Der Bundesrat hat in seiner 820. Sitzung am 10. März 2006 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt das mit dem vorgelegten Beschlussvorschlag verfolgte Ziel der Effektivierung des Kampfs gegen den Terrorismus durch Austausch und Bündelung der bei den Sicherheitsbehörden der Mitgliedstaaten vorliegenden Erkenntnisse.
- 2. Allerdings bestehen gegen die beabsichtigte Regelung verschiedene Bedenken, die aus der Sicht des Bundesrates eine Überarbeitung des Beschlussvorschlags erforderlich machen.
- 3. Vorbehalte betreffen zunächst die zitierte Rechtsgrundlage. In der Vorlage wird Artikel 30 Abs. 1 Buchstabe b und Artikel 34 Abs. 2 Buchstabe c EUV genannt, wonach der Rat Beschlüsse im Bereich der polizeilichen Zusammenarbeit unter Einschluss des Einholens, Speicherns, Verarbeitens, Analysierens und Austauschens sachdienlicher Informationen der Strafverfolgungsbehörden zu Meldungen über verdächtige finanzielle Transaktionen, insbesondere unter Einschaltung von Europol erlassen kann. Diese Ermächtigung umfasst von ihrem Wortlaut her jedoch nicht den nachrichtendienstlichen Bereich. Es ist deshalb zumindest fraglich und noch näher zu prüfen, ob der Rat für den vorliegenden Beschlussvorschlag die Rechtsetzungsbefugnis hat zumal sich auch die anderen Regelungen von Titel VI des EUV bezüglich der Sicherheitsbehörden auf die polizeiliche Zusammenarbeit beschränken. Da der Ratsbeschluss im Falle seiner Verabschiedung der erste Rechtsakt der EU wäre, der Tätigkeiten der nationalen Nachrichten- und Sicherheitsdienste regelt könnte er als Präzedenzfall für eine Befugnis der EU herangezogen werden Tätigkeiten der Nachrichten- und Sicherheitsdienste eindeutig als Materie der "dritten Säule" anzusehen und zukünftig weiter gehend zu regeln.
- 4. Inhaltlich bestehen im Bereich der Nachrichtendienste bereits jetzt Strukturen im Sinne eines europaweiten Informationsverbunds zur Terrorismusbekämpfung. Zum einen berichten jedenfalls die Inlandsnachrichtendienste den nationalen Polizeibehörden (BKA, LKÄ) und diese wiederum Europol. Daneben erfolgt ein regelmäßiger Informationsaustausch über terrorismusrelevante Straftaten/Vorkommnisse über den Vortrag der Delegationen der Mitgliedstaaten in den Sitzungen der Rats-Arbeitsgruppe Terrorismus (TWG). An den Sitzungen der TWG nehmen auch Vertreter von Europol teil. Zum anderen existieren Einrichtungen, die terrorismusrelevante operative Informationen/Erkenntnisse bi- bzw. multilateral austauschen. Die Notwendigkeit einer Einschaltung einer Zwischeninstanz auf EU-Ebene erscheint zweifelhaft.
- 5. Darüber hinaus ist aus Sicht der Nachrichtendienste, insbesondere die in Artikel 3 Abs. 1 des Beschlussvorschlags vorgesehene Pflicht der Nachrichtendienste, alle aus ihren Tätigkeiten resultierenden sachdienlichen Informationen über terroristische Straftaten an die nationale Kontaktstelle zu übermitteln, problematisch. Einer solch uneingeschränkten Übermittlungsverpflichtung gegenüber der nationalen Kontaktstelle stehen Interessen des Quellenschutzes und sonstige besondere Geheimhaltungsinteressen entgegen. Es ist darauf hinzuweisen, dass die Informationen der Nachrichtendienste vielfach (noch) nicht polizeirelevant oder gar polizeifest sind, sondern erst überprüft und auf Belastbarkeit verifiziert werden müssen. Insofern müsste Artikel 3 Abs. 1 des Beschlussvorschlags jedenfalls um Übermittlungsverbote, wie etwa in § 23 Nr. 2 und 3 BVerfSchG, ergänzt bzw. auch hier auf das innerstaatliche Recht verwiesen werden. Soweit der Begriff der Sicherheits- und Nachrichtendienste in Artikel 2 Buchstabe c auch die polizeilichen Staatsschutzstellen umfassen soll, ist zudem zu hinterfragen dass der Beschlussvorschlag nur eine nationale Kontaktstelle für jeden Staat vorsieht. Als nationale Kontaktstelle für die Verfassungsschutzbehörden wäre grundsätzlich gemäß § 2 BVerfSchG das Bundesamt für Verfassungsschutz zu benennen. Ob das Gemeinsame Terrorismusabwehrzentrum als gemeinsame Einrichtung von Polizei und Nachrichtendiensten zur Terrorismusbekämpfung diese Aufgabe übernehmen könnte, wäre zu prüfen.
- 6. Die Bundesregierung wird daher gebeten, sich bei den weiteren Verhandlungen in Brüssel für eine Überarbeitung des Beschlussvorschlags auf der Grundlage der oben dargestellten Überlegungen einzusetzen.