881. Sitzung des Bundesrates am 18. März 2011
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Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit (U) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt die Mitteilung der Kommission, mit der sie die nationalen, regionalen und lokalen Behörden auffordert, ihre Investitionen zur Förderung einer ressourcenschonenden, klimabeständigen und wettbewerbsfähigen Wirtschaft mit geringeren CO₂-Emissionen zu verstärken und im laufenden kohäsionspolitischen Programmzeitraum (2007 bis 2013) eine Anpassung der noch verfügbaren Mittel an die Ziele der Strategie Europa 2020 zu überprüfen. Er erwartet, dass zukünftig die Förderung eines nachhaltigen Wachstums in den Mittelpunkt der Anstrengungen gestellt wird.
- 2. Der Bundesrat teilt dabei die Auffassung, dass der Regionalpolitik eine Schlüsselrolle bei der Umsetzung der Strategie Europa 2020 zukommt. Die Regionalpolitik ist besonders geeignet, intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum zu unterstützen. Dabei können ökologisch, ökonomisch und sozial nachhaltige Investitionen einen wichtigen Beitrag auch zur Bewältigung der Herausforderungen in den Bereichen Klima, Energie und Umwelt leisten.
- 3. Der Bundesrat betont, dass bereits in der laufenden Programmperiode der EU-Strukturfondsförderung die verfügbaren Mittel dafür eingesetzt werden, nachhaltiges Wachstum in allen europäischen Regionen zu fördern. Dabei finden schon jetzt umweltbezogene Nachhaltigkeitsziele starke Berücksichtigung. Strategische Umweltprüfungen und das in den operationellen Programmen verankerte Querschnittsziel der nachhaltigen Entwicklung stellen sicher, dass auch die Grundsätze der ökologischen Nachhaltigkeit bei jedem Fördervorhaben Beachtung finden.
- 4. Der Bundesrat nimmt jedoch die Feststellung der Kommission mit Sorge zur Kenntnis, dass im bisher verstrichenen Programmplanungszeitraum 2007 bis 2013 die Regionalmittel "Maßnahmen im Bereich der Energieeffizienz und den erneuerbaren Energien" "keinen so hohen Stellenwert" eingenommen haben. Der Verweis auf Finanzkrise, knappe öffentliche Haushalte, administrative Engpässe und unzureichendes technisches Fachwissen machen deutlich, dass sowohl in thematischer als auch organisatorischer Hinsicht in Europa ein großer Nachholbedarf besteht. Die Pflichten des Staates im Rahmen der Daseinsvorsorge dürfen nicht beeinträchtigt werden. Das Verursacherprinzip muss verstärkt angewendet und als ein wichtiges Element für die Nachhaltigkeit eines Projekts angesehen werden.
- 5. Der Bundesrat sieht in den unterdurchschnittlich niedrigen Investitionen in Programme im Energie- und Umweltbereich im Rahmen der Kohäsionspolitik 2007 bis 2013 einen Beleg dafür, dass eine konsequente Verzahnung umweltpolitischer Belange mit den unterschiedlichen Wirtschaftsbereichen bislang noch nicht in einem ausreichenden Maß stattgefunden hat. Der Bundesrat weist in diesem Zusammenhang darauf hin, dass Umwelt- und Klimapolitik als ein integraler Bestandteil der Wirtschaftspolitik betrachtet werden sollte.
- 6. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, auf europäischer Ebene darauf hinzuwirken, dass die bisher wenig erfolgreiche Ausrichtung von europäischen Fördermitteln an Nachhaltigkeitsanforderungen zukünftig stärker berücksichtigt wird. Dies betrifft insbesondere Effizienzanforderungen bei Investitionsförderungen im Gebäudebereich, bei der ausschließlichen Förderung von erneuerbaren Energien bzw. von kerntechnik- und kohlefreien Energieformen mit geringem CO₂-Ausstoß sowie Effizienzanforderungen bei der Förderung von Verkehrsprojekten. Im Verkehrsbereich sollte der Förderung schienengebundener und nichtmotorisierter Verkehrsträger sowie neuer Mobilitätsformen (z.B. Car-Sharing) Vorrang eingeräumt werden.
- 7. Er weist aber darauf hin, dass mit begrenzten Mitteln und Instrumenten nicht beliebig viele Ziele gleichzeitig erreicht werden können. Insbesondere ist eine Überfrachtung der Regionalpolitik mit Querschnittszielen zu vermeiden. Dies gebietet nicht zuletzt auch die für den Programmplanungszeitraum 2014 bis 2020 geforderte stärkere thematische Konzentration beim Einsatz der EU-Mittel mit besonderer Betonung der Förderung von Innovationen.
- 8. In diesem Zusammenhang begrüßt der Bundesrat die Aufforderung der Kommission an die Mitgliedstaaten und Regionen, mit der Vorbereitung der nächsten Generation der Programme zu beginnen. Der Bundesrat sieht ebenfalls die Notwendigkeit einer stärkeren thematischen Konzentration auf umweltfreundliche Investitionen und einen Umstieg auf eine klimabeständige Wirtschaft mit geringen CO₂-Emissionen, einen integrierten Ansatz für eine nachhaltige und ländliche Entwicklung sowie eine umfassende Berücksichtigung des territorialen Kontextes.
- 9. Der Bundesrat erinnert aber daran, dass die operationellen Programme auf abgestimmten, schlüssigen und von der Kommission genehmigten Konzepten beruhen, die regionalen Besonderheiten und spezifischen Problemlagen Rechnung tragen und die an langfristig angelegten regionalen Entwicklungsstrategien ausgerichtet sind.
- 10. Der Bundesrat hält vor diesem Hintergrund die Aufforderung, von den in der laufenden Förderperiode verfügbaren Fördermitteln aus den EU-Strukturfonds mehr in die Bereiche Klima, Energie und Umwelt zu investieren, für problematisch. Die Mittel sind entsprechend den ursprünglich festgelegten und von der Kommission genehmigten Programmschwerpunkten weitgehend vergeben oder verplant. Sie müssten zu Lasten anderer Maßnahmen, mit denen die Wettbewerbsfähigkeit erhöht und nachhaltiges Wachstum unterstützt wird, umgeschichtet werden. Die Entscheidung über eine mögliche Umwidmung von Mitteln muss ausschließlich der regionalen Ebene überlassen bleiben.
- 11. Der Bundesrat hält es jedoch für notwendig, sich beim Thema Nachhaltigkeit nicht nur auf ökologische Fragen zu beschränken. Nachhaltiges Wachstum muss sowohl ökologische als auch ökonomische und soziale Dimensionen, insbesondere in Bezug auf dauerhafte Arbeitsplätze, beinhalten.
- 12. Der Bundesrat teilt die Auffassung, dass zur Förderung eines nachhaltigen Wirtschaftens Ökoinnovationen eine entscheidende Rolle spielen müssen. Mit einem jährlichen Wachstum von 8 Prozent stellt die Ökoindustrie eine der am dynamischsten wachsenden Wirtschaftsbranchen Europas dar. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass von europäischen Wirtschaftsfördermitteln vorrangig nur solche Branchen profitieren sollten, die ein dynamisches Wachstum bei einem steigenden Beitrag zur CO₂-Reduzierung aufweisen oder in sonstiger Weise zu einer deutlichen Minderung von Umwelt- und Klimabelastungen beitragen.
- 13. Der Bundesrat nimmt mit Bedauern die Aussage der Kommission zu Kenntnis, dass das Ziel, den Rückgang der biologischen Vielfalt bis zum Jahr 2010 aufzuhalten, nicht erreicht wurde. Die Schlussfolgerung der Kommission, dass zukünftig verstärkt die Auswirkungen von Infrastrukturprojekten und sonstigen Fördermaßnahmen auf die "grüne Infrastruktur" (z.B. Wälder, Flüsse, Küstengebiete etc.) geprüft und entsprechend kompensiert werden müssen, um einen weiteren Rückgang der biologischen Vielfalt zu verhindern, wird ausdrücklich begrüßt.
- 14. Der Bundesrat verweist auf die wiederholte Forderung der Länder nach Verwaltungsvereinfachung und Bürokratieabbau. Dies gilt auch für Monitoring- und Berichtspflichten in Bezug auf die Überwachung der Einhaltung von Nachhaltigkeitsgrundsätzen.
- 15. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, bei kommenden Verhandlungen darauf hinzuwirken, dass die vierte Forderung der Kommission in Anhang 1 nach zusätzlichen, konkreten Bewertungen und nach einem eigenen Abschnitt in den jährlichen Durchführungsberichten zum Nachweis der Übereinstimmung der operationellen Programme mit den Leitlinien strikt abgelehnt wird.
Begründung zu Ziffer 15 (nur gegenüber dem Plenum):
In der laufenden Diskussion zur Reduzierung des Verwaltungsaufwands im Rahmen der Vorbereitung der neuen Förderperiode 2014 bis 2020 wird immer wieder gefordert, dass insbesondere auch das Berichtssystem vereinfacht wird. Die Aufnahme einer konkreten Bewertung in die Durchführungsberichte würde demgegenüber zu einem erheblichen Mehraufwand führen. Der Beitrag der Kohäsionspolitik zur Strategie Europa 2020 kann auch über separate, ohnehin laufende Evaluierungsverfahren bei der Umsetzung der operationellen Programme ausreichend bewertet werden.
- 16. Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Kulturfragen (K), der Verkehrsausschuss (VK) und der Ausschuss für Städtebau, Wohnungswesen und Raumordnung (Wo) empfehlen dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß § § 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.
[Begründung (nur gegenüber dem Plenum):
Die vorliegende Mitteilung bezieht sich nicht nur auf die laufende Förderperiode, sondern weist über diese hinaus. Für die künftige Gestaltung der EU-Strukturpolitik liegen ein Beschluss der Ministerpräsidenten der Länder vom 15. Dezember 2010 und eine gemeinsame Bund-Länder-Stellungnahme vor. Daher wird empfohlen, von der Mitteilung Kenntnis zu nehmen.
Im Übrigen wird zu der Frage der laufenden Förderperiode auf die Stellungnahme des Bundesrates zur Mitteilung der Kommission über die Leitinitiative der Strategie Europa 2020 - Innovationsunionin BR-Drucksache 616/10(B) ) verwiesen.]