A. Problem und Ziel
Der Schutz von Mieterinnen und Mietern vor überhöhten Mieten ist ein Ziel des § 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (WiStrG 1954). Nach zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (BGH) wird § 5 WiStrG 1954 nach bisheriger Rechtslage diesem Ziel nicht mehr gerecht. Denn der BGH hat an die Mieterinnen und Mieter Anforderungen an die erforderliche Beweisführung gestellt, die diese im Einzelfall kaum erfüllen können. Der Gesetzentwurf dient dazu, § 5 WiStrG 1954 wieder zu einem praxistauglichen Instrument gegen Mietpreisüberhöhung zu machen, indem auf das Tatbestandsmerkmal des Ausnutzens verzichtet und eine rein objektive Lösung vorgeschlagen wird. Um einer Aussegmentierung der Wohnungsmärkte Rechnung zu tragen, ermöglicht der Gesetzentwurf zudem eine Teilgebietsbetrachtung bezüglich der Frage des Vorliegens eines geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum. Nach dem Gesetzentwurf kann auch eine Betrachtung eines Teilgebiets der Gemeinde erfolgen, wenn der Wohnungsmarkt zwar unter Berücksichtigung des gesamten Gebiets der Gemeinde entspannt, in bestimmten Teilgebieten aber angespannt ist. Die konkrete Abgrenzung und Definition der jeweiligen Teilgebiete bleibt der Rechtsanwendung überlassen.
B. Lösung
Zur Lösung der aufgeworfenen Fragen wird die betroffene Rechtsgrundlage geändert.
C. Alternativen
Keine
D. Finanzielle Auswirkungen für die öffentlichen Haushalte
Auf den Bundeshaushalt: keine
Auswirkungen auf den jeweiligen Haushalt des vollziehenden Landes sind nicht auszuschließen. Durch die Änderung der Rechtslage wird der Vollzug erleichtert. Dies kann sowohl zu höheren Ausgaben in Form von Personal- und Sachkosten, als auch zu höheren Einnahmen in Form von Bußgeldern führen.
E. Sonstige Kosten
Entsprechend der Zielsetzung des Gesetzentwurfs, dem Schutz vor überhöhten Mietforderungen, ist zu erwarten, dass der Anstieg des Mietpreisniveaus verringert wird, da die Novellierung von § 5 WiStrG 1954 im vorgeschlagenen Sinne im Einzelfall zur Behebung von Störungen unangemessener Mietpreisbildung führen kann.
F. Bürokratiekosten
Keine
Gesetzentwurf des Bundesrates
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954)
Der Bundesrat hat in seiner 910. Sitzung am 7. Juni 2013 beschlossen, den beigefügten Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 1 des Grundgesetzes beim Deutschen Bundestag einzubringen.
Anlage
Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Gesetzes zur weiteren Vereinfachung des Wirtschaftsstrafrechts (Wirtschaftsstrafgesetz 1954)
Vom ...
Der Bundestag hat das folgende Gesetz beschlossen:
Artikel 1
Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954
Das Wirtschaftsstrafgesetz 1954 in der Fassung der Bekanntmachung vom 3. Juni 1975 (BGBl. I S. 1313), das zuletzt durch ... geändert worden ist, wird wie folgt geändert:
1. § 5 Absatz 2 wird wie folgt geändert:
- a) Satz 1 wird wie folgt geändert:
- aa) Die Wörter "infolge der Ausnutzung" werden durch die Wörter "bei Vorliegen" ersetzt.
- bb) Nach den Wörtern "an vergleichbaren Räumen" werden die Wörter "in einer Gemeinde oder in einem Teil der Gemeinde" eingefügt.
- cc) Nach dem Wort "Lage" werden die Wörter "einschließlich der energetischen Ausstattung und Beschaffenheit" eingefügt.
- b) In Satz 2 werden die Wörter "Nicht unangemessen hoch sind Entgelte, die" durch die Wörter "Entgelte sind dann nicht unangemessen hoch, wenn sie" ersetzt.
2. § 22 wird wie folgt gefasst:
" § 22 Übergangsregelung
§ 5 Absatz 2 in der Fassung des Artikels 1 des Gesetzes zur Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 vom ... [einsetzen: Datum und Fundstelle dieses Gesetzes] ist nur anzuwenden, wenn das Mietverhältnis nach dem ... [einsetzen: Datum des Tages vor dem Tag des Inkrafttretens dieses Gesetzes] abgeschlossen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bis dahin geltende Recht anzuwenden."
Artikel 2
Inkrafttreten
Dieses Gesetz tritt am Tag nach der Verkündung in Kraft.
Begründung
A. Allgemeiner Teil
§ 5 des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954 (WiStrG 1954) hat nicht nur eine marktsichernde Funktion, sondern dient auch - insbesondere durch Einstrahlung in das Zivilrecht - dem Schutz von Mietern vor überhöhten Mieten. Aufgrund der zivilrechtlichen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH) wird § 5 WiStrG 1954 diesem Ziel kaum noch gerecht. Die Gesetzesänderung dient dazu, § 5 WiStrG 1954 - auch in zivilrechtlichen Verfahren - wieder zu einem praxistauglichen Instrument gegen Mietpreisüberhöhung zu machen.
B. Besonderer Teil
Zu Artikel 1 (Änderung des Wirtschaftsstrafgesetzes 1954)
Zu Nummer 1 (§ 5 Absatz 2 WiStrG 1954)
Die in § 5 WiStrG 1954 geregelte Mietpreisüberhöhung stellt eine Ordnungswidrigkeit dar. Im zivilrechtlichen Mietverhältnis spielt § 5 WiStrG 1954 aber als sogenanntes Verbotsgesetz im Sinne von § 134 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) eine Rolle. Danach ist ein Rechtsgeschäft, das gegen ein gesetzliches Verbot verstößt, ganz oder teilweise nichtig. Ein Verstoß gegen § 5 WiStrG 1954 führt mietrechtlich dazu, dass die in Rede stehende Vereinbarung insoweit nichtig ist, als die vereinbarte Miete die ortsübliche Vergleichsmiete um mehr als 20 Prozent übersteigt, der Vertrag aber im Übrigen aufrechterhalten bleibt. Der Mieter kann über die Leistungskondiktion des § 812 Absatz 1 Satz 1 1. Fall BGB zu viel gezahlte Miete vom Vermieter zurückfordern und diesen Anspruch in einem zivilprozessualen Verfahren geltend machen.
Aufgrund von zwei Entscheidungen des Bundesgerichtshofes (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 28. Januar 2004 - VIII ZR 190/03 -, NJW 2004, 1740 ff., und Urteil vom 13. April 2005 - VIII ZR 44/04 -, NJW 2005, 2156 f.), in denen der BGH die im Zivilprozess relevanten Darlegungs- und Beweislastregeln zu § 5 WiStrG 1954 herausgearbeitet hat, kann der Mieter mit der Geltendmachung von Ansprüchen aus § 812 Absatz 1 Satz 1 1. Fall BGB in Verbindung mit § 5 WiStrG 1954 kaum noch durchdringen. Um die Anforderungen an den Mieter gegenüber der bisherigen Rechtslage zu erleichtern, wird das Tatbestandsmerkmal des "Ausnutzens" gestrichen. Denn daran hat der BGH die kaum zu erfüllende Darlegungs- und Beweislast für den Mieter festgemacht. Danach muss der Mieter, der sich darauf beruft, der Vermieter habe eine Mangellage im Sinne des § 5 WiStrG 1954 ausgenutzt, im Einzelnen darlegen, welche Bemühungen er bei der Suche nach einer angemessenen Wohnung unternommen hat, weshalb die Suche erfolglos geblieben ist und dass er mangels einer Ausweichmöglichkeit nunmehr auf den Abschluss des für ihn ungünstigen Mietvertrages angewiesen war (vgl. BGH, Versäumnisurteil vom 28. Januar 2004, a.a. O.). Es ist dem Mieter zwar zumutbar vorzutragen, welche Bemühungen er bei der Wohnungssuche unternommen hat. Im Bestreitensfall muss er diese Bemühungen jedoch beweisen, was in der Praxis Schwierigkeiten begegnet. Als Beweismittel kommt in der Regel nur der Zeugenbeweis in Frage mit der Folge, dass der Wohnungssuchende Zeugen zu Wohnungsbesichtigungen mitnehmen oder die Vermieter bzw. Makler der besichtigten Wohnungen als Zeugen benennen muss in der Hoffnung, dass diese sich in einem späteren Gerichtsverfahren in ausreichendem Maße erinnern. Nahezu unmöglich ist es für den Mieter, das subjektive Element des Tatbestandsmerkmals "Ausnutzen" auf Seiten des Vermieters zu beweisen. Dies erfordert den Nachweis, dass der Vermieter erkennt oder in Kauf nimmt, dass der Mieter sich in einer Zwangslage befindet, weil er aus nachvollziehbaren gewichtigen Gründen nicht auf eine preiswertere Wohnung ausweichen kann (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2005, a.a. O.). Nach dem Gesetzentwurf kommt es nunmehr lediglich auf das Vorliegen eines geringen Angebots an (objektive Lösung). Damit wird zugleich klargestellt, dass mit dem Gesetzentwurf im Einklang mit der Zielsetzung des § 5 WiStrG 1954 keine generelle Mietpreisbindung eingeführt werden soll (vgl. BT-Drucksache 6/1549, S. 11).
Eine weitere Änderung betrifft die Frage des maßgeblichen Gebietes für die Feststellung des geringen Angebots an vergleichbaren Wohnräumen. Nach der Rechtsprechung zu § 5 WiStrG in seiner geltenden Fassung kommt es für die Frage, ob ein geringes Angebot auf dem Wohnungsmarkt besteht, auf die Situation im gesamten Gebiet der Gemeinde an (vgl. BGH, Urteil vom 13. April 2005, a.a. O.). Gerade in Ballungsgebieten gibt es aber, teils verstärkt durch eine steigende Attraktivität von Immobilien als Anlageobjekten, in bestimmten Stadtteilen einen erheblichen Mietaufwertungsdruck durch eine erhöhte Nachfrage. Dies betrifft insbesondere innenstadtnahe Lagen. Die gegenwärtige Betrachtung des gesamten Gemeindegebiets für die Feststellung des geringen Angebots an vergleichbarem Wohnraum führt gerade in Städten mit einem aussegmentierten Wohnungsmarkt für die Wohnungsuchenden zu der unbefriedigenden Situation, dass sie in den von ihnen nachgefragten Stadtteilen keine oder nur eine sehr teure Wohnung finden, aber dennoch kein geringes Angebot i.S.d. § 5 WiStrG 1954 besteht, weil es in anderen Teilen der Gemeinde immer noch freie vergleichbare Wohnungen gibt. Um einer Aussegmentierung der Wohnungsmärkte Rechnung zu tragen, ermöglicht der Gesetzentwurf eine Teilgebietsbetrachtung. Der BGH stellt bereits nach geltendem Recht bei der Beantwortung der Frage, ob ein geringes Angebot an vergleichbaren Räumen vorliegt, auf den "Teilmarkt" ab, zu dem die Wohnung gehört, wobei sich der maßgebende Teilmarkt nach den in § 5 Absatz 2 Satz 2 WiStrG 1954 aufgeführten Merkmalen, die sich teilweise unmittelbar auf die Wohnung ("Art, Größe, Ausstattung, Beschaffenheit"), teilweise auf das Umfeld ("Lage") beziehen, bestimmt (vgl. BGH, Urteil vom 25. Januar 2006 - VIII ZR 56/04 -, NJW-RR 2006, 591 f.). Dies wird durch die Neufassung nunmehr dahingehend konkretisiert, dass es hierfür nicht zwingend auf die Marktlage im gesamten Gemeindegebiet ankommt; ausreichend für die Annahme einer Wohnraummangellage ist es danach vielmehr, wenn in dem Teil der Gemeinde, in dem die Wohnung belegen ist, ein geringes Angebot an Wohnraum vorliegt. Um den regionalen Besonderheiten hinreichend Rechnung zu tragen, wird von einer genauen gesetzlichen Bestimmung des Merkmals "Teil der Gemeinde" abgesehen. Je nach den örtlichen Gegebenheiten kann es sich bei dem relevanten Teilmarkt um einen Stadt- bzw. Ortsteil ("Wohnquartier") oder auch um größere zusammenhängende oder nicht zusammenhängende Gebiete handeln, sofern diese vergleichbare Lagequalitäten aufweisen.
Wird für die Frage des Vorliegens eines geringen Angebots auf einen Teil der Gemeinde abgestellt, so ist dies bei der Bestimmung des vergleichbaren Entgelts über das Tatbestandsmerkmal "Lage" zu berücksichtigen. Nicht erforderlich ist, dass das vergleichbare Entgelt für den betrachteten Teil der Gemeinde gesondert festgestellt wird. Es kann vielmehr z.B. auf der Grundlage eines die ortsüblichen Vergleichsmieten in der gesamten Gemeinde wiedergebenden Mietspiegels unter besonderer Berücksichtigung von Lage und Struktur der Wohngegend bestimmt werden. Ein Verzicht auf die Teilgebietsregelung würde den Anwendungsbereich des § 5 WiStrG 1954 weiterhin stark einschränken. Je nach Wohnungsmarktlage könnte das Gericht zu dem Ergebnis kommen, dass in Bezug auf die gesamte Gemeinde für den betreffenden Wohnungstypus kein geringes Angebot besteht. Durch eine Teilgebietsregelung ist gewährleistet, dass auch in angespannten Teilmärkten Mietpreisüberhöhungen punktuell verfolgt werden können.
Für § 5 Absatz 2 Satz 1 WiStrG 1954 ist anerkannt, dass die Vorschrift auf die in § 558 Absatz 2 BGB definierte ortsübliche Vergleichsmiete verweist (vgl. Artz, in: Münchener Kommentar zum Bürgerlichen Gesetzbuch, 6. Auflage 2012, § 557 Rnr. 70). Durch das Mietrechtsänderungsgesetz, das am 1. Mai 2013 in Kraft getreten ist, werden die Wohnwertmerkmale, anhand derer die ortsübliche Vergleichsmiete nach § 558 Absatz 2 BGB ermittelt wird, um die Komponenten "energetische Ausstattung und Beschaffenheit" ergänzt (vgl. BR-Drucksache 010/13 (PDF) ). Um den Gleichlauf der Vorschriften zu wahren, sollte auch § 5 Absatz 2 Satz 1 WiStrG 1954 um diese energetischen Kriterien ergänzt werden.
Die Regelung in § 5 Absatz 2 Satz 2 WiStrG 1954 bleibt durch die Änderung unberührt. Danach liegt keine Mietpreisüberhöhung vor, wenn der Vermieter lediglich einen kostendeckenden Mietzins verlangt.
Zu Nummer 2 (§ 22 WiStrG 1954)
Aufgrund der Übergangsregelung ist § 5 Absatz 2 WiStrG 1954-E nur anzuwenden, wenn das Mietverhältnis nach Inkrafttreten dieses Gesetzes abgeschlossen worden ist. In allen anderen Fällen ist das bis dahin geltende Recht anzuwenden. Durch die Übergangsregelung wird verhindert, dass sich für laufende Mietverhältnisse im Nachhinein die Geschäftsgrundlage ändert und Mieten u.U. reduziert werden müssten.
Zu Artikel 2 (Inkrafttreten)
Artikel 2 regelt das Inkrafttreten des Gesetzes.