß anderer Mitgliedstaaten zum Erlass eigener nationaler Regelungen zur Schlachtung im Herkunftsbetrieb abgelehnt. Dabei hat sie stets auf die Notwendigkeit einheitlicher Regelungen insbesondere wegen der EU-weiten Vermarktbarkeit von derart erschlachtetem Fleisch hingewiesen. Es ist daher davon auszugehen, dass die Europäische Kommission einer Erweiterung der bestehenden nationalen Ausnahmegenehmigung des § 12 Tier-LMHV nicht zustimmen wird. Unterstrichen wird diese Annahme durch die Tatsache, dass die Europäische Kommission zwischenzeitlich selbst Handlungsbedarf zur Erweiterung der EU-rechtlich vorgesehenen Möglichkeiten zur Schlachtung im Herkunftsbetrieb erkannt hat. Im Dezember 2019 hat sie den Entwurf einer Delegierten Verordnung zur Änderung der VO (EG) Nr. 853/2004 vorgelegt, der die Schlachtung einzelner Rinder und Pferde im Herkunftsbetrieb unter Einhaltung der geltenden Hygienebestimmung und unter amtlicher Kontrolle vorsieht. Vorgesehener Termin für das Inkrafttreten dieser Regelungen ist der 21. April 2021. Danach werden u.a. eine Zulassung des Fahrzeugs, mit dem der Schlachtkörper zum Schlachthof transportiert wird, zusammen mit einer amtlichen Bescheinigung über das Ergebnis der amtlichen Schlachttieruntersuchung verpflichtend. Die Mitgliedstaaten haben den Vorschlag grundsätzlich begrüßt, sehen aber noch zu einzelnen Punkten Beratungsbedarf. Bemängelt wird die Begrenzung der Schlachtung auf jeweils nur einzelne Tiere und die Einschränkung der Regelung auf die Tierarten Rind und Pferd. Die Europäische Kommission hat die Vorlage eines überarbeiteten Entwurfs für September d.J. angekündigt.
- c) die Fördermöglichkeiten von Investitionen in die Schlachtung von Tieren über den Förderbereich 3A der Gemeinschaftsaufgabe Verbesserung der Agrarstruktur und des Küstenschutzes (GAK) für Unternehmen, die nicht größer sind als Kleinst- oder kleine Unternehmen im Sinne des Anhangs I der Agrarfreistellungsverordnung, weiterhin zu ermöglichen.
Die Bundesregierung beabsichtigt derzeit nicht, die bestehenden Fördermöglichkeiten für Investitionen in die Schlachtung von Tieren im Rahmen des GAK-Förderbereiches 3A einzuschränken. Die Entscheidung über die Anwendung der Maßnahme in den einzelnen Ländern liegt wie auch die Durchführung der Fördermaßnahme im Zuständigkeitsbereich der Länder.
- d) sich auf EU-Ebene für die rechtliche Verankerung der Zulassung von mobilen oder teilmobilen Schlachteinheiten einzusetzen. Hierbei sollte es keine Beschränkung auf einzelne Tierarten geben.
Die VO (EG) Nr. 853/2004 gilt ausdrücklich auch für mobile Schlachteinheiten. Allerdings sind komplette mobile Schlachtanlagen zumeist wirtschaftlich nicht rentabel. Nach einem von einer Arbeitsgruppe der Länder erarbeiteten Konzept ist eine EU-rechtskonforme Schlachtung von Rindern auch in teilmobilen Schlachtanlagen möglich. Kern des Konzeptes ist, dass eine mobile Einheit zur Betäubung und zum Entbluten des Tieres als Teil eines stationären Schlachthofes von der zuständigen Behörde geprüft und unter einer einzigen gemeinsamen Zulassungsnummer zugelassen wird.
Die Europäische Kommission lehnt diese Auslegung ab und führt an, dass aus den im EU-Recht festgelegten Anforderungen an Schlachthöfe nicht hervorgehe, dass ein Schlachthof über einen mobilen Teil verfügen kann und ein (kompletter) mobiler Schlachthof dieselben Anforderungen erfüllen müsse wie ein stationärer Betrieb. Dabei verweist sie auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofes von 2019, bei dem das Gericht die Frage, ob Kühltransporter als zu einem zugelassenen Schlachthof gehörig betrachtet werden können, verneint hatte.
- e) sich auf EU-Ebene zudem für die Schaffung von weiteren Ausnahmen vom Schlachthofgebot entsprechend der nationalen Ausnahmeregelung des § 12 Absatz 2 Tier-LMHV einzusetzen.
Der o.g. Entwurf der Europäischen Kommission einer Delegierten Verordnung zur Änderung der VO (EG) Nr. 853/2004 sieht die Möglichkeit der Schlachtung von Rindern und Pferden im Herkunftsbetrieb vor. Damit geht der Vorschlag bereits über die nationale Ausnahmeregelung des § 12 Absatz 2 Tier-LMHV hinaus, die nur für ganzjährig im freien gehaltene Rinder gilt. BMEL hat sich in der Diskussion des Entwurfs der Europäischen Kommission von Anfang an für eine Ausweitung dieser Regelung auch auf die Tierart Schwein ausgesprochen und wird dies in den weiteren Beratungen auch weiter tun. Der von der Europäischen Kommission für den September angekündigte Vorschlag bleibt abzuwarten.