C(2018) 3129 final
Europäische Kommission
Brüssel, 29.05.2018 C(2018) 3129 final
Herrn Michael MÜLLER
Bundesratspräsident
Leipziger Straße 3 - 4
D - 10117 Berlin
Sehr geehrter Herr Bundesratspräsident,
die Kommission dankt dem Bundesrat für seine Stellungnahme zum Vorschlag für eine Richtlinie des Rates zur Änderung der Richtlinie 2006/112/EG über das gemeinsame Mehrwertsteuersystem in Bezug auf die Mehrwertsteuersätze (COM (2018) 20 final).
Der Vorschlag ist Teil des im Mehrwertsteuer-Aktionsplan (COM (2016) 148 final) der Kommission vom 7. April 2016 angekündigten Reformpakets. Mit diesem Paket soll ein robuster einheitlicher europäischer Mehrwertsteuerraum geschaffen werden, für den ein einfacheres und weniger betrugsanfälliges endgültiges Mehrwertsteuersystem für den Handel innerhalb der Union errichtet werden soll. Dieser Vorschlag bezweckt vor allem, den Mitgliedstaaten bei der Festsetzung der Mehrwertsteuersetze mehr Flexibilität zu gewähren und Gleichbehandlung zwischen den Mitgliedstaaten zu schaffen.
Die Kommission nimmt die Sorge des Bundesrates in Bezug auf ihr Vorhaben, den Anwendungsbereich für stark ermäßigte Steuersätze oder Nullsteuersätze über Online-Zeitungen und -Zeitschriften und E-Books hinaus zu vergrößern, zur Kenntnis. Allerdings erlaubt auch die derzeit geltende Mehrwertsteuer-Richtlinie bereits den Mitgliedstaaten, mittels Ausnahmeregelungen von den allgemeinen Bestimmungen abzuweichen und Steuersätze von weniger als 5 % anzuwenden. Deutschland wendet einen Nullsatz gegenwärtig auf Personenbeförderungsleistungen im internationalen Luft- und Seeverkehr und im Binnenschiffsverkehr an. Auf dem Weg zu einem endgültigen Mehrwertsteuersystem sollten Ausnahmeregelungen durch allgemeine Bestimmungen ersetzt werden, durch die alle Mitgliedstaaten gleich behandelt werden.
Zu diesem Zweck hat die Kommission vorgeschlagen, den derzeitigen Freiraum der Mitgliedstaaten bei der Festsetzung von Mehrwertsteuersätzen nicht einzuschränken und diesen Freiraum, der momentan nur einigen Mitgliedstaaten zur Verfügung steht, allen Mitgliedstaaten zu gewähren.
Die Kommission nimmt die Sorge des Bundesrates, dass jede Differenzierung bei den Steuersätzen die Rechtsanwendung verkompliziert und eine Steigerung der Befolgungskosten für grenzüberschreitend tätige Unternehmen unbedingt vermieden werden sollte, ernst. In dem Vorschlag wird auf diese Bedenken dahingehend eingegangen, dass eine Mehrwertsteuer-Klassifizierung vorgesehen wird, die zur strukturierten Information über ermäßigte Sätze in einem den Unternehmen zugänglichen Internet-Portal verwendet werden kann. Zudem müssen ermäßigte Sätze gemäß den vorgeschlagenen neuen Regeln stets dein Endverbraucher zugute kommen. Das würde generell zu einer Vereinfachung im Geschäftsverkehr zwischen Unternehmen führen.
Die Kommission nimmt die Schlussfolgerung des Bundesrats zur Kenntnis, dass eine Differenzierung bei den Steuersätzen daher grundsätzlich vermieden werden sollte. Auch wenn sie die Befürchtung, dass jede Differenzierung bei den Steuersätzen die Rechtsanwendung verkompliziert, ernst nimmt, kann sie der Schlussfolgerung, dass sie deshalb grundsätzlich vermieden werden sollte, nicht vollumfänglich zustimmen. Wie der Bundesrat selbst zurecht darlegt, trägt die ermäßigte Besteuerung von Büchern, Zeitungen und Zeitschriften wesentlich zur Information und zur selbständigen Meinungsbildung der Bürgerinnen und Bürger bei.
Schließlich nimmt die Kommission zur Kenntnis, dass der Bundesrat es für erforderlich hält, den Harmonisierungsgrad des Mehrwertsteuersystems weiter zu steigern, um etwaige Wettbewerbsverzerrungen insbesondere im grenznahen Bereich durch eine unterschiedliche Anwendung der Steuersätze zu vermeiden. Auch die Kommission hält eine Einschränkung der Anwendung ermäßigter Sätze aus diesem Grund für erforderlich. Deswegen enthält der Anhang zu ihrem Vorschlag eine Liste von Waren und Dienstleistungen, auf die grundsätzlich der Normalsatz angewendet werden soll. Dort werden insbesondere hochwertige und leicht beförderbare Waren aufgeführt, bei denen die Endverbraucher einen Anreiz haben könnten, sie wegen ermäßigter Steuersätze im Ausland zu beschaffen.
Die Kommission hofft, dass die vom Bundesrat angesprochenen Punkte mit diesen Ausführungen geklärt werden können, und sieht der Fortsetzung des politischen Dialogs erwartungsvoll entgegen.
Mit freundlichen Grüßen
Frans Timmermans Pierre Moscovici
Erster Vizepräsident Mitglied der Kommission