Punkt 1 der 878. Sitzung des Bundesrates am 17. Dezember 2010
Der Bundesrat möge beschließen:
- 1. Der Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung geht für das Jahr 2010 von einem Wachstum des BIP von 3,7 % und von 2,2 % für das Jahr 2011 aus. Die Neuverschuldung erreicht dennoch mit 48,4 Mrd. Euro einen historischen hohen Stand. Deshalb muss die Konsolidierung aller öffentlichen Haushalte voran getrieben werden. Für eine solide Finanzpolitik, für die Handlungsfähigkeit des Staates und mit Blick auf die Generationengerechtigkeit ist die Rückführung der Neuverschuldung unabdingbar. Vor dem Hintergrund, dass die Wirtschaftskrise erhebliche Spuren in den öffentlichen Haushalten hinterlassen hat, ist für Steuersenkungen weiterhin kein Spielraum.
- 2. Der Bundesrat stellt fest, dass die Konsolidierung des Bundeshaushalts weder ausgewogen noch nachhaltig ist. Während die Verursacher der Finanz- und Wirtschaftskrise weitestgehend verschont bleiben, entfällt ein wesentlicher Teil der Sparmaßnahmen auf die Sozial- und Arbeitsmarktpolitik. Damit wird die Binnennachfrage geschwächt und der Aufschwung aufs Spiel gesetzt. Sinnvoll wäre es stattdessen, die Finanzierung der Krisenkosten nach dem Verursacher- und dem Leistungsfähigkeitsprinzip auszurichten.
- 3. Die konjunkturelle Erholung kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Ursachen der Finanz- und Wirtschaftskrise noch nicht beseitigt sind. Die Eindämmung der von der Realwirtschaft losgelösten Spekulation auf den Finanzmärkten muss voran getrieben werden. Neben Regeln zur Stabilisierung der Finanzmärkte ist zur Finanzierung der Krisenkosten insbesondere die Einführung einer Finanztransaktionssteuer mit Nachdruck zu verfolgen. Die aktuellen Entwicklungen im Euroraum unterstreichen die Notwendigkeit der Regulierung der Finanzmärkte.
- 4. Der Bundesrat weist darüber hinaus darauf hin, dass die Entlastungsmaßnahmen für den Bund zu negativen Rückwirkungen auf die Haushalte von Ländern, Kommunen und der gesetzlichen Sozialversicherungssysteme führen. Dies erschwert den Ländern den Weg zur Einhaltung des ihnen verfassungsrechtlich vorgegebenen Neuverschuldungsverbots.
- 5. Der Bundesrat setzt sich für eine Verbesserung der kommunalen Finanzausstattung ein. In diesem Zusammenhang sind die Mittelkürzungen im Bereich der Städtebauförderung, in dem nachgewiesenermaßen erhebliche Folgeinvestitionen generiert werden, nicht nur strukturpolitisch, sondern auch volkswirtschaftlich kontraproduktiv. Die Kürzungen der Förderungen für den Städtebau werden der dringenden Bedarfslage bei der Bewältigung des wirtschaftlichen, sozialen und demografischen Wandels in den Kommunen sowie der Verantwortung des Bundes für diese gesamtgesellschaftliche Aufgabenstellung keineswegs gerecht. Insbesondere die Streichung von Mitteln des Programms "Soziale Stadt" erschwert den Kommunen, die Durchführung sinnvoller Maßnahmen zur Erhaltung des sozialen Zusammenhalts.
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass trotz der wirtschaftlichen Erholung und angesichts des drohenden Fachkräftemangels weiter die Notwendigkeit von Qualifizierungs- und Eingliederungsmaßnahmen in der Arbeitsförderung besteht. Vor diesem Hintergrund ist die Kürzung der Eingliederungshilfen nicht gerechtfertigt. Der Abbau des Sockels an Langzeitarbeitslosen ist eine vorrangige Aufgabe der kommenden Jahre.