Zugeleitet mit Schreiben des Generalsekretärs des Europäischen Parlaments - 102998 - vom 5. März 2009.
Das Europäische Parlament hat die Entschließung in der Sitzung am 4. Februar 2009 angenommen.
Das Europäische Parlament,
- - unter Hinweis auf die internationalen, europäischen und einzelstaatlichen Instrumente für Menschenrechte und Grundfreiheiten sowie für das Verbot von willkürlicher Inhaftierung, Verschleppungen und Folter, wie den Internationalen Pakt über bürgerliche und politische Rechte und das Übereinkommen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche und erniedrigende Behandlung oder Strafe vom 10. Dezember 1984,
- - unter Hinweis auf die transatlantische Zusammenarbeit zwischen den Vereinigten Staaten und der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, insbesondere auf dem Gebiet der Bekämpfung des Terrorismus,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 13. Juni 2006 zur Lage der Gefangenen in Guantánamo1,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 16. Februar 2006 zu Guantánamo2,
- - unter Hinweis auf seine Empfehlung an den Rat vom 10. März 2004 zu dem Recht der Häftlinge in Guantánamo auf ein faires Verfahren3,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 7. Februar 2002 zu den Häftlingen in Guantanamo Bay4,
- - unter Hinweis auf die Entschließungen der Parlamentarischen Versammlung des Europarats,
- - unter Hinweis auf den Bericht der Menschenrechtskommission der Vereinten Nationen vom 15. Februar 2006,
- - unter Hinweis auf die Erklärungen der Sonderberichterstatter der Vereinten Nationen,
- - unter Hinweis auf die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Ausschusses der Vereinten Nationen für die Bekämpfung der Folter betreffend die Vereinigten Staaten,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des Präsidenten des Europäischen Parlaments vom 20. Januar 2009,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des Menschenrechtskommissars des Europarats vom 19. Januar 2009,
- - unter Hinweis auf die Erklärung des EU-Koordinators für die Terrorismusbekämpfung,
- - unter Hinweis auf die Erklärungen des für Justiz, Freiheit und Sicherheit zuständigen Mitglieds der Kommission und des EU-Vorsitzes,
- - unter Hinweis auf seine Entschließung vom 14. Februar 2007 zu der behaupteten Nutzung europäischer Staaten durch die CIA für die Beförderung und das rechtswidrige Festhalten von Gefangenen5 und die Arbeit des Europarats zu dem gleichen Thema,
- - gestützt auf Artikel 103 Absatz 4 seiner Geschäftsordnung,
A. in der Erwägung, dass die Vereinigten Staaten nach den Terroranschlägen vom 11. September 2001 in Guantánamo Bay (Kuba) im Januar 2002 ein Hochsicherheitsgefangenenlager errichtet haben, in dem Terrorismusverdächtige festgehalten werden,
B. in der Erwägung, dass den Gefangenen in Guantánamo Bay die grundlegenden Menschenrechte vorenthalten wurden, insbesondere das Recht auf ein faires Verfahren, und dass bei ihnen harte Verhörmethoden wie "Waterboarding" angewandt wurden, die Folter und grausamer, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung gleichkommen,
C. in der Erwägung, dass in einer Reihe von Urteilen von US-Gerichten, einschließlich des Obersten Gerichtshofs, teilweise und begrenzte Rechte anerkannt wurden, einschließlich der Möglichkeit, Zugang zu US-Zivilgerichten zu erhalten,
D. in der Erwägung, dass eine von den US-Behörden veröffentlichte Liste die Namen von 759 ehemaligen und derzeitigen Guantánamo-Häftlingen enthält; in der Erwägung, dass 525 Gefangene entlassen wurden und 5 in Gewahrsam gestorben sind; in der Erwägung, dass sich derzeit noch etwa 250 Gefangene in Guantánamo befinden, von denen
- - einige nur deshalb noch in Guantánamo sind, weil es kein Land gibt, in dem sie ohne Gefahr für ihre Sicherheit aufgenommen werden könnten - es handelt sich um Personen, die von den Vereinigten Staaten nie eines Verbrechens angeklagt worden sind oder keines Verbrechens angeklagt werden sollen,
- - einige angeklagt und einem Verfahren zugeführt werden sollen,
- - einige als potenzielle Gefahr gelten, ohne dass die Vereinigten Staaten jedoch beabsichtigen, sie anzuklagen,
E. in der Erwägung, dass die Anwendung von Folter und anderen rechtswidrigen Mitteln dazu führt, dass "Beweismaterial" vor Gericht nicht zugelassen wird, was Anklageerhebungen und Verurteilungen wegen Terrorismus unmöglich macht,
F. in der Erwägung, dass die US-Behörden behaupten, dass 61 ehemalige Guantánamo-Häftlinge seit ihrer Freilassung an terroristischen Handlungen beteiligt gewesen seien,
- 1. begrüßt ausdrücklich die Entscheidung von US-Präsident Barack Obama, das Gefangenenlager Guantánamo zu schließen, sowie andere damit zusammenhängende Verfügungen, die einen wichtigen Wandel in der Politik der Vereinigten Staaten hin zur Achtung des humanitären Völkerrechts darstellen; ermutigt die neue Regierung, weitere Schritte in diese Richtung zu unternehmen;
- 2. erinnert daran, dass die Hauptverantwortung für das gesamte Verfahren der Schließung des Gefangenenlagers Guantánamo und für die Zukunft seiner Insassen bei den Vereinigten Staaten liegt; bekräftigt jedoch, dass die Verantwortung für die Achtung des Völkerrechts und der Grundrechte bei allen demokratischen Staaten liegt, und insbesondere bei der Europäischen Union und ihren Mitgliedstaaten, die zusammen eine Wertegemeinschaft darstellen;
- 3. fordert die Vereinigten Staaten auf zu gewährleisten, dass auf der Grundlage internationalen und US-amerikanischen Verfassungsrechts die Menschenrechte und Grundfreiheiten der Guantánamo-Häftlinge geachtet werden, sowie zu gewährleisten,
- - dass einem Gefangenen, gegen den die Vereinigten Staaten genügend Beweismaterial besitzen, unverzüglich ein ordentliches Verfahren mit einer fairen und öffentlichen Verhandlung vor einem zuständigen, unabhängigen und unparteiischen Gericht zuteil wird und dass er im Falle einer Verurteilung in den Vereinigten Staaten inhaftiert wird,
- - dass ein Gefangener, gegen den keine Anklage erhoben werden soll und der sich freiwillig für eine Rückkehr entscheidet, so schnell wie möglich in sein Herkunftsland rückgeführt wird,
- - dass einem Gefangenen, gegen den keine Anklage erhoben werden soll, der jedoch nicht rückgeführt werden kann, weil die ernsthafte Gefahr besteht, dass er in seinem Herkunftsland unter Folter und Verfolgung zu leiden hat, die Möglichkeit geboten wird, in den Vereinigten Staaten aufgenommen zu werden und ihm in den Vereinigten Staaten selbst humanitärer Schutz und Wiedergutmachung gewährt wird;
- 4. fordert die Mitgliedstaaten auf, im Falle einer Anfrage von Seiten der US-Regierung an der Suche nach Lösungen mitzuwirken, darauf vorbereitet zu sein, Guantánamo-Häftlinge in der Europäischen Union aufzunehmen, um einen Beitrag zur Stärkung des Völkerrechts zu leisten, und vorrangig allen eine faire und menschliche Behandlung zuteil werden zu lassen; erinnert daran, dass die Mitgliedstaaten zu loyaler Zusammenarbeit sowie dazu verpflichtet sind, einander hinsichtlich möglicher Auswirkungen auf die öffentliche Sicherheit in der Europäischen Union zu konsultieren;
- 5. beauftragt seinen Präsidenten, diese Entschließung dem Rat, der Kommission, dem Hohen Vertreter für die GASP, den Parlamenten der Mitgliedstaaten, dem NATO-Generalsekretär, dem Generalsekretär und dem Präsidenten der Parlamentarischen Versammlung des Europarats, dem Generalsekretär der Vereinten Nationen sowie dem Präsidenten und dem Kongress der Vereinigten Staaten von Amerika zu übermitteln.
- 1 ABl. C 300 E vom 9.12.2006, S. 136.
- 2 ABl. C 290 E vom 29.11.2006, S. 423.
- 3 ABl. C 102 E vom 28.4.2004, S. 640.
- 4 ABl. C 284 E vom 21.11.2002, S. 353.
- 5 ABl. C 287 E vom 29.11.2007, S. 309.