856. Sitzung des Bundesrates am 6. März 2009
A.
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Ausschuss für Innere Angelegenheiten (In) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Initiative der Kommission, die Rahmenbedingungen für die Einführung von intelligenten Verkehrssystemen (IVS) europaweit zu verbessern.
- 2. Der Bundesrat unterstützt insbesondere das im begleitenden Intelligent Transport Systems (ITS)-Aktionsplan formulierte und begründete Ziel, die Interoperabilität von solchen Systemen zu verbessern sowie technische und organisatorische Einführungshindernisse abzubauen.
- 3. Der vorliegende Richtlinienvorschlag läuft allerdings Gefahr, neue Hindernisse zu errichten, da essenzielle Vorgaben nicht ausreichend erkennbar sind, pauschale Vorgaben der Realität vor Ort nicht gerecht werden können, der Beitrag privater Dienstleister nicht hinreichend berücksichtigt wird und die Kosten für eine Umsetzung unklar sind.
- 4. Die im Richtlinienvorschlag vorgesehene Konzeption zur Verbreitung von IVS in der Gemeinschaft trägt auch dem Subsidiaritätsprinzip des Artikels 5 Absatz 2 EGV nicht hinreichend Rechnung. Der Vorschlag berücksichtigt nicht, dass insbesondere in den alten Mitgliedstaaten größtenteils bereits nationale IVS mit hohem Wirkungsgrad existieren, welche für die Schaffung eines Binnenmarkts zumindest teilweise geeignete und erhaltenswerte Ansatzpunkte aufweisen. Die Regelungsvorschläge des derzeitigen Richtlinienvorschlags würden letztendlich massiv in diese funktionierenden Märkte bzw. Anwendungen eingreifen, ohne gleichzeitig einen adäquaten Ersatz mit spezifischem Mehrwert auf der Gemeinschaftsebene einzuführen.
- 5. Die Regelungsvorschläge des Richtlinienvorschlags bedeuten auch einen erheblichen Eingriff in die Zuständigkeit des Bundes, der Länder (Straßenverkehrsordnung (StVO), Straßenverkehrszulassungsordnung (StVZO), Straßenbaulast, Rettungsdienste), in bereits funktionierende Märkte der Privatwirtschaft (z.B. Hersteller von Navigationssystemen und Aufbereitung passender Daten und Dienstleistungen) und gefährden die Integration erfolgreicher IVS-Anwendungen in eine ausgereifte öffentlich oder privatwirtschaftlich entwickelte Struktur.
- 6. IVS-Anwendungen sind auf die Existenz qualitativ hochwertiger, dynamischer Daten angewiesen. Sie funktionieren umso effizienter, je weniger Probleme durch heterogene oder in ihrer Qualität nicht hinreichend beschriebene Daten entstehen. Der Richtlinienvorschlag sollte daher fundiertere Aussagen treffen, welche europäischen Normen oder Spezifikationen bei der Verarbeitung solcher Daten zu berücksichtigen sind, sofern dies nicht bereits aus anderen Regelwerken hervorgeht. Dieses betrifft die Inhalte, Struktur oder Metabeschreibungen von Verkehrsdaten.
- 7. Dies gilt sowohl für kommerzielle IVS-Dienste als auch für Dienste der öffentlichen Verwaltung. Die Regelungen haben daher die unterschiedlichen Belange der öffentlichen Verwaltung und der kommerziellen Diensteanbieter bzw. die speziellen wirtschaftlichen Belange der zuliefernden Wirtschaft zu berücksichtigen. (setzt Annahme von Ziffer 6 voraus)
- 8. Die Zusammenarbeit von IVS wird durch kompatible Datenstrukturen in der Regel bereits erleichtert. Insbesondere im Bereich der Verkehrsmanagementsysteme, die Aufgaben im Rahmen der StVO und der Verkehrssicherheit betreffen, ist darüber hinaus eine Interoperabilität
- 9. zwischen öffentlichen IVS und kommerziellen IVS-Diensten (setzt Annahme von Ziffer 8 voraus)
- 10. Zu fordern, wenn dadurch die Begreifbarkeit von Systemen erhöht und ein bruchloser Betrieb über Zuständigkeitsgrenzen hinweg erlaubt und gefördert wird. Die entsprechenden technischen und organisatorischen Vorgaben sind hier zum Teil noch zu erstellen. (setzt Annahme von Ziffer 8 voraus)
- 11. Der Bundesrat sieht die Notwendigkeit, Teile des Richtlinienvorschlags intensiv zu diskutieren, insbesondere hinsichtlich der Festlegung der Mindestanforderungen an die Präzision, Verfügbarkeit, Erhebung und Umfang von Verkehrsdaten sowie die Präzision von digitalen Karten.
Die Gewinnung hochwertiger dynamischer Verkehrsdaten erfordert einen beträchtlichen Aufwand beim Aufbau und im Betrieb von Systemen. Entscheidungen für eine bestimmte Auslegung solcher Systeme
- 12. werden von den öffentlichen Verwaltungen (setzt Annahme von Ziffer 11 voraus)
- 13. - sofern sie nicht aus Sicherheitsgründen obligatorisch sind - vor dem Hintergrund volkswirtschaftlicher Überlegungen, vorhandener Haushaltsmittel oder übergeordneter Anforderungen getroffen. Nicht sachgerechte Vorgaben in diesen Bereichen können die Effizienz der eingesetzten Mittel gefährden, die planmäßige Umsetzung von Maßnahmen verzögern und zu Ungleichgewichten führen.
Im Bereich der digitalen Karten hat sich ein funktionierender Markt gebildet, der in der Lage ist, verschiedenartige Systeme mit europaweit einheitlichem kartographischen Material zu versorgen. Dies muss bei der Definition des weiteren Regelungsbedarfs berücksichtigt werden. (setzt Annahme von Ziffer 11 voraus)
- 14. Der Bundesrat ist der Auffassung, dass sich Berichtspflichten auf das notwendige Maß beschränken sollen. Überzogene Berichtspflichten können das eigentliche Ziel des Richtlinienvorschlags konterkarieren, ohne dass wirksame Beiträge für den Aufbau harmonisierter IVS-Anwendungen geleistet werden. Ein fachlich breit angesetzter Bericht, wie er im Vorschlag gefordert ist, löst auf regionaler oder kommunaler Ebene einen erheblichen Zusatzaufwand aus. Insbesondere die Angaben nach Nummer 1, 2 Buchstabe e [und Nummer 3 Buchstabe d] des Anhangs III sind daher auf stichprobenhafte Betrachtungen zu beschränken.
- 15. Privatwirtschaftliche Diensteanbieter entscheiden nach kommerziellen Gesichtspunkten. Es muss herausgearbeitet werden, zu welchen Aufwendungen die öffentlichen Verwaltungen verpflichtet sind und welche Aufwendungen die kommerziellen IVS-Dienste zu tragen haben.
- 16. Die Regelungen des Richtlinienvorschlags müssen im Detail betrachtet und in ihrem Nutzen, ihren Kosten und technisch/organisatorischen Konsequenzen beleuchtet werden. Der Bundesrat begrüßt, dass die Bundesregierung eine Arbeitsgruppe eingerichtet hat, die eine Bewertung der Regelungen im Einzelnen vornehmen soll und die Interessen von Bund und Ländern sowie der übrigen Beteiligten, insbesondere Kommunen und Privatwirtschaft, einbezieht. Darüber hinaus begrüßt es der Bundesrat, dass die Arbeitsgruppe, soweit sinnvoll, einen alternativen Richtlinienvorschlag erarbeiten wird.
B.
- 17. Der Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und Reaktorsicherheit empfiehlt dem Bundesrat, von der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG Kenntnis zu nehmen.