Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 112012 - vom 18. Juni 2007. Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 24. Mai 2007 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - in Kenntnis der am 23. April 2007 gegenüber der Bundesrepublik Nigeria abgegebenen Erklärung über vorläufige Erkenntnisse und Schlussfolgerungen der Wahlbeobachtermission der Europäischen Union,
- - in Kenntnis der Grundsatzerklärung für die internationale Wahlbeobachtung und des Verhaltenskodex für die internationalen Wahlbeobachter, die am 27. Oktober 2005 im Rahmen der Vereinten Nationen verabschiedet wurden,
- - in Kenntnis der Mitteilung der Kommission vom 11. April 2000 über Wahlunterstützung und Wahlbeobachtung durch die EU (KOM (2000) 0191),
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 2 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Wahlen auf Landes- und Bundesebene 2007 in Nigeria den grundlegenden internationalen und regionalen Standards für demokratische Wahlen nicht genügten und daher nicht als glaubwürdig, frei und fair betrachtet werden können,
B. in der Erwägung, dass diese Wahlen den Hoffnungen und Erwartungen der Bürger Nigerias nicht entsprochen haben, die sich eifrig an den Wahlen beteiligten und oft unter sehr schwierigen Umständen wählten, wobei sie sich entschlossen zeigten, ihre Stimme abzugeben und ihr demokratisches Recht trotz einer Atmosphäre der Unsicherheit und Angst der Wähler in vielen Gebieten zu nutzen,
C. in der Erwägung, dass die Wahlbeobachtermission der Europäischen Union zu dem Schluss gelangte, dass die Wahlen durch schlechte Organisation, mangelnde Transparenz, weit verbreitete verfahrensmäßige Unregelmäßigkeiten, vielsagende Beweise für Betrug, insbesondere im Rahmen der Sammlung der Ergebnisse, Entzug des Wahlrechts in verschiedenen Verfahrensphasen und das Fehlen gleicher Bedingungen für die Kandidaten stark beeinträchtigt waren,
D. in der Erwägung, dass die nigerianische Regierung und die für die Durchführung der Wahlen Verantwortlichen, statt das Grundrecht der Bürger auf freie Wahl zu garantieren, aktiv an dem Betrug und der Gewalt mitwirkten oder zumindest Menschenrechtsverletzungen ignorierten, die von Anhängern der regierenden Partei und weiteren Personen begangen wurden,
E. in der Erwägung, dass die Wahllokale am Tag der Wahlen auf Landesebene sehr spät oder überhaupt nicht geöffnet wurden, dass es an ausreichendem Material mangelte und dass es nicht genügend Wahlhelfer gab, von denen die meisten auch über keine adäquate Ausbildung verfügten,
F. in der Erwägung, dass eine geheime Wahl wegen fehlender Wahlkabinen und schlechter Aufteilung der Wahllokale oft nicht gewährleistet war, dass die Verfahren nicht korrekt angewandt wurden, dass die unabhängigen Beobachter teilweise behindert wurden und dass beobachtet wurde, dass auch Minderjährige wählten,
G. in der Erwägung, dass die EU-Beobachter über Unregelmäßigkeiten während der Auszählung und Sammlung der Ergebnisse berichteten, darunter Störungen, fehlende Auszählung und unterschiedliche Ergebnisse, und dass die Ergebnisse der einzelnen Wahllokale auf keiner Ebene der Wahlbehörden landesweit öffentlich ausgehängt wurden,
H. in der Erwägung, dass diese Probleme Gewalt nach sich zogen, die dazu führte, dass in der Zeit vor und nach den Wahlen auf Landesebene vom 14. April 2007 mindestens 50 Personen getötet und ebenso viele verwundet wurden, wobei die Hälfte der Toten im Niger-Delta verzeichnet wurde, sowie allgemeines Chaos, wobei auch Wahlurnen von Schlägertrupps entwendet wurden,
I. in der Erwägung, dass einige der Mängel zwischen den Wahlen vom 14. April und vom 21. April 2007 behoben werden konnten, sowie in der Erwägung, dass die politischen Parteien und die Polizei konkrete Schritte hätten einleiten können, um ein friedliches und stabiles Umfeld zu schaffen,
J. in der Erwägung, dass die EU-Beobachter am Tag der Wahlen auf Bundesebene die gleiche Art von Unregelmäßigkeiten beobachteten wie am 14. April 2007, nämlich die Auffüllung von Wahlurnen, die Abänderung offizieller Ergebnislisten, den Diebstahl sensiblen Wahlmaterials, Stimmenkauf und die Stimmabgabe von Minderjährigen,
K. in der Erwägung, dass das Endergebnis in beiden Fällen ein erdrutschartiger Sieg für die regierende Demokratische Volkspartei (PDP) war, wobei in einigen Fällen hundert Prozent aller Stimmen für die PDP abgegeben wurden,
L. in der Erwägung, dass politische Parteien, Zivilgesellschaft und Medien gravierende Besorgnis über den Wahlverlauf geäußert haben,
M. in der Erwägung, dass die "Transition Monitoring Group", die größte einheimische Beobachterorganisation in Nigeria, eine Wiederholung der Präsidentschaftswahlen gefordert hat,
N. in der Erwägung, dass die Unabhängige Nationale Wahlkommission sich nicht gut auf die Wahlen vorbereitete und bei den Wahlbeteiligten kein Vertrauen hinsichtlich ihrer Fähigkeit und Unparteilichkeit erweckte,
O. in der Erwägung, dass in den vorbereitenden Phasen der Wahlen Versäumnisse in Bezug auf grundlegende Fairness für die Opposition, Transparenz, Wählerregistrierung und Achtung der Rechtstaatlichkeit verzeichnet wurden und dass Präsident Olusegun Obasanjo versuchte, Kandidaten auszuschließen,
P. in der Erwägung, dass unter der Präsidentschaft von Obasanjo eindrucksvolle Errungenschaften verzeichnet und die Demokratie in ganz Afrika propagiert wurde, dass sie diese positiven Schritte aber nun konsolidieren und sich auf freie und faire Wahlen in Einklang mit internationalen Standards verpflichten muss,
Q. in der Erwägung, dass Frauen als Kandidaten und in den Wahlbehörden weiterhin unterrepräsentiert sind,
R. in der Erwägung, dass die allgemeinen Wahlen eine Möglichkeit für das Land boten, seine allererste Machtübergabe von einer zivilen Regierung auf eine andere zu vollziehen und so die Demokratie zu konsolidieren,
S. in der Erwägung, dass die Wahlen mit ihren 140 Millionen Menschen, die ca. 250 Volksgruppen in Nigeria angehören und in 36 Staaten, jeweils mit eigenem Gouverneur und eigener Gesetzgebung, leben, sowie mit 64 Millionen registrierten Wählern die bedeutendsten je in Afrika durchgeführten waren,
T. in der Erwägung, dass die Transparenz und die Glaubwürdigkeit der Wahlen den internationalen Rang Nigerias sowie die Qualität der bilateralen Beziehungen und der wirtschaftlichen Zusammenarbeit stark beeinflussen,
U. in der Erwägung, dass erfolgreiche und glaubwürdige Wahlen ein unverzügliches und proaktives nationales, regionales und weitreichenderes internationales Engagement erfordern, um Gewalt und Manipulationen bei den Wahlen vorzubeugen,
V. in der Erwägung, dass trotz der generell professionellen Arbeit der EU-Wahlbeobachtermission bezüglich der Vertrauensbildung der Wähler durch die Aufdeckung von Unregelmäßigkeiten, Verhinderung von Betrug und Abgabe von Empfehlungen zur Verbesserung des Wahlverfahrens die Glaubwürdigkeit der Europäischen Union durch das Fehlen einer kohärenten Politik nach den Wahlen, wenn es darum geht, auf gescheiterte Wahlen zu reagieren, beeinträchtigt wird,
W. in der Erwägung, dass die fragile Stabilität Nigerias auf dem Spiel steht,
- 1. fordert unverzügliche Abhilfemaßnahmen seitens der zuständigen Behörden und Personen, um die Voraussetzungen für glaubwürdige und transparente Wahlen in Nigeria wiederherzustellen;
- 2. fordert die staatlichen Stellen Nigerias nachdrücklich auf, unverzüglich, gründlich und transparent Unregelmäßigkeiten bei den Wahlen zu untersuchen und sofortige Maßnahmen zu ergreifen, um die Situation zu bereinigen und die für diese Unregelmäßigkeiten Verantwortlichen für ihr Handeln zur Rechenschaft zu ziehen;
- 3. fordert konkrete Maßnahmen, um eine wirklich unabhängige Wahlbehörde mit umfassender Kapazität zur Durchführung freier und fairer Wahlen einzurichten;
- 4. bekräftigt, dass das nigerianische Volk ein Recht auf neue glaubwürdige Wahlen hat, die unter Aufsicht einer wirklich unabhängigen und effizienten Unabhängigen Nationalen Wahlkommission (INEC) durchgeführt werden; betont, dass die INEC derzeit die organisatorischen und logistischen Herausforderungen, mit denen sie konfrontiert ist, nicht bewältigen kann;
- 5. bedauert, dass es dem Wahlgesetz von 2006 nach wie vor an grundlegenden Transparenzvoraussetzungen mangelt, insbesondere bezüglich der Sammlung und Veröffentlichung der Ergebnisse, und fordert dessen Änderung;
- 6. nimmt zur Kenntnis, dass möglicherweise ein aus Mitgliedern des Repräsentantenhauses und des Senats, die allen Parteien angehören, bestehender Ausschuss eingesetzt wird, um den Wahlverlauf zu überprüfen und Empfehlungen für neue und glaubwürdige Wahlen zu unterbreiten;
- 7. bedauert, dass trotz einer besseren Atmosphäre, in der Meinungs- und Versammlungsfreiheit während der Kampagne im Großen und Ganzen respektiert wurden, wobei die Gerichte im Allgemeinen eine positive und unabhängige Rolle übernahmen und die Menschen sich wirklich für die Demokratie engagierten, die Wahlen nicht als glaubwürdig betrachtet werden können;
- 8. bedauert nachdrücklich, dass trotz der Vorkehrungen der Regierung für den massiven Einsatz von Polizei, Armee und staatlichen Sicherheitsdiensten die Wahlen zum Tod von Menschen führten, sogar noch bevor die Stimmenauszählung begann und manchmal sogar bevor die Stimmen abgegeben wurden, wobei mindestens 200 Personen, darunter Kandidaten und Polizisten, bei Zwischenfällen im Zusammenhang mit den Wahlen getötet wurden;
- 9. fordert die staatlichen Stellen Nigerias, die INEC und die politischen Parteien auf, alle Fälle von Gewalt zu untersuchen und diejenigen, die Gewalttaten verübt haben, zur Rechenschaft zu ziehen;
- 10. verurteilt die Atmosphäre der Straflosigkeit für Verstöße gegen die Wahlgesetze, die Straffreiheit für die Verantwortlichen und die Praxis, Gangster anzuheuern, um Verstöße bei den Wahlen zu begehen, und fordert konkrete Maßnahmen auf diesem Gebiet;
- 11. fordert die nigerianische Regierung auf, sich in Bezug auf Anfechtungen des Wahlverfahrens nicht einzumischen, und fordert die Oppositionsparteien auf, die Wahlgerichtsverfahren zu nutzen, sich jeglicher Gewalt zu enthalten und die gemeinsamen Vermittlungsbemühungen der Afrikanischen Union und der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten im Hinblick auf neue glaubwürdige Wahlen zu unterstützen, um Lösungen für die dramatische Situation nach den Wahlen zu finden;
- 12. begrüßt die von den Berufungsgerichten eingeführten Verfahren, um die rasche Behandlung von Eingaben nach den Wahlen zu vereinfachen und zu gewährleisten, bedauert jedoch, dass benachteiligte Oppositionsparteien, die Klage beim Wahlgericht erhoben, zwei Wochen nach den Präsidentschaftswahlen immer noch darauf warteten, dass die Anhörungen begannen;
- 13. fordert eine effektive und weitreichende Fortbildung in Bezug auf Bürger- und Wahlrechte und betont die Notwendigkeit, gegen das weit verbreitete Analphabetentum vorzugehen, das Bürgern in Nigeria den Zugang zur Presse verwehrt und auch, insbesondere für Frauen, eines der Haupthindernisse für die Teilnahme an Wahlen ist;
- 14. unterstützt die Schlussfolgerungen der Wahlbeobachtermission der Europäischen Union;
- 15. fordert die Kommission auf, dem Rat und dem Europäischen Parlament einen kohärenten und glaubwürdigen Vorschlag zur Vorgehensweise der Europäischen Union nach Wahlen vorzulegen, der die freie Entscheidung der Bevölkerung in einem gegebenen Land respektiert, und befürchtet, dass die derzeitige Politik, einfach so weiter zu machen wie bisher, von Nachteil ist und die Glaubwürdigkeit der EU-Wahlbeobachtermissionen beeinträchtigt;
- 16. betont, dass die EU-Hilfe für Nigeria nicht gliedstaatlichen oder gesamtstaatlichen Einrichtungen geleistet werden sollte, solange keine neuen glaubwürdigen Wahlen organisiert wurden; weist darauf hin, dass diese Hilfe dem nigerianischen Volk zugute kommen muss und daher für verantwortungsvolle Staatsführung, Demokratisierung, Fortbildung von Wählern und gemeinschaftsgestützte grundlegende soziale Dienstleistungen, insbesondere durch Organisationen der Zivilgesellschaft, genutzt werden sollte;
- 17. fordert die Kommission und ihre Delegation in Nigeria auf, zu gewährleisten, dass die Regierung nicht in die Auswahl der Projekte oder die Ausführung irgendwelcher Finanzmittel der Europäischen Initiative für Demokratie und Menschenrechte einbezogen wird, die ausdrücklich so konzipiert ist, dass sie ohne Zustimmung des Gastlandes operieren kann;
- 18. fordert die Regierung Nigerias nachdrücklich auf, die tief verankerten Verhaltensmuster, was Korruption, Gewalt und Straffreiheit betrifft, zu bekämpfen, die das Regieren in vielen Teilen des Landes, insbesondere auf regionaler und lokaler Ebene, sabotieren und dafür verantwortlich sind, dass die Mehrheit der Bürger Nigerias in Armut lebt und es ihnen an grundlegenden Dienstleistungen im Gesundheits- und Bildungswesen mangelt, und die Menschenrechte zu respektieren;
- 19. fordert die Behörden Nigerias auf, mit den lokalen Bevölkerungen Verhandlungen über die Zukunft des Niger-Deltas aufzunehmen, insbesondere über dessen soziale, wirtschaftliche und ökologische Entwicklung;
- 20. stellt fest, dass die Verwirklichung der Millenniums-Entwicklungsziele ein entscheidender Aspekt der Demokratie ist und dazu beiträgt, soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Entwicklung zu verbessern;
- 21. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, den Regierungen und Parlamenten der Mitgliedstaaten, der Regierung Nigerias, den Ko-Präsidenten der Paritätischen Parlamentarischen Versammlung AKP-EU, dem Präsidenten der Kommission und dem Vorsitzenden des Exekutivrates der Afrikanischen Union sowie der Kommission und dem Ministerrat der Wirtschaftsgemeinschaft der westafrikanischen Staaten zu übermitteln.