Der Bundesrat hat in seiner 918. Sitzung am 19. Dezember 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich, dass die Kommission einen Abbau des bürokratischen Aufwandes und der damit verbundenen Kosten anstrebt und unter Berücksichtigung der Subsidiarität verschiedene EU-Regelungen zum Vorteil der Mitgliedstaaten optimieren will. Dazu wird eine Identifizierung von reform- und nachbesserungsbedürftigen Bereichen, u.a. durch sogenannte Fitness-Checks, und von nicht zielführenden Legislativmaßnahmen notwendig.
- 2. Der Bundesrat bittet jedoch die Bundesregierung, im Rahmen des Screenings dafür Sorge zu tragen, dass bei den angestrebten Evaluierungen die bereits erreichten Standards im Umwelt-, Natur-, Verbraucher- und Gesundheitsschutz sowie im Bereich der Bürgerbeteiligung erhalten bleiben.
- 3. Eine Vereinfachung und Verringerung des Verwaltungsaufwands bei Umsetzung und Anwendung von EU-Vorschriften ist ein wichtiges Anliegen der Länder. Die Zusammenfassung verschiedener einzelner sektoraler Richtlinien, wie etwa in der Wasserrahmenrichtlinie oder der Industrieemissions-Richtlinie, ist dabei aus Sicht des Bundesrates grundsätzlich ein sinnvoller Ansatz für eine Vereinfachung und eine größere Übersichtlichkeit.
- 4. Allerdings hat die rein zahlenmäßige Betrachtungsweise von Richtlinien wenig Aussagekraft im Hinblick auf den Verwaltungsaufwand. Gerade die Wasserrahmenrichtlinie und die Industrieemissions-Richtlinie sind Beispiele dafür, dass sich - trotz zahlenmäßiger Reduzierung der Richtlinien - der Verwaltungsaufwand und der finanzielle Aufwand insgesamt deutlich erhöht haben. Dies gilt bei der Wasserrahmenrichtlinie insbesondere für das Monitoring, die Erarbeitung der Bewirtschaftungspläne und Maßnahmenprogramme oder im Hinblick auf die Vorgaben zur Erreichung des guten Zustands und die Berichtspflichten. Verstärkt wird dies durch die ständig steigenden stofflichen Anforderungen nach der Richtlinie über Umweltqualitätsnormen im Bereich der Wasserpolitik. Bei der Industrieemissions-Richtlinie wurden die Mitgliedstaaten u.a. zusätzlich verpflichtet, Überwachungspläne und -programme für umweltbedeutsame Anlagen zu erstellen. Dabei müssen alle Anlagen einer Risikobewertung unterzogen werden. Weiter sind nach Vor-Ort-Besichtigungen Überwachungsberichte anzufertigen. Diese und zahlreiche andere zusätzliche Aufgaben führen bei den Vollzugsbehörden zu einem erheblichen Personalmehrbedarf. Der Bundesrat wendet sich keinesfalls gegen höhere Umweltstandards, hält es aber für notwendig, dass die Kommission im Hinblick auf die Effizienz der Rechtsetzung künftig auch den konkreten Verwaltungsaufwand vergleichend betrachtet.
- 5. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, die Berichtspflichten zu vereinfachen und zu reduzieren. Er weist jedoch darauf hin, dass zum Beispiel für die aktuell anstehende Erfüllung der Berichtspflichten zur Wasserrahmenrichtlinie bis heute vielfach keine endgültig abgestimmten "Reporting Sheets" vorliegen. Der Bundesrat beobachtet mit Sorge den immer größeren Umfang und höheren Detaillierungsgrad, der nach den bislang vorliegenden Entwürfen angestrebt wird und dessen EU-weite Relevanz nicht ersichtlich ist. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, entsprechend der Äußerung der Kommission, einer Ausweitung der Berichtspflichten auf europäischer Ebene entgegenzuwirken und auf eine zeitnahe Konkretisierung zu drängen.
Zu einzelnen REFIT-Maßnahmen
- 6. Der Bundesrat stellt fest, dass beispielsweise ein Fitness-Check im Rahmen der Evaluierung des Natura-2000-Prozesses sinnvoll ist, da trotz der bisherigen Erfolge, weiterführende Maßnahmen zum Erreichen der EU-Biodiversitätsziele notwendig sind. Darüber hinaus sollte an bisherigen ambitionierten Zielen, beispielsweise für mehr Partizipation und Bürgerrechte (Umsetzung der Aarhus-Konvention) und zum Schutz relevanter Ressourcen wie der Boden (Bodenschutzrahmenrichtlinie), festgehalten werden.
- 7. Im Hinblick auf die von der Kommission geplante Rücknahme des Vorschlags einer Bodenschutzrichtlinie wird darauf hingewiesen, dass - unabhängig von der konkreten Kritik an dem vorliegenden Richtlinienvorschlag und der Schwierigkeiten bei der Beratung desselben - eine EU-weite Regelung zum Schutz des Bodens und Erhalt der wichtigen Bodenfunktionen für notwendig erachtet wird.
Böden als endliche und nicht erneuerbare Ressource benötigen besondere Aufmerksamkeit. Die zunehmende Schädigung und Degradation der Böden in Europa und auch weltweit ist offensichtlich. Sie zeigt sich im Rückgang der Artenvielfalt, in der Verdichtung und Verseuchung von Böden, an zunehmender Erosion und Erdrutschen, am Verlust von organischer Substanz und in der zunehmenden Versalzung und Versiegelung von Böden. Verursacht werden diese Schädigungen insbesondere durch den rasanten Flächenverbrauch für Siedlungs- und Verkehrsflächen, den steigenden Verbrauch von Fleisch- und Milchprodukten sowie den zunehmenden Wettbewerb um Land- und Wasserressourcen.
Der Schutz der Böden ist notwendig, um - in Zukunft die Versorgung mit sicheren und hochwertigen Lebensmitteln zu sichern,
- - sauberes Oberflächen- und Grundwasser zu erhalten (für die Trinkwasserversorgung eine elementare Voraussetzung), - die Anpassung an den Klimawandel zu ermöglichen und insbesondere in der Stadt ein gesundes Mikroklima zu bewahren,
- - einen wichtigen Beitrag zum natürlichen Hochwassermanagement zu leisten, -wertvolle Biotope zu schützen,
- - Grün- und Freiräume für Naherholung zu erhalten,
- - kulturelles und archäologisches Erbe zu bewahren.
Dabei sollte nicht auf eine EU-weite Regelung verzichtet werden. Der Erhalt der Bodenfunktionen als Grundlage für die biologische Vielfalt, als Kohlenstoffspeicher, als Rohstoffquelle bzw. als Nahrungsmittellieferant kann gemeinschaftsweit besser als durch rein nationale Regelungen erreicht werden, zumal das Bewusstsein zum Schutz des Bodens durch eine europäische Rahmenregelung auf der politischen und der Verwaltungsebene wie auch in der Bevölkerung gesteigert wird.
Es ist zu betonen, dass der Boden einen ebenso hohen Stellenwert wie die Schutzgüter Wasser und Luft hat, also auch gleichrangig behandelt werden muss. Analog zur EU-Wasserrahmenrichtlinie und der EU-Luftqualitätsrichtlinie sollte mit einer EU-Bodenrahmenrichtlinie eine einheitliche europäische Vorgehensweise zum Schutz des Bodens gesichert werden. Dabei sollte die künftige Bodenschutzpolitik in der EU mit einem allgemeinen Rahmen und gemeinsamen Grundsätzen aufgebaut werden. Da sich die Böden in den einzelnen Regionen Europas unterscheiden, ist das Subsidiaritätsprinzip von großer Bedeutung. Regionale Gegebenheiten sind dementsprechend zu berücksichtigen. Bodenschutzpolitik sollte also vornehmlich auf lokaler und regionaler Ebene umgesetzt werden, sich aber gleichwohl auf eine EU-Rahmenrichtlinie stützen.
Auch wirtschaftlich kann sich eine europäische Regelung positiv für Deutschland auswirken, indem die in Deutschland entwickelten Sanierungstechnologien durch die höheren Bodenschutzstandards in Europa mehr nachgefragt werden und die zurzeit für Deutschland in Europa vorhandenen Wettbewerbsnachteile (aufgrund des hohen deutschen Schutzstatus) ausgeglichen werden.
- 8. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung daher, sich bei der Prüfung der Rücknahme des Vorschlags für eine Bodenrahmenrichtlinie durch die Kommission eindringlich für die Wiederaufnahme der Beratungen zum Richtlinienvorschlag einzusetzen. Im weiteren Verfahren werden die Länder unter Bezug auf den dann aktuellen Sachstand konstruktive Verbesserungsvorschläge einbringen, um früheren Bedenken hinreichend Rechnung zu tragen und sie nach Möglichkeit auszuräumen.