983. Sitzung des Bundesrates am 29. November 2019
A
1. Der Finanzausschuss empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz zu verlangen, dass der Vermittlungsausschuss gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes aus folgendem Grund einberufen wird:
Für den Bund werden im Rahmen des Klimapakets 2030 erhebliche Mehreinnahmen prognostiziert, während Länder und Gemeinden ausschließlich finanzielle und administrative Mehrbelastungen tragen werden.
Für den Bundesrat stellen die Klimaschutzmaßnahmen ein Paket dar, aus dem nicht einzelne Maßnahmen isoliert betrachtet werden können, zumal Mehrsteuern für den Bund mit geringeren Steuereinnahmen von Ländern und Gemeinden korrespondieren können.
Der Bundesrat fordert, dass die finanziellen Auswirkungen angemessen auf die staatlichen Ebenen verteilt werden.
B
2. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat, zu dem Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
C
3. Der federführende Ausschuss für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit empfiehlt dem Bundesrat ferner, die folgende Entschließung zu fassen:
- a) Der Bundesrat stellt fest, dass es sich bei dem Gesetz über einen nationalen Zertifikatehandel für Brennstoffemissionen (Brennstoffemissionshandelsgesetz - BEHG) um ein Einspruchsgesetz nach Artikel 77 Absatz 3 des Grundgesetzes handelt. Der Bundesrat hält den von der Bundesregierung gewählten Weg, für ein Gesetz dieser Tragweite nicht die Zustimmungsbedürftigkeit vorzusehen, verbunden mit einem Gesetzgebungsverfahren ohne ausreichende Beratungszeiträume, für falsch. Er bemängelt, dass die Einstufung des Gesetzes als Einspruchsgesetz sowie der Ausschluss des Bundesrates von Verordnungsermächtigungen zu wesentlichen Aspekten dieses Gesetzes nicht dem Anspruch gerecht werden, dass Energiewende und Klimaschutz gemeinsam von Bund und Ländern getragen werden sollten.
- b) Die von der Bundesregierung mit dem BEHG vorgesehene CO₂-Bepreisung, bei der keine Emissionsobergrenze vorgesehen ist, trifft auf schwerwiegende verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich ihrer Zulässigkeit. Sollte gegen das Gesetz geklagt werden und festgestellt werden, dass es mit dem Grundgesetz nicht vereinbar ist, hätte dies erhebliche finanzielle Belastungen für den Bundeshaushalt zur Folge, da die erzielten Einnahmen an die nach dem Gesetz Zahlungsverpflichteten zurückgereicht werden müssten.
- c) Überdies ist der mit einem nationalen Emissionshandelssystem gewählte Regelungsweg nicht anschlussfähig an andere bereits existente Regelungswege in der Europäischen Union. Hierdurch wird die Zusammenarbeit mit anderen Mitgliedstaaten erschwert. Das ist nicht sinnvoll.
- d) Ziel des Gesetzes ist es, einen Anreiz zu klimaschonendem Verhalten zu setzen. Der von der Bundesregierung gewählte Einstiegspreis von zunächst 10 Euro pro Tonne ist hierfür jedoch nicht ausreichend bemessen, um die erhoffte Lenkungswirkung zu erzielen. Hierfür müsste mit einem CO₂-Preis von mindestens 40 Euro pro Tonne gestartet werden, der danach jährlich deutlich steigt.
- e) Der Bundesrat stellt fest, dass es alternativ mit der Möglichkeit von CO₂-Aufschlägen auf bestehende Energiesteuern inklusive der Einführung einer Kerosinsteuer auf Inlandsflüge ein einfaches, bürokratiearmes, verfassungskonformes und leicht zu implementierendes System für eine wirksame CO₂-Bepreisung gibt.
- f) Ergänzend zu der Bepreisung von Emissionen des Non-ETS-Sektors sollte ebenfalls ein Mindestpreis für Emissionen des ETS-Sektors angestrebt werden. Zwar haben sich im EU-weiten Emissionshandel die Zertifikatpreise in den letzten Monaten stabilisiert, jedoch gibt es weiterhin eine große Bandbreite der Prognosen der zukünftigen Preisentwicklung und damit eine erhebliche Unsicherheit, die Investitionen in den dem Emissionshandel unterliegenden Unternehmen aus Energiewirtschaft und Industrie erschwert. Daher sind Prüfungen und Gespräche mit der EU-Kommission sowie anderen Mitgliedstaaten erforderlich, inwieweit ein CO₂-Mindestpreis im EU-Emissionshandelssystem EU-weit oder in einer Gruppe von Mitgliedstaaten umgesetzt werden kann. Notfalls sind auch nationale Regelungen anzustreben.
- g) Der Bundesrat ist überdies der Auffassung, dass es einer vollständigen, transparenten und sozial gerechten Rückerstattung der Einnahmen aus einer CO₂-Bepreisung an die Bürgerinnen und Bürger sowie Unternehmen bedarf, um Akzeptanz für dieses Instrument zu erlangen. Der vorgesehene Ausgleich der Mehrbelastung, u.a. durch die Anhebung der Entfernungspauschale ab dem 21. Kilometer, die Einführung einer Mobilitätsprämie, die Anhebung des Wohngelds sowie die minimale Absenkung der EEG-Umlage, ist weder transparent noch sozial gerecht und unter Klimaschutzgesichtspunkten widersprüchlich.
- h) Der Bundesrat hält es ebenso für erforderlich, die vorgesehenen Carbon-Leakage-Regelungen auf energieintensive und im internationalen Wettbewerb stehende Unternehmen zu beschränken und diese im Gesetz selbst, nicht in einer Verordnung zu regeln. Dabei reicht es auch nicht aus, dass der Deutsche Bundestag nach dem Gesetzesbeschluss an dieser Verordnung beteiligt ist, wenn dies gleichzeitig dem Bundesrat versagt bleibt. Der Bundesrat weist mit Sorge darauf hin, dass bei dem Ansatz eines nationalen Emissionshandelssystems ein weiteres eigenständiges Konzept und Verfahren für Carbon-Leakage-Regelungen erstellt und umgesetzt werden muss, was den Bürokratieaufwand für Verwaltung und Unternehmen erhöht.