Punkt 18 der 874. Sitzung des Bundesrates am 24. September 2010
Der Bundesrat möge beschließen, die Entschließung in folgender Fassung zu fassen: Der Bundesrat fordert die Bundesregierung auf, einen Gesetzentwurf zur Änderung einfachen Rechts und erforderlichenfalls des Verfassungsrechts vorzulegen, der die Öffnung der Ehe für Personen gleichen Geschlechts ermöglicht.
Begründung:
Das "Gesetz zur Beendigung der Diskriminierung gleichgeschlechtlicher Gemeinschaften: Lebenspartnerschaften" vom 16. Februar 2001 hat gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften die Möglichkeit eröffnet, ihrer Partnerschaft einen rechtlichen Rahmen zu geben.
In der Folgezeit hat das Bundesverfassungsgericht vielfältigen Anpassungsbedarf im einfachen Recht vor dem Hintergrund gesehen, dass die Lebenspartner nicht die gleichen Rechte hatten bzw. haben wie Ehepartner. Noch in den Jahren 2009 und 2010 sah das Gericht die Ungleichbehandlung bei der betrieblichen Hinterbliebenenversorgung und im Erbschafts- und Schenkungssteuerrecht als nicht mit dem Gleichheitssatz des Artikels 3 Absatz 1 GG vereinbar an.
Trotz der weitgehenden Annäherung der Lebenspartnerschaft an die Ehe hat das Gericht an der Verschiedengeschlechtlichkeit der Partner als konstituierendem Merkmal des Ehebegriffs in Artikel 6 Absatz 1 Grundgesetz bis in die jüngste Zeit festgehalten (BVerfG, Beschluss vom 21. Juli 2010 - 1 BvR 2464/07 -, NJW 2010, 2783). Bislang ist nicht zu erkennen, dass das Gericht diese Rechtsprechung aufgeben wird. Eine einfachgesetzliche Öffnung der Ehe, beispielsweise durch eine Änderung des § 1353 BGB, birgt deshalb ein erhebliches verfassungsrechtliches Risiko. Die in anderen Ländern bereits eingeführte Ehe für Partner gleichen Geschlechts (wie in den Niederlanden, Belgien, Kanada, Spanien, Südafrika, Norwegen, Schweden, Island und Portugal) lässt sich in Deutschland auf sicherem Wege nur mit einer Verfassungsänderung verwirklichen.
Soweit das Bundesverfassungsgericht in seiner Transsexuellenentscheidung vom 27. Mai 2008 (- 1 BvL 10/05 -, NJW 2008, 3117) die Ehe zwischen gleichgeschlechtlichen Partnern im Ergebnis zugelassen hat, betrifft dies eine Sonderkonstellation. Es ging nicht um eine Eheschließung, sondern um den Fortbestand einer zwischen Partnern verschiedenen Geschlechts geschlossenen Ehe, von denen einer eine Geschlechtsumwandlung vollzogen hatte. Hier hat das Bundesverfassungsgericht es für unzumutbar gehalten, zu verlangen, die bestehende Ehe zu beenden, um das neue Geschlecht des verheirateten Transsexuellen rechtlich anzuerkennen. Gerade aber auch in dieser Entscheidung hat das Gericht - wie in den folgenden Entscheidungen - das Strukturprinzip der Verschiedengeschlechtlichkeit der Ehepartner ausdrücklich erwähnt.
Um dem berechtigten Anliegen einer vollständigen Gleichstellung von gleichgeschlechtlichen und verschiedengeschlechtlichen Paaren zu genügen, ist es erforderlich, dass dies in unserer Verfassung zum Ausdruck kommt. Nur so kann das Risiko der Verfassungswidrigkeit einer einfachgesetzlichen Öffnung der Ehe und in Folge - vorhersehbar - ein langer Streit um die Verfassungsgemäßheit dieses Gesetzes vermieden werden.