909. Sitzung des Bundesrates am 3. Mai 2013
A
- 1. Der federführende Ausschuss für Frauen und Jugend empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Bericht wie folgt Stellung zu nehmen:
- a) Als Gesamtbericht zeichnet der 14. Kinder- und Jugendbericht ein umfassendes und aktuelles Bild der Situation der Kinder- und Jugendhilfe in Deutschland. Er betont die erweiterte Verantwortung, die öffentliche Institutionen im Prozess des Aufwachsens von jungen Menschen übernehmen. Der Ausbau der Kindertageseinrichtungen, der Ausbau der Ganztagsschulen, die Etablierung früher Hilfen sowie die Verbesserung des Kinderschutzes stehen exemplarisch für die zentralen Entwicklungen, die die Kinder- und Jugendhilfe im vergangenen Jahrzehnt deutlich verändert haben.
- b) Der Bundesrat teilt die Auffassung der Berichtskommission, dass Kindheit und Jugend die entscheidenden Lebensphasen sind, in denen die Grundlagen für eine erfolgreiche Integration in die moderne Gesellschaft und für deren Weiterentwicklung gelegt werden. Geleistet wird dies im Zusammenwirken unterschiedlicher Akteure: der Familien, der Träger der Jugendhilfe, zivilgesellschaftlicher Organisationen, kommerzieller Anbieter und staatlicher Institutionen. Bund, Ländern und Kommunen kommt in diesem Prozess eine besondere Bedeutung zu. Der Bundesrat begrüßt die Entwicklung einer eigenständigen Jugendpolitik und die für 2014 geplante Gründung einer Allianz für Jugend. Die eigenständige Jugendpolitik nimmt die Jugendphase als eine eigenständige Lebensphase in den Fokus und orientiert sich deshalb - gemäß §§ 1 und 11 SGB VIII - an allen Jugendlichen und jungen Erwachsenen. Insbesondere der Sichtweise und eigenen Perspektive der Kinder, Jugendlichen und jungen Erwachsenen kommt bei der zunehmenden öffentlichen Verantwortung für das Aufwachsen eine besondere Bedeutung zu.
- c) Angesicht des Umfangs und der Fülle fachlicher Betrachtungen und Anregungen in diesem Bericht empfiehlt der Bundesrat eine Weiterbehandlung in den zuständigen Gremien auf der Ebene von Bund, Ländern und Kommunen. Auch die freien Träger der Kinder- und Jugendhilfe und ihre Zusammenschlüsse regt der Bundesrat an, die vielfältigen Impulse für ihre Fachdiskussionen sowie die Weiterentwicklung der Kinder- und Jugendhilfe zu nutzen.
- d) Die veränderten Bedingungen und besonderen Anforderungen des Aufwachsens in Familie, in den Einrichtungen von Bildung, Erziehung und Betreuung sowie der Gesellschaft führen dazu, dass der Staat mehr und mehr eine "Garantenrolle" bei der Schaffung und Sicherung der für ein gelingendes Aufwachsen notwendigen Rahmenbedingungen ausfüllt. Um diese notwendigen Bedingungen gestalten und langfristig für die Gesellschaft erhalten zu können, bedarf es vor allem starker staatlicher Institutionen. Der Bundesrat begrüßt deshalb die zentrale Rolle und Funktion, die die Berichtskommission den Jugendämtern beimisst, sowie ihren Vorschlag, sie zu "lokalen strategischen Zentren für Fragen des Aufwachsens" weiterzuentwickeln. Darüber hinaus weist der Bundesrat auf die in diesem Kontext ebenso wachsende Bedeutung des Schulsystems hin (Ganztag).
- e) Um die Kommunen dazu in die Lage zu versetzen, diese Aufgabe angemessen zu erfüllen, bedarf es nicht nur einer langfristig abgesicherten Finanzierung ihrer Angebote und Leistungen, sondern auch der (Wieder-)Herstellung ihrer strategischen, planerischen und organisatorischen Kompetenzen und Kapazitäten. Im Lichte des fortschreitenden Ausbaus der Kindertagesbetreuung und der Ganztagsangebote sowie der wachsenden Bedarfe in den Hilfen zur Erziehung, der Familienberatung und -bildung sowie der Kinder- und Jugendarbeit und der Jugendsozialarbeit ist ein weiterer Aufgabenzuwachs in der öffentlichen Jugendhilfe zu erwarten, der mit einem Ausgabenzuwachs einhergeht. Die Finanzierung der Kinder- und der Jugendhilfe sowie einer auf den Ganztag ausgerichteten Schule kann deshalb nicht weiter von den Kommunen und den Ländern im Rahmen der bestehenden Verteilung der zur Verfügung stehenden staatlichen Mittel auf Bund, Länder und Kommunen getragen werden. Vor diesem Hintergrund fordert der Bundesrat die Bundesregierung auf, mit den Ländern in Verhandlungen über eine den Lasten angemessene Verteilung der Ressourcen einzutreten.
- f) Zu den wichtigen Rahmenbedingungen des Aufwachsens von Kindern und Jugendlichen gehört die Möglichkeit, ihre Rechte wahrzunehmen sowie dort mitzubestimmen und sich zu beteiligen, wo sie ihren Lebensmittelpunkt haben. Garant dieser Chancen für Kinder und Jugendliche vor Ort ist das Jugendamt. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung deshalb auf, die rechtlichen und finanziellen Voraussetzungen zu schaffen, um die von der Berichtskommission empfohlenen unabhängigen ombudsschaftlichen Beratungs- und Schlichtungsstellen ("Ombudsstellen") für junge Menschen und ihre Familien durch die örtlichen Träger der öffentlichen Jugendhilfe auf den Weg zu bringen. Da die Bundesregierung noch immer keine Bereitschaft zeigt, die Kinderrechte in das Grundgesetz aufzunehmen (vergleiche "Stellungnahme der Bundesregierung zu der Entschließung des Bundesrates Kinderrechte im Grundgesetz verankern", BR-Drucksache 431/12 (PDF) ), sind in einem ersten Schritt Ombudsstellen ein geeignetes Instrument, um die Rechte von Kindern und Jugendlichen auch in Verfahren der Jugendhilfe zu stärken. Darüber hinaus erachtet es der Bundesrat aber für dringend erforderlich, die Kinderrechte auch im Grundgesetz zu verankern, um so deren umfassende Berücksichtigung in allen gesellschaftlichen Bereichen sicherzustellen.
- g) Der Bundesrat fordert die Bundesregierung des Weiteren auf dafür Sorge zu tragen, dass eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit für junge Menschen, die in den Rechtskreisen des Zweiten, Dritten, Achten und zum Teil im Rechtskreis des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch betreut werden und Leistungen erhalten, effizienter ausgestaltet wird. Der Bundesrat nimmt mit Sorge wahr, dass sich die Zuständigkeiten, insbesondere für diejenigen jungen Menschen, die auf besondere Unterstützungs- und Hilfeleistungen der öffentlichen Hand angewiesen sind, immer weiter aufspalten. So sind beispielsweise die unterschiedlichen arbeitsmarktlichen Förderungen für diese jungen Menschen zum einen häufig zwischen den Akteuren der jeweiligen Rechtsbereiche nicht abgestimmt und entfalten somit auch nicht ihre volle Wirkung. Zum anderen führen getrennt geplante Hilfen vielfach zur Kostensteigerung. Der Verweis der Bundesregierung auf das bisherige beziehungsweise das neue Programm des Europäischen Sozialfonds für Deutschland "JUGEND stärken", das von den Ländern grundsätzlich begrüßt wird, kann jedoch nicht als ausreichende Maßnahme des Bundes gewertet werden, um eine rechtskreisübergreifende Zusammenarbeit durch gesetzgeberische Zielsetzung zu forcieren.
B
- 2. Der Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik, der Ausschuss für Familie und Senioren, der Finanzausschuss und der Ausschuss für Kulturfragen empfehlen dem Bundesrat, von dem Bericht Kenntnis zu nehmen.