Der Bundesrat hat in seiner 931. Sitzung am 6. März 2015 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zu Artikel 1 Nummer 10 Buchstabe b ( § 123 Absatz 6 AktG)
Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob den Besonderheiten der Namensaktie durch die Festlegung eines eigenen Bestandsstichtages Rechnung getragen werden kann.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht vor, für Inhaber- und Namensaktien einen einheitlichen Bestandsstichtag für die Ausübung der Aktionärsrechte in der Hauptversammlung auf den Beginn des 21. Tages vor der Hauptversammlung festzulegen. Diese Regelung wird den Besonderheiten der Namensaktie nicht gerecht.
Für Inhaberaktien eignet sich der gewählte Bestandsstichtag durchaus. Inhaberaktionäre werden von ihren Depotbanken über die Hauptversammlung informiert und erhalten mit gleicher Post die Bestandsbestätigung, so dass die Depotbanken nur einmal versenden müssen. Bei Namensaktien ist die Ausgangslage anders. Hier ist weder eine Bestandsbestätigung noch eine Mitwirkung der Depotbank erforderlich. Da sich die Aktionärseigenschaft unmittelbar aus der Eintragung im Aktienregister ergibt, werden Namensaktionäre regelmäßig von der Gesellschaft selbst angeschrieben. Folglich besteht keine Notwendigkeit, die Feststellung der Teilnahme- und Stimmberechtigung durch Einführung eines weit vor der Hauptversammlung liegenden Bestandsstichtags von der Registereintragung künstlich abzukoppeln. Vielmehr sollte es dabei bleiben, dass die Aktionärseigenschaft anhand der Eintragung im Aktienregister am Tag der Hauptversammlung geprüft wird. Aus technischen Abwicklungsgründen ist dies meist auch der Bestand am Tag des Anmeldeschlusses, der in der Regel zwischen dem siebten und dem dritten Tag vor der Hauptversammlung liegt.
Ausländische Investoren sind häufig nicht selbst im Aktienregister eingetragen, sondern halten ihre Aktien über eine oder mehrere Depotbanken. Meist ist für sie eine deutsche Depotbank oder ein sogenannter Globalverwahrer im Aktienregister als "Fremdbesitzer" eingetragen. Um die Transparenz bei Namensaktien weiter zu erhöhen, sollte in Fällen des Fremdbesitzes die Registereintragung des wahren Aktionärs erleichtert, nicht erschwert werden. Würde man den Bestandsstichtag auf den 21. Tag vor der Hauptversammlung legen, würde dadurch das für eine Registereintragung der wahren Aktionäre verfügbare Zeitfenster stark schrumpfen, was vor allem zu Lasten ausländischer Aktionäre und deren Rechtswahrnehmung in der Hauptversammlung ginge.
Eine Vergrößerung des zeitlichen Abstandes zwischen Bestandsstichtag und Hauptversammlung würde außerdem die weitere Zunahme von WertpapierLeihegeschäften im Umfeld der Hauptversammlung bei Dividendentiteln provozieren. Solche Aktienleihen werden vereinbart, um internationale Unterschiede in der Dividendenbesteuerung zur Steuervermeidung zu nutzen. Diese Geschäfte sind fiskalisch unerwünscht und stehen dem Gebot gleichmäßiger Besteuerung ausgeschütteter Gewinne entgegen. Zudem wird ein Investor, dessen Aktien am Hauptversammlungstag verliehen sind, erfahrungsgemäß sein Stimmrecht oft nicht ausüben.
Beide Aspekte gefährden im Ergebnis eine sachgerechte Ausübung der Stimmrechte in der Hauptversammlung. Die Einführung eines frühen Bestandsstichtages könnte zu einer weiteren Präsenzminderung in Hauptversammlungen von Namensaktiengesellschaften führen und damit die Gefahr von Zufallsmehrheiten erhöhen.
Die Begründung des Gesetzentwurfs setzt sich mit diesen Problemen nicht auseinander. Zudem können die dort angeführten Argumente für einen einheitlichen Bestandsstichtag nicht überzeugen.
Artikel 7 Absatz 3 der Aktionärsrechterichtlinie erlaubt aus gutem Grund unterschiedliche Stichtage für Inhaberaktien und Namensaktien, sofern nicht eine Gesellschaft beide Aktiengattungen ausgegeben hat.
Unterschiedliche Bestandsstichtage haben in der Vergangenheit auch nicht zu "verwirrenden Signalen" an den Kapitalmärkten geführt. Maßgeblich ist die jeweilige Veröffentlichung in der Einladung zur Hauptversammlung mit den darin bekanntgegebenen Terminen. Dort werden die relevanten Stichtage jeweils klar kommuniziert. Tatsächlich zeigen große internationale Kapitalmärkte wie z.B. in den USA, dass ein einheitlicher Bestandsstichtag nicht notwendig ist.
Was die Festlegung des Stichtags betrifft, wäre bei Namensaktien ein Stichtag "21 Tage vor der Hauptversammlung" im europäischen Vergleich auch sehr ungewöhnlich; auf allen großen europäischen Kapitalmärkten gelten Stichtage zwischen null und sieben Tagen. Schließlich würde auch die Gefahr des "share blocking" durch eine längere Abwicklungszeit zwischen Bestandsstichtag und Anmeldeschlusstag eher vergrößert.
Als Folge sollte Artikel 1 Nummer 6 Buchstabe b gestrichen werden.
2. Zu Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe a (§ 139 Absatz 1 Satz 1), Nummer 17 Buchstabe a (§ 140 Absatz 2 Satz 2 AktG)
Der Bundesrat hält es für erforderlich, die Schaffung von dauerhaft stimmrechtslosen Vorzugsaktien ohne Recht auf Nachzahlung - insbesondere für Kreditinstitute im Sinne des § 1 KWG - zu ermöglichen.
Begründung:
Der Gesetzentwurf sieht in Artikel 1 Nummer 16 Buchstabe a (§ 139 Absatz 1 Satz 1 AktG) vor, dass das Recht auf Nachzahlung des Vorzugs nicht mehr als zwingendes Ausstattungsmerkmal stimmrechtsloser Vorzugsaktien anzusehen ist. Damit steht es den Gesellschaften zukünftig frei, sowohl Vorzugsaktien mit als auch ohne Nachzahlungsrecht auszugeben. Sofern sie von der zuletzt genannten Möglichkeit Gebrauch machen, sollen die Vorzugsaktionäre das Stimmrecht bereits dann erlangen, wenn der Vorzugsbetrag in einem Jahr teilweise nicht gezahlt wird, Artikel 1 Nummer 17 Buchstabe a (§ 140 Absatz 2 Satz 2 AktG).
Die Möglichkeit, Vorzugsaktien ohne Nachzahlungsrecht auszugeben, ist für Kreditinstitute grundsätzlich zu begrüßen, da dieses Instrument auch als Kernkapital anerkannt ist. Dies gilt insbesondere vor dem Hintergrund der steigenden Kapitalanforderungen sowie des Wegfalls von stillen Einlagen und Genussscheinen in der bisherigen Form als Kernkapital. Das Aufleben des Stimmrechts könnte allerdings bei Kreditinstituten mit geschlossenem Aktionärskreis dazu führen, dass das mit der Flexibilisierung der Vorzugsaktie verfolgte Ziel, die Erfüllung regulatorischer Vorgaben zu erleichtern, nicht erreicht wird. Der Nutzung des Instruments der Vorzugsaktie ohne Nachzahlungsrecht durch Kreditinstitute mit geschlossenem Aktionärskreis könnte entgegenstehen, dass diese Institute nachvollziehbar kein Interesse an einer möglichen Einflussnahme durch Dritte haben. Damit wird für diese Kreditinstitute dieses weitere Kernkapitalinstrument unattraktiv.
Ein dauerhafter Stimmrechtsausschluss stünde auch nicht im Widerspruch zu den Empfehlungen des Basler Ausschusses für Bankenaufsicht (Basel III) und den Vorgaben der Verordnung (EU) Nr. 575/2013 über Aufsichtsanforderungen an Kreditinstitute und Wertpapierfirmen (CRR), da sie nicht vorgeben, Vorzugsaktionären im Fall der Nichtgewährung eines Vorzugs ein Stimmrecht einzuräumen.
Im Übrigen sind permanent stimmrechtslose Vorzugsaktien in einigen anderen europäischen Rechtsordnungen anerkannt (z.B. Frankreich und Großbritannien). Für deutsche Kreditinstitute in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft bestünde damit bei der Kapitalbeschaffung ein erheblicher Wettbewerbsnachteil.
3. Zu Artikel 1 Nummer 28 (§ 394 Satz 4 - neu - AktG)
Artikel 1 Nummer 28 ist wie folgt zu fassen:
'28. Dem § 394 werden folgende Sätze angefügt:
"Die Berichtspflicht < ... wie Vorlage >. Dies gilt auch für Aufsichtsratsmitglieder, die auf Veranlassung einer der Rechtsaufsicht einer Gebietskörperschaft unterstehenden rechtsfähigen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind."'.
Begründung:
Bisher regelt § 394 AktG nur das Verhältnis einer bestehenden Berichtspflicht eines auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählten oder entsandten Aufsichtsratsmitglieds zur grundsätzlichen Verschwiegenheitspflicht gemäß § 93 Absatz 1 Satz 3 und § 116 AktG. Das Fehlen einer Regelung über die Begründung der Berichtspflicht ist angesichts der Strafbarkeit gemäß § 404 AktG bei einem Verstoß gegen die aktienrechtliche Verschwiegenheitspflicht ein latentes Problem für Mandatsträger der öffentlichen Hand. Es ist daher zu begrüßen, dass im Gesetzentwurf eine klarstellende Regelung zur Begründung der Berichtspflicht für auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft in den Aufsichtsrat gewählte oder entsandte Aufsichtsratsmitglieder aufgenommen worden ist.
Regelungsbedarf besteht über die im Gesetzentwurf vorgesehene Regelung hinaus, wenn Aufsichtsratsmitglieder auf Veranlassung einer der Rechtsaufsicht einer Gebietskörperschaft unterstehenden rechtsfähigen Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts in den Aufsichtsrat gewählt oder entsandt worden sind. Beispiele aus den Bereichen der Länder und Kommunen sind die Tochtergesellschaften von Universitäten, Universitätskliniken, öffentlichrechtlichen Banken und Sparkassen. Diese Beteiligungen werden ebenfalls von einem öffentlichen Zweck getragen, daher besteht hier dasselbe Regelungsbedürfnis wie für Gebietskörperschaften.
GmbH-Beteiligungen von Anstalten etc. (z.B. Universitäten und Unikliniken, Banken etc.) sind sehr häufig. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung nimmt mit § 394 AktG über § 52 GmbHG zu Recht auch GmbHs in Bezug. Deren Aufsichtsratsmandatsträger unterliegen einer vergleichbaren Verschwiegenheitsproblematik. Da die Thematik nicht selbständig im GmbHG, sondern rechtstechnisch über einen Verweis auf § 394 AktG geregelt wird, ist dort eine Erweiterung des Kreises der juristischen Personen des öffentlichen Rechts erforderlich.
Der Hinweis der Gegenäußerung der Bundesregierung zur Aktienrechtsnovelle 2012/VorstKoG (BT-Drucksache 17/8989, Seite 27) auf Beherrschungsverträge etc. deckt die Vielgestaltigkeit der Beteiligungserfordernisse nicht ab. In vielen Fällen geht es gerade darum, mit Dritten eine gemeinsame Beteiligung einzugehen, die keine dominierende Rolle der öffentlichen Hand beabsichtigt. Außerdem wirken diese Instrumente primär nicht auf der Ebene der Mandatsträger im Aufsichtsrat, sondern zwischen Gesellschafter und GmbH-Geschäftsführung bzw. AG-Vorstand. Die Bezugnahme der Änderung auf die Rechtsaufsicht über die juristischen Personen des öffentlichen Rechts dient der Einbeziehung der mittelbaren Staats- und Kommunalverwaltung, für die die öffentliche Interessenlage und grundsätzliche verfassungsrechtliche Ausrichtung an einer demokratischen Legitimation vergleichbar der der Gebietskörperschaften ist. Daher ist der bisherige § 394 AktG unzureichend.
Außerdem wird klargestellt, dass das eine Berichtspflicht begründende Rechtsgeschäft zwischen Gebietskörperschaft und Mandatsträger abgeschlossen wird.
Die Begründung des Gesetzentwurfs enthält zudem nicht mehr die Passage "Eine gesetzliche Berichtspflicht kann unter anderem als Nebenpflicht aus einem Beamtenverhältnis resultieren. Auch hier kann es sich anbieten, diese Nebenpflicht gegebenenfalls schriftlich zu verdeutlichen und zu konkretisieren." (vgl. Begründung, B. Besonderer Teil, zu Nummer 21, letzter Absatz in BT-Drucksache 17/8989, Seite 21 der der Diskontinuität unterfallenen Aktienrechtsnovelle 2012/VorstKoG). Diese Erläuterung gilt nach wie vor; sie gibt den ein Aufsichtsratsmandat wahrnehmenden Beamten Rechtssicherheit.
Da der Gesetzentwurf der Schaffung von Rechtsklarheit dient, wird auch auf die Gegenäußerung der Bundesregierung (BT-Drucksache 17/8989, Seite 27) Bezug genommen, wonach das Kriterium "auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft gewählt oder entsandt" auch dann erfüllt ist, wenn die Gebietskörperschaft lediglich mittelbar an der Aktiengesellschaft (Enkelgesellschaft) beteiligt ist, ohne dass eine Mindesthöhe der Beteiligung oder eine Mehrheitsbeteiligung an einem zwischengeschalteten Unternehmen (Tochtergesellschaft) erforderlich ist.
Es wird darauf hingewiesen, dass im Vorblatt und in der allgemeinen Begründung des Gesetzentwurfs wohl auf Grund eines Redaktionsversehens nur die entsandten und nicht die auf Veranlassung einer Gebietskörperschaft gewählten Aufsichtsratsmitglieder genannt werden (vgl. Vorblatt Abschnitt A Absatz 6; Allgemeine Begründung Teil I Absatz 6).
4. Zu Artikel 5a - neu - (§ 94 Absatz 1 und Absatz 2 -neu-, § 96 Absatz 1 GVG)
Nach Artikel 5 ist folgender Artikel 5a einzufügen:
'Artikel 5a
Änderung des Gerichtsverfassungsgesetzes
Das Gerichtsverfassungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 9. Mai 1975 (BGBl. I S. 1077), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 94 wird wie folgt gefasst:
§1 94
- (1) Ist bei einem Landgericht eine Kammer für Handelssachen gebildet, so entscheidet diese in den Fällen des § 95 Absatz 2 anstelle der Zivilkammern, soweit nicht die Zuständigkeit des Vorsitzenden der Kammer für Handelssachen begründet ist.
- (2) In den Fällen des § 95 Absatz 1 tritt die Kammer für Handelssachen an die Stelle der Zivilkammern nach Maßgabe der folgenden Vorschriften."
2. In § 96 Absatz 1 werden die Wörter "Der Rechtsstreit wird" durch die Wörter "Liegt kein Fall des § 95 Absatz 2 vor, so wird der Rechtsstreit" ersetzt.'
Begründung:
Das am 1. September 2009 in Kraft getretene FGG-Reformgesetz (FGG-RG) vom 17. Dezember 2008 (BGBl. I S. 2586) hat einerseits den Begriff der Handelssachen nach § 95 GVG erweitert (vgl. Artikel 22 Nummer 11 und 13 FGGRG), andererseits bestimmte gesetzlich angeordnete Zuständigkeiten der Kammer für Handelssachen, die unabhängig von entsprechenden Parteianträgen (§§ 96, 98 GVG) galten, aufgehoben. Dabei handelte es sich um folgende Vorschriften:
- - § 2 Absatz 2 SpruchG (Artikel 42 Nummer 1 Buchstabe b FGG-RG), der alle Fälle des § 1 SpruchG betrifft;
- - § 98 Absatz 1 Satz 1 AktG (Artikel 74 Nummer 6 FGG-RG);
- - § 142 Absatz 5 AktG (Artikel 74 Nummer 12 Buchstabe a FGG-RG);
- - § 145 Absatz 5 AktG (Artikel 74 Nummer 13 FGG-RG);
- - § 132 Absatz 1 Satz 2 bis 4 (Artikel 74 Nummer 11 Buchstabe a FGG-RG).
Die Streichungen haben dazu geführt, dass einschlägige Sachen - sofern die Parteien keine Anträge nach §§ 96, 98 GVG stellen - vor die allgemeinen Zivilkammern gelangen und auch nicht mehr von Amts wegen an die Kammern für Handelssachen abgegeben werden können. Seit Inkrafttreten des FGGReformgesetzes ist daher nicht mehr sichergestellt, dass die betreffenden Materien bei Spruchkörpern behandelt werden, die über das erforderliche Spezialwissen und oft langjährige Erfahrung mit diesen Materien verfügen.
Diese Rechtslage stellt - worauf der Bundesrat seit Jahren hinweist - die Gerichte vor erhebliche Probleme. Denn in der Praxis ist eine Antragstellung nach §§ 96 ff. GVG im Einzelfall nicht zuverlässig zu erreichen; andererseits sind die Materien des § 95 Absatz 2 GVG nur mit Spezialwissen sachgerecht zu bewältigen. Bei der Verteilung im allgemeinen Zivilturnus besteht zudem die Gefahr, dass wichtige und aufwändige Verfahrensschritte - etwa Unternehmensbewertungen - mehrfach durchgeführt werden müssen, dass zugleich aber unterschiedliche Spruchkörper bezogen auf identische Sachverhalte zu divergierenden Ergebnissen gelangen. Dies wiegt umso schwerer, als die gerichtlichen Entscheidungen in den genannten Fällen zum Teil nicht nur gegenüber den Beteiligten, sondern gegenüber jedermann wirken (vgl. z.B. für die in § 98 AktG geregelte gerichtliche Entscheidung über die Zusammensetzung des Aufsichtsrats § 99 Absatz 5 Satz 2 AktG).
Diese Schwierigkeiten lassen sich beheben, indem für bestimmte Spezialmaterien eine antragsunabhängige Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen begründet wird. Im Interesse einer übersichtlichen Regelung verweist § 94 Absatz 1 GVG-E wegen dieser Zuständigkeiten insgesamt auf § 95 Absatz 2 GVG. Bei den dort aufgeführten Spezialmaterien ist die parallele Zuständigkeit der allgemeinen Zivilkammern und der Kammern für Handelssachen typischerweise nicht sinnvoll, vielmehr eine gesetzliche Zuständigkeitszuweisung an die Kammer für Handelssachen sachangemessen.
Als Folge ist § 246 Absatz 3 Satz 2 AktG aufzuheben.
5. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren zu prüfen, durch welche zivilrechtliche Regelung sichergestellt werden kann, dass die wirtschaftlichen Interessen von Minderheitsaktionären von Aktiengesellschaften, deren Aktien zum Handel an einer Börse zugelassen sind, im Falle eines Rückzuges der Gesellschaft von der Börse ausreichend geschützt werden.
Begründung:
In einer richtungsweisenden Entscheidung hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2002 zunächst festgelegt, dass für das Delisting einer Aktiengesellschaft von der Börse ein Hauptversammlungsbeschluss notwendig sei und die Aktiengesellschaft den Aktionären ein Abfindungsangebot für die Aktien machen müsse (Macrotron-Urteil).
Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) entschied im Jahr 2012, dass ein Delisting grundsätzlich nicht den Schutzbereich des Eigentumsrechts eines Aktionärs ( Artikel 14 Absatz 1 des Grundgesetzes) berühre. Diese Rechtsprechung des BVerfG nahm der BGH nun auf und stellte fest, dass der Grundrechtsschutz nicht mehr als Argument für die Erfordernisse einer Hauptversammlungsentscheidung sowie eines Abfindungsangebots angeführt werden könne. Auch andere Vorschriften, insbesondere das Aktiengesetz selbst, könnten nicht als Rechtsgrundlage für die Notwendigkeit eines Hauptversammlungsbeschlusses dienen.
Durch diesen Wandel in der höchstrichterlichen Rechtsprechung verlieren die Aktionäre von an der Börse zum Handel zugelassenen Aktiengesellschaften den Schutz, den die richterliche Rechtsfortbildung jahrelang gewährleistet hat. Ferner wird durch die Meinungsänderung der obersten Gerichte deutlich, dass die Abwägung der Eigentumsrechte der Aktionäre gegen die Interessen der Aktiengesellschaften sich in einem engen Grenzbereich bewegt. Minderheitsaktionäre laufen im Falle eines Antrags auf Widerruf der Zulassung der von ihnen gehaltenen Aktien allerdings Gefahr, ab Zeitpunkt der Antragstellung den Börsenwert ihrer Stimmrechte nahezu gänzlich zu verlieren. Denn die Nachfrage nach Aktien, die in Kürze nicht mehr börslich handelbar sind, wird regelmäßig einbrechen. Vor Änderung der Rechtsprechung des BGH geschah dies zwar nicht, dies beruhte aber auf dem Umstand, dass in der Vergangenheit den Minderheitsaktionären ein Abfindungsangebot zu machen war.
Zwar darf nach § 39 Absatz 2 BörsG der Widerruf der Zulassung eines Wertpapiers auf Antrag des Emittenten nicht dem Schutz der Anleger widersprechen, wobei das Nähere durch die Börsenordnung der jeweiligen Börse zu regeln ist. Dies stellt jedoch keine hinreichende Alternative zu einer zivilrechtlichen Regelung z.B. im Aktiengesetz oder im Umwandlungsgesetz dar. Denn zum einen liegt die Ausgestaltung in der Börsenordnung grundsätzlich in der Entscheidungszuständigkeit des Börsenrates der jeweiligen Börse, so dass ein bundeseinheitlicher Schutz der Interessen von Minderheitsaktionären hierüber nicht zu gewährleisten ist. Im Übrigen betreffen das eventuelle Erfordernis eines Hauptversammlungs-Beschlusses sowie eventuelle Entschädigungsregelungen die internen Vorgänge innerhalb einer Aktiengesellschaft bzw. das Verhältnis der Aktionäre zu der Gesellschaft. Diese sind umfassend zivilrechtlich ausgestaltet. Durch eine börsenrechtliche Bestimmung würden diese öffentlichrechtlich ausgestaltet und damit systemwidrig gegebenenfalls der Überprüfung durch die Verwaltungsgerichte unterworfen.
Die Entscheidung, wie weit der Schutz der Aktionäre im Fall eines Delistings geht, sollte daher vom Gesetzgeber zivilrechtlich z.B. im Aktiengesetz oder im Umwandlungsgesetz getroffen werden.