Der Bundesrat hat in seiner 917. Sitzung am 29. November 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat unterstützt das Anliegen der Kommission, den Binnenmarkt im Bereich der elektronischen Kommunikation zu stärken. Er begrüßt im Grundsatz die Initiative der Kommission für weitere Maßnahmen zur Verwirklichung eines Binnenmarktes der elektronischen Kommunikation. Gleichwohl sieht der Bundesrat mit Sorge, dass mit diesem Verordnungsvorschlag die schon länger zu beobachtende Tendenz zu weiteren Verlagerungen von nationalen Kompetenzen auf die EU-Ebene beschleunigt wird. Das in Deutschland bestehende hohe nationale Regelungs- bzw. Schutzniveau, das in Teilen weit über die vorgeschlagenen EU-Vorgaben hinausgeht, droht so durch eine bindende EU-Verordnung konterkariert zu werden.
- 2. Der Bundesrat erkennt die besondere Schwierigkeit, treffende Formulierungen zur Regelung einer so vielschichtigen und technisch anspruchsvollen Materie zu finden, und begrüßt die grundsätzliche Bereitschaft der Kommission, diese Herausforderung anzunehmen. Er weist jedoch darauf hin, dass das gewählte Instrument einer Verordnung wegen seiner unmittelbaren Wirkung stets besonders hohen Ansprüchen an Bestimmtheit und Praktikabilität der darin normierten Regeln genügen muss. Vor diesem Hintergrund erachtet der Bundesrat die vielfache Verwendung von unbestimmten Rechtsbegriffen im vorliegenden Verordnungsvorschlag als problematisch. In Kernbereichen der Regelung (z.B. Artikel 23 Absatz 2 und 5, Artikel 24 Absatz 1 und 2) lässt der Verordnungstext unangemessen viel Interpretationsspielraum für Normadressaten und nationale Gerichte und lässt eindeutige Definitionen vermissen. Dies trägt weder zur Rechtssicherheit noch zur Schaffung einheitlicher Rahmenbedingungen im Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation bei.
- 3. Der Bundesrat bezweifelt insbesondere, ob eine unmittelbar geltende und verbindliche Verordnung zur Änderung des aus verschiedenen Richtlinien bestehenden EU-Rechtsrahmens erforderlich ist. Er befürchtet vielmehr, dass eine EU-Verordnung zu rechtlichen Unklarheiten und Abgrenzungsproblemen im Verhältnis zu dem geltenden Richtlinienpaket führen würde. Der Bundesrat lehnt daher - mit Ausnahme für den Bereich Roaming - eine Regelung in Form einer EU-Verordnung ab und spricht sich für eine Empfehlung im Sinne von Artikel 288 AEUV aus. Allenfalls eine Richtlinie der EU kann noch als angemessen gewertet werden.
- 4. Der Bundesrat nimmt in diesem Zusammenhang zur Kenntnis, dass dieser Vorschlag vor dem Hintergrund des Kommissionsvorschlags für eine Verordnung des Europäischen Parlaments und des Rates über Maßnahmen zur Reduzierung der Kosten des Ausbaus von Hochgeschwindigkeitsnetzen für die elektronische Kommunikation verabschiedet wird. Er verweist insofern auf seine in der Stellungnahme vom 3. Mai 2013 (BR-Drucksache 240/13(B) ) geäußerte Kritik an dieser Verordnung.
- 5. Der Bundesrat erkennt in dem Verordnungsvorschlag der Kommission eine deutliche Verschiebung der bisherigen Zielsetzung der europäischen Rahmenrechtsetzung von der bislang angestrebten Wettbewerbsförderung nationaler Telekommunikationsmärkte hin zu einer europäischen zentral gesteuerten Marktkonsolidierung zugunsten großer nationaler oder transnationaler Unternehmen. Der Bundesrat hegt demgegenüber allerdings erhebliche Zweifel daran, dass die Wettbewerbsfähigkeit der EU gegenüber asiatischen oder amerikanischen Ländern durch die regulatorische Einschränkung des Wettbewerbs gesteigert werden kann, und erinnert daran, dass der bisherige Telekommunikationsinfrastrukturaufbau vor allem das Ergebnis eines wettbewerblichen Umfelds ist.
- 6. In Zusammenhang mit der vorstehenden Ziffer wäre es nach Auffassung des Bundesrates zumindest intensiv zu untersuchen, ob eine Exante-Regulierung tatsächlich bereits dann nicht mehr erforderlich ist, wenn auf einem Markt lediglich zwei NGA-Netze vorhanden sind (Erwägungsgrund 38). Im Sinne eines einheitlichen europäischen Binnenmarktes für elektronische Kommunikation könnte dieses bedeuten, dass europaweit bereits zwei NGA-Netze bzw. Netzanbieter ausreichend wären, um für einen ausreichenden innovationsfördernden Wettbewerb zum Wohle der Verbraucherinnen und Verbraucher sowie für steigende gesamtwirtschaftliche Wohlfahrt zu sorgen. Der Bundesrat hegt hieran zumindest zum jetzigen Zeitpunkt erhebliche Zweifel und lehnt diesbezüglich vorschnelle Festlegungen im jetzigen Erkenntnisstadium ab.
- 7. Ebenso bezweifelt der Bundesrat, dass die europaweite Vorgabe eines einzigen harmonisierten (virtuellen) Vorleistungsproduktes ausreichend wäre, um den unterschiedlichen Marktgegebenheiten und -anforderungen in den europäischen Mitgliedstaaten gebührend Rechnung zu tragen. Der Bundesrat hegt im Gegenteil auch erhebliche eigentumsrechtliche Bedenken, dass eine solche Lösung bereits getätigte Infrastrukturinvestitionen, die auf einem physischen Netzzugang basieren, entwertet und bestehende Geschäftsmodelle vor allem mittelständischer Unternehmen quasi enteignet werden könnten.
- 8. Der Bundesrat sieht auch die Harmonisierungsregelungen im Bereich der Frequenzregulierung bzw. des Vergabeverfahrens kritisch und erinnert an den Grundsatz, dass die EU im Bereich Binnenmarkt nur tätig werden darf, sofern und soweit die Ziele der in Betracht gezogenen Maßnahmen von den Mitgliedstaaten weder auf zentraler noch auf regionaler oder lokaler Ebene ausreichend verwirklicht werden können, sondern vielmehr wegen ihres Umfangs oder ihrer Wirkungen auf EU-Ebene besser zu verwirklichen sind. Die nationale Hoheit der Funkfrequenzverwaltung hat sich bisher als geeignetes und effizientes Mittel erwiesen, um das in der Frequenzpolitik notwendige Gleichgewicht zwischen wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Aspekten zu wahren. Ein Mehrwert ist bei der vorgeschlagenen Regelung durch die Kommission nicht zu erwarten. Der Bundesrat lehnt daher die Vorschläge einer Harmonisierung der Frequenzvoraussetzungen ab.
Zum Umfang der Harmonisierung
- 9. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, es den Mitgliedstaaten zu überlassen, in dem unter die vorgeschlagene Verordnung fallenden Bereich strengere Vorschriften zum Schutze des Verbrauchers zu erlassen oder aufrechtzuerhalten (Mindestharmonisierung). Die Vollharmonisierung von Endnutzerrechten ist aus Sicht deutscher Verbraucherinnen und Verbraucher nachteilig. So müsste zum Beispiel die bislang im Telekommunikationsgesetz vorgesehene sehr umfassende und weitergehende Regelung zum Anbieterwechsel mit der Vollharmonisierung aufgehoben werden. Eine im Verordnungsvorschlag vorgesehene Vollharmonisierung von Endnutzerrechten einschließlich der Regelungen zur Erleichterung des Anbieterwechsels ist deshalb abzulehnen. Aus Verbrauchersicht muss das Ziel sein, Endnutzerrechte und den Anbieterwechsel im Wege einer Mindestharmonisierung auf hohem Schutzniveau zu regeln.
- 10. Ein Vergleich mit den kundenbezogenen Schutzvorschriften des deutschen Telekommunikationsgesetzes macht deutlich, dass die von der Kommission vorgeschlagenen Regelungen unvollständig sind und nicht alle regelungsbedürftigen Aspekte im Verhältnis zwischen den Anbietern elektronischer Kommunikation und den Kunden erfassen. Beispielsweise fehlt das Recht, bestimmte Rufnummernbereiche oder die Identifizierung des Mobilfunkanschlusses über die sogenannte WAP-Schnittstelle zu sperren. Auch ist unklar, ob im Falle einer vollharmonisierenden Regelung der Schutz der Kunden vor kostenpflichtigen Warteschleifen weiter aufrechterhalten werden kann. Sollte trotz der dargelegten Bedenken an einer Vollharmonisierung festgehalten werden, bedarf es der Klarstellung, dass sich diese auf die tatsächlich geregelten Aspekte beschränkt und darüber hinaus keinerlei Sperrwirkung entfaltet.
Zur EU-weiten Genehmigung
- 11. Der Bundesrat spricht sich für eine Streichung der Regelungen für eine EU-weite Genehmigung (Kapitel II Artikel 3 bis 7 des Verordnungsvorschlags) aus, dies im Wesentlichen aus folgenden Gründen:
- - Hinsichtlich des Ziels der Beschleunigung des Aufbaus von elektronischen Kommunikationsnetzen wird bezweifelt, dass ein europäischer Binnenmarkt der elektronischen Kommunikation grenzübergreifende Investitionen in elektronische Kommunikationsnetze fördern würde und dass die einzelnen vorgeschlagenen Maßnahmen zu mehr Wettbewerb bei den digitalen Infrastrukturen und deren Qualität führen dürften. Die unzureichenden Investitionen von Wirtschaftsunternehmen in leitungsgebundene elektronische Kommunikationsnetze haben ihre Ursache darin, dass der Auf- und Ausbau dieser Netze aufgrund der aufwändigen und teuren Bauarbeiten (Erdaushub für die Kabel u. ä.) betriebswirtschaftlich gesehen nicht rentabel ist, und nicht darin, dass Unternehmen Hindernissen beim Auf- und Ausbau von Netzen ausgesetzt sind. Dies gilt insbesondere hinsichtlich des "Hindernisses" eines Genehmigungsverfahrens. In Deutschland gibt es keine Genehmigung für das Bereitstellen elektronischer Kommunikationsnetze und Kommunikationsdienste. Die im Telekommunikationsgesetz früher enthaltene Lizenzpflicht ist im Jahr 2004 im Rahmen der Umsetzung der Genehmigungsrichtlinie (Richtlinie 2002/20/EG), in der die Einführung einer Allgemeingenehmigung für alle elektronischen Kommunikationsnetze und -dienste vorgeschlagen wird, entfallen.
- - Auch im Hinblick auf das Ziel der grenzübergreifenden Bereitstellung elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste durch Betreiber elektronischer Kommunikationsnetze erscheint eine EU-weite Genehmigung nicht das geeignete Mittel zu sein. Zwar kann eine Vereinheitlichung von Genehmigungsverfahren für europaweit agierende Unternehmen grundsätzlich den Verwaltungsaufwand für die Antragstellerinnen und Antragsteller verringern. Soweit es - wie in Deutschland - eine Genehmigung für das Bereitstellen elektronischer Kommunikationsnetze und -dienste jedoch nicht gibt, wäre die Einführung einer (EU-weiten) Genehmigung eine unnötige Belastung für die Unternehmen. Die in Deutschland bestehende Meldepflicht stellt einen nur unerheblichen Verwaltungsaufwand für die Unternehmen dar. Eine Übertragung der Befugnisse bezüglich der Meldepflicht von den Gastmitgliedstaaten auf den Heimatmitgliedstaat würde dagegen einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Verfahrensrechte sowie die sonstigen Regularien und Befugnisse der Gastmitgliedstaaten darstellen. Ein geeigneteres Mittel als die Einführung einer EU-weiten Genehmigung in einer EU-Verordnung wäre das Ersetzen der Genehmigungspflicht durch eine Meldepflicht auf zentraler bzw. auf regionaler oder lokaler Ebene der Mitgliedstaaten.
- - Darüber hinaus bestehen gegen das in Kapitel II der vorgeschlagenen Verordnung vorgesehene Verfahren zur Aussetzung und Entziehung der Rechte europäischer Anbieter erhebliche Bedenken. Eine Übertragung der Befugnisse bezüglich der Aussetzung und Entziehung der Rechte europäischer Anbieter von den Gastmitgliedstaaten auf den Heimatmitgliedstaat würde einen unverhältnismäßigen Eingriff in die Befugnisse der Gastmitgliedstaaten darstellen.
Zur Frequenzvergabe
- 12. Der Bundesrat lehnt es ab, dass Frequenzen in dem Verordnungsvorschlag allein als Wirtschaftsgut betrachtet werden. Der Bundesrat erinnert daran, dass Frequenzen notwendige Voraussetzung für den Zugang und die Verbreitung von Kulturgütern sind. Dies gilt insbesondere für den Rundfunk und seine terrestrische Übertragung.
- 13. Er hebt hervor, dass die lineare Verbreitung massenattraktiver Inhalte über terrestrische Rundfunknetze erheblich effizienter ist als die lineare Verbreitung dieser Inhalte über funkgestützte Breitbandnetze.
- 14. Der Bundesrat stellt zu Erwägungsgrund 18 fest, dass die mitgliedstaatliche Kompetenz zur Zuteilung von Frequenzen in den Bereichen öffentliche Ordnung und öffentliche Sicherheit aufgrund der verfassungsrechtlichen Stellung des Rundfunks auch Frequenzen für den Rundfunk mit umfasst.
- 15. Er unterstreicht, dass es im Gegensatz zur Aussage in Erwägungsgrund 20 in Deutschland auf absehbare Zeit nicht möglich sein wird, das 700-MHz-Band für die drahtlose Breitbandkommunikation zur Verfügung zu stellen.
Zur Netzneutralität
- 16. Der Bundesrat nimmt die Intention der Kommission zur Kenntnis, die "Bereitstellung und Inanspruchnahme eines offenen Internetzugangs" - ein Thema, welches derzeit unter dem Stichwort "Netzneutralität" auch auf nationaler Ebene intensiv diskutiert wird - zu regeln. Er ist der Ansicht, dass der vorliegende Verordnungsvorschlag nicht geeignet ist, um eine gleichberechtigte und uneingeschränkte Teilhabe der Bürgerinnen und Bürger am offenen Internet als einem zentralen Medium unserer Informationsgesellschaft zu gewährleisten. Der Bundesrat stellt insbesondere fest, dass mit den vorgeschlagenen Regelungen offensichtlich eine Abkehr vom offenen Internet einhergeht, und äußert insbesondere seine Bedenken gegen die grundlegende Unterscheidung zwischen Internetzugangsdiensten und Spezialdiensten.
- 17. Der Bundesrat vertritt die Auffassung, dass alle Datenpakete im Rahmen der elektronischen Kommunikation unabhängig von Inhalt, Anwendung, Herkunft und Ziel grundsätzlich gleich behandelt werden müssen. Dies ist nicht nur Voraussetzung für Innovation und einen funktionierenden Wettbewerb, sondern auch eine zentrale Voraussetzung für die Freiheit der Meinungsäußerung, die Informationsfreiheit (Artikel 11 Europäische Grundrechtecharta), die unternehmerische Freiheit (Artikel 16 Europäische Grundrechtecharta) und ein hohes Verbraucherschutzniveau (Artikel 38 Europäische Grundrechtecharta).
- 18. Der Bundesrat weist darauf hin, dass in dem Verordnungsvorschlag der Begriff "Netzneutralität" nicht eindeutig definiert ist. Der Begriff "Netzneutralität" wird lediglich in den Ziffern 2.1 und 3.6 der Begründung zum Verordnungsvorschlag verwendet. Er ist der Auffassung, dass jeder Regelung der Netzneutralität die anerkannte Definition zugrunde zu legen ist, wonach Netzneutralität die Gleichbehandlung aller Daten im Internet unabhängig von Inhalt, Dienst, Anwendung, Anbieter, Herkunft oder Ziel bedeutet. Die Begriffsverwendung der Kommission erfasst nur Teilaspekte der Netzneutralität und führt daher zu unvollständigen Regelungsansätzen.
- 19. Jegliche Abweichungen von diesem Grundsatz sollten nach Auffassung des Bundesrates nur auf Grund eines abschließenden Katalogs von eng definierten Ausnahmen mit objektiv überprüfbaren Kriterien zulässig sein. Der vorliegende Verordnungsvorschlag trägt dieser Anforderung nicht angemessen Rechnung.
- 20. Der Bundesrat äußert Bedenken hinsichtlich der in Artikel 23 vorgenommenen grundlegenden Unterscheidung zwischen "Spezialdiensten" der Telekommunikationsanbieter und den sonstigen "Internetzugangsdiensten". Innerhalb der begrenzten Übertragungskapazitäten am jeweiligen Breitbandanschluss des Endkunden beanspruchen solche Spezialdienste eine höhere Übertragungsqualität und treten so in einen Verdrängungswettbewerb mit den übrigen Inhalten, Diensten und Anwendungen des nach dem Best-Effort-Prinzip funktionierenden, offenen Internets. Eine solche Unterscheidung macht Investitionen in den weiteren Breitbandausbau und das offene Internet wirtschaftlich unattraktiv und schafft stattdessen Anreize zur Verschlechterung und Diskriminierung aller Inhalte, Anwendungen und Dienste, die keinen Spezialdienst des jeweiligen Telekommunikationsanbieters darstellen. Nach Ansicht des Bundesrates kann eine solche Unterscheidung kurz- oder mittelfristig zur Etablierung eines Zwei-Klassen-Internets auf Anbieter- und Endnutzerseite führen.
- 21. Der Bundesrat lehnt ferner die in Artikel 23 Absatz 2 vorgesehene Gleichordnung von offenem Internet und Spezialdiensten (managed services) ab. Vielmehr ist von einem klaren Regel-Ausnahme-Verhältnis zugunsten des offenen Internets gegenüber Spezialdiensten auszugehen. Anderenfalls würden die meist auf höhere Gewinnerzielung angelegten Spezialdienste zu einer Marginalisierung des offenen Internets und so zu einer nicht hinnehmbaren Beschränkung der Inhalte- und Meinungsvielfalt führen.
Die in Artikel 23 Absatz 2 vorgesehene Möglichkeit, beliebige Inhalte, Anwendungen und Dienste per Vertrag zu Spezialdiensten des jeweiligen Telekommunikationsanbieters mit zugesicherter Dienstqualität zu erklären, lehnt der Bundesrat ab. Solche Sondervereinbarungen stehen im Widerspruch zum Ziel eines funktionierenden Binnenmarktes, denn sie erschweren den Marktzutritt für weniger finanzkräftige Anbieter und sorgen für Wettbewerbsverzerrungen zugunsten etablierter, transnational agierender Unternehmen und zulasten aufstrebender, kleiner und mittelständischer oder nur regional agierender Anbieter. Der Bundesrat sieht darin langfristig nicht nur erhebliche Nachteile für die inhaltliche Vielfalt des Internets, sondern vor allem auch eine akute Gefahr für die Zukunft nichtkommerzieller, unabhängiger Informations- und Kommunikationsangebote. Soweit die Kommission dennoch an einer Unterscheidung zwischen Spezialdiensten und sonstigen Internetzugangsdiensten festhalten sollte, fordert der Bundesrat, Spezialdienste nur dann zuzulassen, wenn sie aus sachlichen, über das wirtschaftliche Eigeninteresse hinausgehenden Gründen zwingend auf einem technisch und organisatorisch getrennten Kanal realisiert werden müssen.
Der Bundesrat tritt dafür ein, dass Spezialdienste nur im Fall unabweisbarer technischer Notwendigkeiten angeboten werden dürfen, um echtzeitkritische Anwendungen in einer besonderen Qualität anbieten zu können.
Er hebt deshalb hervor, dass bei Geschäftsmodellen, die Verträge mit begrenztem Breitbandvolumen vorsehen, bestimmte Datendienste nicht beliebig aus dem Volumenverbrauch herausgerechnet bzw. nicht beliebig von einer Drosselung nach Verbrauch des gebuchten Datenvolumens ausgenommen werden dürfen.
- 22. Der Bundesrat sieht mit Sorge, dass es nach dem Vorschlag der Kommission Anbietern von Inhalten, Anwendungen und Diensten völlig freistehen soll, miteinander Vereinbarungen über die Übertragung des Datenvolumens oder -verkehrs als "Spezialdienste" mit bestimmter Dienstqualität oder eigener Kapazität zu schließen. So können innerhalb der begrenzten Übertragungskapazitäten am jeweiligen Breitbandanschluss des Endkunden Spezialdienste in einen Verdrängungswettbewerb mit den übrigen Inhalten, Diensten und Anwendungen des nach dem Best-Effort-Prinzip funktionierenden Internets treten. Damit würde der Marktzutritt für weniger finanzstarke Anbieter erschwert werden, einhergehend mit Wettbewerbsverzerrungen zu Lasten kleiner Unternehmen oder regional agierender Anbieter. Da in Breitbandnetzen mit technologisch begrenzten Übertragungsraten die Bevorzugung bestimmter Dienste womöglich auf Kosten anderer Dienste geht, stellt sich die von der Kommission vorab zu klärende Frage, wie man den gleichzeitigen Netzausbau des offenen Internets und der Transportkapazitäten für bestimmte Qualitätsklassen bzw. Spezialdienste sicherstellen kann, um die schrittweise Verdrängung des offenen Internets durch neue, möglicherweise teure Dienste zu verhindern. Die pauschale Vorgabe, dass die allgemeine Qualität von Internetzugangsdiensten nicht in wiederholter oder ständiger Weise beeinträchtigt werden darf, ist daher nicht geeignet, die von der Unterscheidung zwischen Spezialdiensten und BestEffort-Internet ausgehenden Gefahren für das offene Internet auszuräumen. Insbesondere vor dem Hintergrund der zum Teil unzureichenden TK-Netze in Verbindung mit ambitionierten Breitbandzielen gewinnen solche Fragen eine große Bedeutung.
- 23. Die in Artikel 23 Absatz 5 gewählte Formulierung erweckt im Umkehrschluss den Eindruck, eine "Blockierung, Verlangsamung, Verschlechterung oder Diskriminierung" gegenüber bestimmten Inhalten, Anwendungen, Diensten etc. sei jenseits von "vertraglich vereinbarten Datenvolumina oder -geschwindigkeiten" ohne jeglichen Sachgrund möglich. Dies könnte zunächst so verstanden werden, dass bei sogenannten Volumentarifen nicht nur eine allgemeine Drosselung der Datenübertragung nach Erreichen der vereinbarten Volumengrenze zulässig wäre, sondern auch jede willkürliche Beschränkung oder Priorisierung des Zugangs zu einzelnen Inhalten, Anwendungen oder Diensten des offenen Internets. Für Letzteres vermag der Bundesrat keine legitimen Gründe zu erkennen. Darüber hinaus könnte der Wortlaut des Artikels 23 Absatz 5 derart interpretiert werden, dass willkürliche Beschränkungen des freien Internetzugangs immer dann zulässig seien, wenn ein Endnutzer mit seinem Internetzugangsanbieter keine Vereinbarung über ein bestimmtes Datenvolumen oder eine bestimmte Datengeschwindigkeit getroffen hat, sondern ein Flatrate-Angebot o.ä. nutzen würde. Wegen der möglichen gravierenden Auswirkungen solcher Maßnahmen auf die Rechte und Freiheiten europäischer Bürgerinnen und Bürger hält der Bundesrat eine solche Regelung für nicht akzeptabel.
Der Bundesrat hält die in Artikel 23 Absatz 5 definierten Kriterien für "angemessene Verkehrsmanagementmaßnahmen" als gesetzliche Ausnahmen vom Grundsatz der Gleichbehandlung aller Datenpakete für zu weitgehend, zu unbestimmt und missbrauchsanfällig.
Besonders kritisch bewertet der Bundesrat die Regelung in Artikel 23 Absatz 5 Buchstabe a, wonach private Anbieter von Internetzugangsdiensten ermächtigt werden, beliebige Rechtsvorschriften durchzusetzen, Gerichtsbeschlüsse aller Rechtszweige faktisch zu vollziehen sowie Verbrechensbekämpfung und -prävention nach eigenem Ermessen zu betreiben. Eine solche Regelung ist offensichtlich nicht mit den Grundsätzen der Rechtsstaatlichkeit vereinbar, denn sie impliziert die Wahrnehmung originär staatlicher Befugnisse durch Internetprovider und schafft so die Voraussetzungen für eine vollständige Privatisierung der Rechtsdurchsetzung. Sofern Artikel 23 Absatz 5 Buchstabe a das Vorhandensein entsprechender nationaler Rechtsvorschriften oder behördlicher Anordnungen gegenüber den Internetprovidern voraussetzt, könnte dies zu der Annahme führen, dass es den Mitgliedstaaten weiterhin freistehen soll, beliebige weitere Einschränkungen des Zugangs zum offenen Internet national vorzunehmen. Dies wäre ebenfalls nicht mit dem Regelungsziel eines diskriminierungsfreien Internetzugangs vereinbar.
Der Bundesrat bittet zu prüfen, ob Artikel 23 Absatz 5 Buchstabe a nicht besser durch eine Regelung ersetzt werden sollte, nach der Beschränkungen durch oder auf Grund von Rechtsvorschriften der Union oder der Mitgliedstaaten unberührt bleiben.
Artikel 23 Absatz 5 soll vorrangig regeln, auf welche Datenleistungen der Kunde einen vertraglichen Leistungsanspruch hat. Eine Regelung zu Eingriffen in die Verfügbarkeit von Telekommunikationsdienstleistungen auf Grund von Umständen, die außerhalb der eigentlichen Vertragsbeziehung liegen, passt systematisch nicht in das Kapitel IV des Verordnungsvorschlags. Sofern über die bestehenden Beschränkungsmöglichkeiten beispielsweise auf Grund der Richtlinien 2000/31/EG oder 2001/29/EG hinaus weitere Eingriffe in die Kommunikationsfreiheit für nötig erachtet werden, sollten diese mit der gebotenen Konkretheit für die jeweiligen Sachverhalte gesondert geregelt werden.
- 24. Der Bundesrat teilt die Auffassung der Kommission insoweit, als regulierende Einwirkungen auf den Datenfluss ausnahmsweise möglich sein sollten, sofern sie zur Verhinderung von außergewöhnlichen Kapazitätsengpässen und Überlastungen der Netzinfrastruktur oder sonstigen akuten Gefahren für die Datenübertragung als solche unabdingbar erscheinen. Er vertritt jedoch die Ansicht, dass solche Ausnahmesituationen nach technischen Kriterien eng definiert und objektiv belegbar sein sollten. Die in Artikel 23 Absatz 5 des Verordnungsvorschlags (vor allem Buchstaben b und d) getroffenen allgemeinen Aussagen genügen diesen Anforderungen nicht.
- 25. Ferner spricht sich der Bundesrat für eine gesetzliche Verpflichtung der Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation aus, jedes Auftreten einer gesetzlich definierten Ausnahmesituation und alle hierbei im Einzelfall getroffenen Maßnahmen des Verkehrsmanagements zu dokumentieren und unverzüglich den national zuständigen Regulierungsbehörden zu melden. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass nur so die nationalen Behörden in die Lage versetzt werden können, die Zulässigkeit von Einwirkungen auf die Datenübermittlung anhand objektiver Kriterien effektiv zu überprüfen. Er bittet die Kommission, den Verordnungsvorschlag entsprechend zu ergänzen.
- 26. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, sich bei den weiteren Verhandlungen auf EU-Ebene zur Sicherstellung der Netzneutralität dafür einzusetzen, dass
- - eine nachweislich aus wirtschaftlichem Eigeninteresse heraus vorrangige Übermittlung von Daten ebenso wie eine Drosselung oder Blockade bestimmter Inhalte und Dienste unzulässig ist, - alle Inhalte und Anwendungen gleichbehandelt werden müssen, es sei denn, eine Ungleichbehandlung wird durch eine klar definierte und belegbar notwendige Ausnahme erlaubt,
- - für solche belegbaren notwendigen Ausnahmen, wie beispielsweise das legitime kurzfristige Überlastungs- und Traffic-Management, klare und transparente Regeln geschaffen werden.
Zum Best-Effort-Prinzip
- 27. Der Bundesrat bekennt sich zu dem Best-Effort-Prinzip als fundierendes Element des Internets und bekräftigt noch einmal den Grundsatz des für jedermann offenen Zugangs zu den weltweiten Netzen des Internets und des unterschiedslosen Transports der Datenpakete von Computer zu Computer, die zwei zentrale Grundpfeiler des offenen Internets sind. Sie sind wesentlich für dessen Erfolg und eine wichtige Voraussetzung für Freiheit, Innovation und Medienpluralismus. Vor diesem Hintergrund lehnt der Bundesrat die in dem Verordnungsvorschlag enthaltenen Regelungen in dieser Form ab.
- 28. Er ist der Auffassung, dass die in Artikel 24 bis 30 vorgesehenen Regelungsansätze nicht ausreichen, um das offene Internet langfristig zu sichern.
- 29. Insbesondere vertritt der Bundesrat die Auffassung, dass der in Artikel 24 Absatz 1 formulierte Überwachungsauftrag an die nationalen Regulierungsbehörden keine ausreichende Handhabe bietet, um einen uneingeschränkten Zugang zum Best-Effort-Internet sicherzustellen und negative Effekte von Spezialdiensten abzuwehren. Die Regelung enthält keine eindeutigen Kriterien für das Vorliegen oder Nichtvorliegen "nicht diskriminierender Internetzugangsdienste", eines "Qualitätsniveaus, das den Fortschritt der Technik widerspiegelt", sowie deren "Beeinträchtigung" durch Spezialdienste. Entsprechendes gilt für den unbestimmten Begriff einer "allgemeinen Einschränkung der Dienstqualität" in Artikel 24 Absatz 2, wobei wiederum nicht klar ist, wie sich dieses Merkmal zu den Begriffen des Artikels 24 Absatz 1 verhält. Der Bundesrat bittet, den Verordnungsvorschlag um sachliche Kriterien für das Erfordernis eines behördlichen Einschreitens zu ergänzen.
- 30. Der Bundesrat gibt zu bedenken, dass die im Wesentlichen aus der Universaldienstrichtlinie (2002/22/EG) übernommene Ermächtigung der Regulierungsbehörden, Mindestanforderungen an die Dienstqualität von Internetzugangsdiensten festzulegen (vgl. Artikel 24 Absatz 2 des Verordnungsvorschlags), kein geeignetes Mittel zur Sicherung einer angemessenen Qualität des offenen Internets darstellt. Im Gegenteil könnte die Festlegung solcher Mindeststandards dazu führen, dass kein wirtschaftlicher Anreiz mehr bestünde, die verfügbare Dienstqualität über das festgelegte Basisniveau hinausgehen zu lassen. Dies würde zu einer Angleichung nach unten und damit zu einer Verschlechterung der Qualität des offenen Internets gegenüber dem bestehenden Niveau führen.
Weitere Aspekte zum Verbraucherschutz
- 31. Der Bundesrat stellt fest, dass der vorliegende Verordnungsvorschlag nicht über ausreichende Regelungen zum Schutz personenbezogener Daten verfügt. Soweit sich die im Verordnungsvorschlag geregelten Tätigkeiten und Befugnisse von Unternehmen und Behörden nach konkreten Vorgaben der geltenden Datenschutzrichtlinie (95/46/EG) oder der künftigen Datenschutz-Grundverordnung richten sollen, regt der Bundesrat an, den Regelungstext um entsprechende Verweise zu ergänzen.
- 32. Die zuvor in der Universaldienstrichtlinie (2002/22/EG) enthaltene und nunmehr in Artikel 25 Absatz 4 des Verordnungsvorschlags vorgesehene Verpflichtung von Telekommunikationsanbietern, auf Anforderung von Behörden Informationen "von öffentlichem Interesse" an die Endnutzer zu verbreiten, begegnet größten rechtsstaatlichen Bedenken. Neben der Information über Verstöße gegen Urheber-, Persönlichkeits- und Datenschutzrechte sowie Mittel zum Schutz der persönlichen Sicherheit lässt die nicht abschließende Formulierung ("unter anderem") Raum für weitere, nicht näher definierte Themen. Die für die Kontaktaufnahme mit den Endnutzern einzusetzenden Mittel können nach dem weiten Wortlaut der Regelung vom Nachrichtenversand an die private E-Mailadresse bis zur Einblendung von Warnhinweisen auf dem Bildschirm reichen. Mangels Sachprüfung durch ein unabhängiges Gericht und wegen erheblicher datenschutzrechtlicher Bedenken hält der Bundesrat den Versand individueller Warnungen durch private Telekommunikationsanbieter nicht für legitim. Auch für die Aufklärung der Bürgerinnen und Bürger über geltendes Recht und Aspekte ihrer persönlichen Sicherheit sind nach Ansicht des Bundesrates keine unaufgeforderten Eingriffe in den Bereich der privaten Kommunikation erforderlich. Der Bundesrat fordert eine ersatzlose Streichung des Artikels 25 Absatz 4.
- 33. Der Bundesrat spricht sich für eine Ergänzung des Verordnungsvorschlags um spezifische Regelungen zum Umgang mit solchen Technologien wie der sog. "Deep Packet Inspection" aus. Der Bundesrat vertritt hierbei die Auffassung, dass jegliche Einsichtnahme in die Inhalte von übertragenen Datenpaketen grundsätzlich untersagt sein sollte, sofern dies nicht ausnahmsweise unabdingbare technische Voraussetzung für den Erfolg einer Maßnahme zur Verhinderung eines erheblichen Nachteils für den gesamten Datenfluss oder die Integrität der Telekommunikationsinfrastruktur ist und die Maßnahme sich auf die Auswertung von Steuerungsinformationen beschränkt. Solche Ausnahmefälle bedürfen einer detaillierten und abschließenden Regelung im vorliegenden Verordnungsvorschlag. Eine pauschale Bezugnahme auf die Grundsätze der Erforderlichkeit und Verhältnismäßigkeit der Datenverarbeitung (vgl. Artikel 23 Absatz 5 zweiter Unterabsatz) trägt der immensen Bedeutung des Grundrechtes auf Schutz der personenbezogenen Daten keine Rechnung.
- 34. Der Bundesrat weist darauf hin, dass Einschränkungen der Qualität und Verfügbarkeit von bestimmten Inhalten, Anwendungen und Diensten der elektronischen Kommunikation auch aus der anbieterseitigen Vorgabe bestimmter Endgeräte (z.B. "Routerzwang") resultieren können. Die Formulierung in Artikel 26 Absatz 1 Buchstabe b Unterpunkt iv deutet jedoch darauf hin, dass solche Geschäftspraktiken der Telekommunikationsanbieter weiterhin zulässig bleiben sollen. Diesen Ansatz hält der Bundesrat nicht mit dem Ziel eines funktionierenden Wettbewerbs und den Endnutzerrechten für vereinbar. Er fordert, jegliche anbieterseitige Beschränkungen des Zugangs zu Telekommunikationsnetzen, Inhalten, Anwendungen, Diensten oder Serviceleistungen zu verbieten, welche aus der Verwendung eines nicht vom Anbieter bereitgestellten oder empfohlenen Endgerätes durch den Endnutzer resultieren.
- 35. Der Bundesrat regt an, die Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation zu verpflichten, die wesentlichen Vertrags- und Tarifbedingungen gemäß Artikel 25 und Artikel 26 des Vorschlags in einem standardisierten Informationsblatt in klarer und verständlicher Weise darzustellen. Ein standardisiertes Informationsblatt schafft die Voraussetzung dafür, dass die Verbraucherinnen und Verbraucher die wesentlichen Merkmale des angebotenen Tarifs rasch erfassen, seine Eignung und Wirtschaftlichkeit zutreffend einschätzen und mehrere Angebote effektiv vergleichen können. Die Anforderungen an die Gestaltung des standardisierten Informationsblattes sollten zweckmäßigerweise in einem Durchführungsrechtsakt geregelt werden.
- 36. Durch die im Verordnungsvorschlag vorgesehene Einführung einer Kündigungsmöglichkeit nach sechs Monaten bei Laufzeitverträgen sowie die verpflichtende Konkretisierung der von Verbraucherinnen und Verbraucher am Anschluss zu erwartenden Bandbreitengeschwindigkeit ist eine Verbesserung des Verbraucherschutzes zu erwarten.
- 37. Der Bundesrat spricht sich dafür aus, dass nach Artikel 28 Absatz 5 ein Leistungsverstoß des Anbieters auch dann vorliegen kann, wenn die Abweichung der erbrachten Leistung nur vorübergehend ist. Abgesehen davon, dass der Begriff der "vorübergehenden" Abweichung nicht eindeutig und damit streitanfällig ist, ist zu berücksichtigen, dass gerade bei gewerblichen Endkunden bereits eine kurzzeitige Beeinträchtigung der Übertragungsleistung mit erheblichen wirtschaftlichen Folgen verbunden sein kann.
- 38. Der Bundesrat hält die in der Richtlinie 2002/22/EG und im Verordnungsvorschlag enthaltenen Bestimmungen über Streitbeilegungsverfahren für nicht ausreichend, um eine effektive Durchsetzung der vertraglichen Ansprüche der Kunden zu gewährleisten. Ergänzend zur Streitbeilegung nach Artikel 34 der Richtlinie 2002/22/EG sollte erwogen werden, die Anbieter von elektronischer Kommunikation sanktionsbewehrt zu verpflichten, ein effektives Beschwerde-, Kommunikations- und Abhilfemanagement einzurichten. Denn nach wie vor haben zahlreiche Kunden das Problem, dass sie bei Leistungsstörungen, Unklarheiten über vertragliche Bestimmungen oder Abrechnungsfehlern keine geeigneten oder stets wechselnde Ansprechpartner auf Anbieterseite erhalten. Die dadurch entstehenden Verzögerungen wirken sich besonders belastend aus, wenn der Telefon- und Internetanschluss nicht zum vereinbarten Zeitpunkt eingerichtet wird oder infolge von Störungen nicht verfügbar ist.
Zu den Roaming-Gebühren und den Tarifen für Fernverbindungen in Festnetzen
- 39. Der Bundesrat unterstützt das Anliegen der Kommission, die Tarife für die Nutzung von elektronischen Kommunikationsdiensten beim Roaming weiter an die Entgelte für innerstaatliche Kommunikationsdienstleistungen anzugleichen.
Die von der Kommission geplante Abschaffung der Roaming-Gebühren ist grundsätzlich positiv zu bewerten. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung jedoch, bei der Umsetzung darauf zu achten, dass die Mobilfunkanbieter durch den geplanten Wegfall des derzeit lukrativen Geschäfts mit den Roaming-Gebühren ihre Gewinne nicht durch die Anhebung inländischer Mobilfunkgebühren oder höhere Verkaufspreise von Mobilfunkgeräten kompensieren und die Verbraucherinnen und Verbraucher damit im Ergebnis nicht entlastet, sondern zusätzlich belastet werden.
Der Bundesrat begrüßt es grundsätzlich, dass in Artikel 37 Absatz 4 ein Anreiz geschaffen wird, die Entgelte für Datenroamingdienste an Inlandspreise anzupassen. Er hält es aber gleichzeitig für geboten, zum Schutz des Wettbewerbs und der Verbraucherinnen und Verbraucher wirksame Vorkehrungen gegen schädliche Marktkonzentrationen und Preisabsprachen vorzusehen.
- 40. Der Bundesrat unterstützt den Vorschlag der Kommission, gemäß Artikel 37 Absatz 5 Buchstabe a die Entgelte für ankommende Anrufe im Ausland abzuschaffen.
- 41. Artikel 21 Absatz 3 erwähnt "objektiv gerechtfertigte" Ausnahmefälle, in denen Anbieter öffentlicher elektronischer Kommunikation für unionsinterne, in einem anderen Mitgliedstaat zugestellte Verbindungen Tarife anwenden dürfen, die höher sind als die Tarife für inländische Fernverbindungen in Festnetzen und als der jeweilige Eurotarif für regulierte Sprachanrufe und SMS-Roamingnachrichten. Kriterien für das Vorliegen eines solchen Ausnahmefalls enthält die Regelung nicht. Lediglich Erwägungsgrund 44 enthält hierzu einige eher unkonkrete Ausführungen. Zur Vermeidung gesetzlicher Lücken spricht sich der Bundesrat für eine genaue Prüfung und Ergänzung des Artikels 21 Absatz 3 um abschließende Kriterien für etwaige Ausnahmefälle aus.
Gesamtempfehlung
- 42. Auf Grund der in dieser Stellungnahme aufgeführten erheblichen Bedenken gegen Form und Inhalt des Verordnungsvorschlags plädiert der Bundesrat dafür, den Verordnungsvorschlag zurückzuziehen und auf Basis einer intensiven Diskussion mit den Mitgliedstaaten und den nationalen Regulierungsbehörden zu prüfen, in welchen Bereichen und in welcher Form ein Modifikationsbedarf am bestehenden Telekommunikations-Richtlinienpaket besteht. Dabei sind die Erfahrungen mit dem bestehenden Rechtsrahmen auf Basis einer neutralen Bewertung zu berücksichtigen.
Direktzuleitung
- 43. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.