C(2018) 5240 final
Europäische Kommission
Brüssel, den 13.9.2018 C(2018) 5240 final
Herrn Michael MÜLLER
Präsident des Bundesrates
Leipziger Straße 3-4
10117 Berlin Deutschland
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über die Bewertung von Gesundheitstechnologien und zur Änderung der Richtlinie 2011/24/EU {COM (2018) 51 final}.
Die Kommission nimmt die Bedenken ernst, die der Bundesrat hinsichtlich der Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit, der Wahl der Rechtsgrundlage und der Aufteilung der Zuständigkeiten zwischen der Union und ihren Mitgliedstaaten im Gesundheitswesen geäußert hat. Die Kommission nimmt diese Gelegenheit zum Anlass einige Aspekte ihres Vorschlags zu präzisieren, una hofft, die Bedenken des Bundesrats mit ihren Ausführungen ausräumen zu können.
Der Bundesrat ist der Auffassung, dass die gewählte Rechtsgrundlage nicht tragfähig ist und dass Artikel 168 Absatz 4 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) eine geeignetere rechtliche Grundlage bieten würde.
Die Kommission möchte daran erinnern, dass die Wahl der Rechtsgrundlage unter Berücksichtigung des Inhalts und der Ziele des Vorschlags sowie der in der Folgenabschätzung festgestellten Probleme erfolgte. In diesem Zusammenhang möchte die Kommission betonen, dass für Arzneimittel und Medizinprodukte der Grundsatz des,freien Warenverkehrs im Binnenmarkt gilt. Allerdings trägt die derzeitige Vielfalt der innerstaatlichen Vorschriften zu Verzerrungen beim Marktzugang neuer Gesundheitstechnologien bei. Vor diesem Hintergrund zielt der Vorschlag vor allem darauf ab, ein besseres Funktionieren des Binnenmarkts und gleichzeitig ein hohes Gesundheitsschutzniveau sicherzustellen. Erreicht werden soll dies, indem in der gesamten EU für einen zeitnahen und gleichberechtigten Zugang der Patienten zu den innovativsten Gesundheitstechnologien gesorgt wird.
Artikel 168 Absatz 4 AEUV enthält zwar den Auftrag, Maßnahmen zur Festlegung hoher Qualitäts- und Sicherheitsstandards für Arzneimittel und Medizinprodukte zu erlassen, doch mit dem vorliegenden Vorschlag werden keine derartigen Standards festgelegt. Er geht nur indirekt auf die Qualität und Sicherheit solcher Arzneimittel und Medizinprodukte ein, indem er Bewertungen ihrer relativen Sicherheit und Wirksamkeit vorsieht.
Daher ist die Kommission der Auffassung, dass Artikel 114 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) die geeignete Rechtsgrundlage darstellt.
Der Bundesrat weist darauf hin, dass gemäß Artikel 168 Absatz 7 AEUV die Mitgliedstaaten für die Festlegung ihrer Gesundheitspolitik sowie für die Organisation des Gesundheitswesens und die medizinische Versorgung verantwortlich sind. Er bezweifelt, dass der Vorschlag mit dieser Bestimmung im Einklang steht und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit Rechnung trägt.
Die Kommission ist nicht der Auffassung, dass die vorgeschlagene Verordnung in die Rechte und Pflichten der Mitgliedstaaten gemäß Artikel 168 Absatz 7 AEUV eingreift. Der Vorschlag sieht vor, dass die klinische Bewertung im Rahmen einer Bewertung von Gesundheitstechnologien in Fällen, in denen der Vorschlag zur Anwendung kommt, auf Unionsebene - nicht durch die Kommission, sondern durch die für die Bewertung von Gesundheitstechnologien zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten, die im Rahmen der Koordinierungsgruppe zusammenarbeiten - durchgeführt wird, während die Mitgliedstaaten weiterhin die nichtklinische Bewertung durchführen. Der Vorschlag verpflichtet die Mitgliedstaaten jedoch nicht zur Bewertung von Gesundheitstechnologien, die Gegenstand gemeinsamer klinischer Bewertungen sind. Über das nationale Verfahren für die Bewertung von Gesundheitstechnologien (nichtklinische Bewertung und/oder Bewertungsverfahren zur Ergänzung der gemeinsamen klinischen Bewertung) und über die auf den gemeinsamen klinischen Bewertungsbericht gestützten Schlussfolgerungen bezüglich des Mehrwerts der bewerteten Gesundheitstechnologie sowie über die Berücksichtigung der Ergebnisse einer etwaigen Gesamtbewertung bei der Festlegung der Preise und der Kostenerstattung würden die Mitgliedstaaten weiterhin frei entscheiden.
Der Bundesrat ist ferner der Auffassung, dass der Vorschlag keine ausreichenden Garantien in Bezug auf die Qualität der geplanten gemeinsamen Arbeiten bietet.
Die Kommission möchte betonen, dass, wie in Erwägungsgrund 19 des Vorschlags dargelegt, Berichte von hoher Qualität zu den wichtigsten Anforderungen des Vorschlags zählen. Aus diesem Grund geht die Kommission davon aus, dass die Mitgliedstaaten Stellen zur Bewertung von Gesundheitstechnologien mit hoher Fachkompetenz als Mitglieder der Koordinierungsgruppe und ihrer Untergruppen benennen würden. Die jeweiligen Bewerter und Mitbewerter würden stets aufgrund ihres Fachwissens und ihrer Eignung zur Leitung einer Bewertung ausgewählt werden, und alle Mitglieder der einschlägigen Untergruppen hätten die Gelegenheit, die Berichtsentwürfe zu prüfen und dazu Stellung zu nehmen.
Außerdem besteht ein wichtiger Zusammenhang zwischen der Qualität der vorgenommenen Bewertungen und dem verbindlichen Charakter sowohl der Stellungnahmen von Entwicklern von Gesundheitstechnologien als auch der Verwendung des Bewertungsberichts auf der Ebene der Mitgliedstaaten. Indem dafür gesorgt wird, dass die Mitgliedstaaten die Berichte in ihren nationalen Verfahren für die Bewertung von Gesundheitstechnologien verwenden, werden Anreize dafür geschaffen, dass Entwickler von Gesundheitstechnologien hochwertige und vollständige Daten und Nachweise übermitteln und die zuständigen Stellen der Mitgliedstaaten gemeinsam qualitativ hochwertige Berichte für die Verwendung in ihren nationalen Systemen erstellen.
Der Bundesrat hat Bedenken geäußert, dass die Entwicklung innovativer Produkte im Bereich der Medizintechnik negativ beeinflusst werden könnte. In diesem Zusammenhang möchte die Kommission darauf hinweisen, dass der Vorschlag gemeinsame wissenschaftliche Konsultationen vorsieht, in deren Rahmen Technologieentwickler Ratschläge zur Ausarbeitung von Studien einholen können, um geeignete Nachweise für HTA-Zwecke zu generieren. Diese verstärkte Klarheit in Bezug auf die Nachweiserfordernisse dürfte die Planungssicherheit verbessern und die Entscheidungsfindung bei der Entwicklung innovativer Gesundheitstechnologien erleichtern.
Der Bundesrat spricht sich für eine Fortsetzung des derzeitigen Systems der freiwilligen Kooperation aus.
Die Kommission erinnert daran, dass es bereits eine umfangreiche Zusammenarbeit bei der Bewertung von Gesundheitstechnologien auf EU-Ebene gibt: zum einem in Form eines freiwilligen projektbasierten Netzwerks der für die Bewertung von Gesundheitstechnologien zuständigen Behörden und Stellen der Mitgliedstaaten und zum anderen durch EU; finanzierte Initiativen wie die drei Gemeinsamen Aktionen des Europäischen Netzes für Technologiefolgenabschätzung im Gesundheitswesen (EUnetHTA). Wie in Abschnitt 2 der Folgenabschätzung zu dem Vorschlag dargelegt, hat diese Zusammenarbeit zwar das Potenzial der Mitgliedstaaten aufgezeigt, bei der Bewertung von Gesundheitstechnologien auf EU-Ebene zusammenzuarbeiten, ist aber nicht näher auf die Hindernisse und Verzerrungen beim Marktzugang oder die Doppelarbeit bei der Bewertung von Gesundheitstechnologien innerhalb der Union eingegangen. Die Grenzen eines Modells der projektbasierten Zusammenarbeit lassen sich insbesondere daran erkennen, dass die Mitgliedstaaten die Ergebnisse der gemeinsamen Arbeit nur wenig nutzen. Die Kommission ist daher der Auffassung, dass der Vorschlag einen notwendigen und verhältnismäßigen Ansatz zur Lösung der ermittelten Probleme und zur Verwirklichung der Ziele der Initiative enthält. Gleichwohl möchte die Kommission betonen, dass der Vorschlag die Mitgliedstaaten nicht daran hindern würde, die gemeinsamen klinischen Bewertungsberichte mit kontextspezifischen Informationen für jeden Mitgliedstaat zu ergänzen.
Die vorstehenden Erläuterungen stützen sich auf den ursprünglichen Vorschlag der Kommission, der derzeit im Rahmen des Gesetzgebungsverfahrens dem Europäischen Parlament und dem Rat zur Erörterung vorliegt. Die Kommission ist zuversichtlich. dass diese Erörterung zur Gewährleistung eines effizienten und integrativen Systems beitragen wird.
Die Kommission hei, dass die vom Bundesrat angesprochenen Punkte mit diesen Amehrungen geklärt werden konnten, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Frans Tinnnermans Pylenis Andriukanis
Erster Vizepräsident Mitglied der Kommission