Empfehlungen der Ausschüsse
Vorschlag für eine Richtlinie des Europäischen Parlaments und des Rates über den Rechtsrahmen der Europäischen Union in Bezug auf Zollrechtsverletzungen und Sanktionen - COM (2013) 884 final

919. Sitzung des Bundesrates am 14. Februar 2014

A

Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU), der Rechtsausschuss (R) und der Wirtschaftsausschuss (Wi) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:

Begründung zu Ziffern 2 und 4 (nur gegenüber dem Plenum):

Die vorgeschlagene Richtlinie bezweckt die Harmonisierung des Sanktionsrechts im Hinblick auf die Verletzung von Verpflichtungen, die sich aus dem Zollkodex der Union* ergeben. Gemäß § 3 Absatz 3 der Abgabenordnung (allgemei/steuerao_ges.htm ) sind Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 4 Nummer 10 und 11 des Zollkodexes Steuern im Sinne der AO. Die Einfuhr von Gegenständen in das Zollgebiet gehört zudem zu den "Umsätzen", die gemäß § 1 Absatz 1 Nummer 4 UStG der Umsatzsteuer unterliegen. Zollvergehen sind in der Regel Steuerdelikte.

Dass der Rechtsakt eine gemeinsame Nomenklatur für Zollrechtsverletzungen sowie ein Verzeichnis von Sanktionen für einzelne Rechtsverletzungen nur im nichtstrafrechtlichen Bereich einführen soll, ergibt sich nur mittelbar aus seiner Bezugnahme auf eine Arbeitsunterlage der Kommission (vgl. Abschnitt "2.2 Folgenabschätzung" der Begründung des Richtlinienvorschlags in BR-Drucksache 809/13 (PDF), Seite 6). Eine Klarstellung, dass Steuerstrafrecht unberührt bleibt, ist deshalb angebracht.

Die geplante Ausgestaltung des Sanktionsrechts beträfe unmittelbar nur die Bundeszollverwaltung, brächte aber gleichwohl zahlreiche Friktionen mit dem Ordnungswidrigkeitenrecht der Bundesrepublik Deutschland mit sich. Ein Paradigmenwechsel wäre nach deutschem Verfassungsverständnis insbesondere mit Artikel 3 des Richtlinienvorschlags verbunden, weil dieser verschuldensunabhängig die Verhängung von Sanktionen ermöglichen soll.

Auch "Verwaltungssanktionen" werden in einem strafrechtsähnlichen Verfahren verhängt, selbst wenn der rechtsstaatliche Standard des Artikels 6 EMRK im Bußgeldverfahren nicht "in aller Strenge" beachtet werden muss (vgl. Schlussanträge Generalanwältin Sharpston vom 10. Februar 2011 in dem Verfahren EuGH, Urteil KME Germany und andere vs. Kommission vom 8. Dezember 2011 - EuGH C-272/09 P -, Nr. 67; EGMR, Urteil Jussila vs. Finnland vom 23. November 2006, Beschwerde Nr. 73053/01, Rnr. 43.) Dennoch gilt auch im Bußgeldverfahren, dass Rechtsnormen, welche den Angeklagten jeder Verteidigungsmöglichkeit berauben, weil sie Sanktionen vollständig unabhängig von jeder Tatschuld vorsehen, nicht nur gegen den nach deutschem Verfassungsrecht unabdingbaren Grundsatz "nulla poena sine culpa" verstoßen, sondern auch gegen die Europäische Menschenrechtskonvention (vgl. EGMR, Urteil Salabiaku vom 7. Oktober 1988, EGMR-E 4, 139 ff.; EGMR, Urteil Pham Hoang vom 25. September 1992, EuGRZ 1992, 472 f.). Einer derartigen Regelung ist deshalb aus grundsätzlichen Erwägungen zu widersprechen.

B