Der Bundesrat hat in seiner 907. Sitzung am 1. März 2013 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
- 1. Der Bundesrat begrüßt grundsätzlich die Maßnahmen der Kommission für eine wirksame Zollrisikoanalyse. Angesichts der Entwicklung des internationalen Handels kann nur durch Konzentration der Zollkontrollen auf risikobehaftete Warensendungen erreicht werden, dass sowohl ein hohes Schutz- und Sicherheitsniveau gewährleistet als auch die zollrechtliche Einfuhrabwicklung beschleunigt werden kann. Die von der Kommission intendierte "stärkere Einbeziehung von Unternehmen, die grenzüberschreitend Waren befördern", wird jedoch äußerst kritisch betrachtet.
- 2. Er weist darauf hin, dass es in der Vergangenheit bereits diverse Maßnahmen gegeben hat, die eine immense Belastung der Unternehmen mit sich gebracht haben, und deren Effizienz und Effektivität vor der Schaffung neuer und der Ausweitung bestehender Instrumente überprüft werden sollte. Die Annahme der Kommission, dass die zur Risikoanalyse vorliegenden Daten, die die Wirtschaftsbeteiligten vor Ankunft der Waren im Zollgebiet per summarischer Eingangsanmeldung den Zollbehörden übermitteln, den "Mindestanforderungen" an eine wirksame Risikoanalyse nicht genügen, ist zu hinterfragen. Bevor der Umfang der verlangten Daten ausgeweitet wird, müsste von der Kommission belegt werden, warum diese zusätzlichen Daten zur Verbesserung der Risikoanalyse zwingend erforderlich sind, da der Wirtschaft hierdurch weitere Kosten entstehen.
- 3. Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, keinen weiteren Maßnahmen zuzustimmen, mit denen neue bürokratische Belastungen für die Wirtschaftsunternehmen, insbesondere für KMU, einhergehen. Vor Schaffung neuer Instrumente ist eine Mitgliedstaaten übergreifende Analyse über die Auswirkungen der Rechtsakte auf die Wirtschaftsunternehmen durchzuführen (z.B. Verteilung der zugelassenen Wirtschaftsbeteiligten - AEO-Authorized Economic Operator - auf die Mitgliedstaaten, unterschiedliche Kosten der AEO-Zertifizierung, Installation von Compliance-Software-Lösungen in die Unternehmensprozesse in den einzelnen Mitgliedstaaten etc.). Ein systemischer "Bürokratie-Belastungs-Check" wäre überdies sehr zu begrüßen.
- 4. Er weist darauf hin, dass die Maßnahmen der Vergangenheit bereits erhebliche Belastungen für die Unternehmen mit sich gebracht haben, sich konkrete Vorteile für die Unternehmen aber nicht belegen lassen. So legt die Kommission besonderes Gewicht auf den AEO-Status als Instrument zur Schaffung sicherer Lieferketten und betont in diesem Zusammenhang, dass dieses Instrument von "einigen wichtigen Handelspartnern förmlich anerkannt wurde". Die Vorteile für die Unternehmen, die diesen Status erworben haben, sind allerdings unverändert gering, soweit es die gegenseitige Anerkennung mit den Handelspartnern betrifft, teils gar nicht erkennbar. Hier wäre zu wünschen, dass die Anreize für die Unternehmen deutlich erhöht würden und vor allem auch aufgezeigt würde, welche Vorteile die Handelspartner von EU-Unternehmen mit AEO-Status in Drittstaaten hiervon konkret haben.
- 5. Der Bundesrat ist der Ansicht, dass zukünftige Maßnahmen die vorhandenen Risikoprogramme berücksichtigen und vorrangig eine bessere Vernetzung derselben anstreben sollten. Der Bundesrat begrüßt die Absicht der Kommission, die zurzeit verschiedenen Risikoprogramme in unterschiedlichen Politikbereichen stärker aufeinander abzustimmen, und bittet die Bundesregierung, die Kommission auf diesem Weg zu unterstützen. Beispielsweise interessieren sich viele exportierende Unternehmen sowohl für den zollrechtlichen AEO-Status als auch für den Status des "Bekannten Versenders" in der Luftfracht. Da beide Programme unterschiedliche Zielsetzungen und daher unterschiedliche Anforderungen haben, entstehen den Unternehmen hohe Kosten. Allerdings ist darauf zu achten, dass es am Ende keine Super-Zertifizierung für alle denkbaren Zwecke gibt, die aus Kostengründen nur noch wenige Unternehmen anstreben würden. Der Bundesrat begrüßt ebenfalls das Ziel, den AEO-Status mit Sicherheitsinitiativen der wichtigsten Handelspartner der EU zu koordinieren. Dabei muss jedoch darauf geachtet werden, dass die Programme in der EU nicht durch die Übernahme weiterer Sicherheitselemente aus den Programmen unserer Handelspartner zu einer zusätzlichen Kostenbelastung für die Unternehmen führen.
- 6. Der Bundesrat sieht die Bestrebungen der Kommission, eine Anpassung und Weiterentwicklung der nationalen elektronischen Risikoanalyseinstrumente vorzunehmen, mit Bedenken. In den vergangenen fünf Jahren ist es nicht gelungen, die für den modernisierten Zollkodex geforderten IT-Systeme zu implementieren. Daher wird die Bundesregierung aufgefordert, darauf hinzuwirken, dass sich die Pläne der Kommission zunächst an den tatsächlichen Möglichkeiten ausrichten. In Bezug auf die Feststellung der Kommission, dass es erhebliche Unterschiede bei der Entwicklung, der Kapazität und der technischen Leistungsfähigkeit der nationalen elektronischen Risikoanalysesysteme gibt, ist der Bundesrat der Ansicht, dass die Systeme in Mitgliedstaaten mit unterdurchschnittlichen Standards zunächst einmal auf den Stand der Mitgliedstaaten mit höheren Standards zu bringen sind, anstatt das Gesamtsystem weiterzuentwickeln.
- 7. Die Vorschläge der Kommission in der vorliegenden Mitteilung sind noch sehr allgemein gehalten. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung, genau zu beobachten, welche Aktivitäten die Kommission hieraus entfaltet und welche Auswirkungen diese auf die Unternehmen haben. Der Bundesrat bittet die Bundesregierung bereits jetzt, sich in den zu erwartenden Rechtsetzungsverfahren auf europäischer Ebene dafür einzusetzen, dass die Belastungen für die Wirtschaft, insbesondere für KMU, durch die Einführung neuer und die Erweiterung bestehender Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit in der Lieferkette möglichst gering ausfallen.