Der Bundesrat hat in seiner 952. Sitzung am 16. Dezember 2016 gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG die folgende Stellungnahme beschlossen:
Zur Vorlage allgemein
- 1. Eine von allen Mitgliedstaaten mitgetragene EU-weite einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage bietet die Chance, die Transparenz der Unternehmensbesteuerung zu erhöhen, die Befolgungskosten für die Unternehmen zu reduzieren, bestehende Hindernisse für den Binnenmarkt zu beseitigen und grenzüberschreitende Tätigkeiten zu erleichtern. Insofern begrüßt und unterstützt der Bundesrat die Bestrebungen der Kommission, eine einheitliche und konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage zu schaffen.
- 2. Die positiven Effekte einer stärkeren Steuerharmonisierung werden aber nur dann eintreten, wenn die gemeinsamen Regeln zur Ermittlung der Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage in allen Mitgliedstaaten gelten. Der von der Kommission angestrebte zweistufige Ansatz muss daher sicherstellen, dass im Falle einer Einigung auf eine Gemeinsame konsolidierte Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage (GKKB) für alle Mitgliedstaaten bindend auch eine konsolidierte Gewinnermittlung und -aufteilung auf der Basis der einheitlichen Bemessungsgrundlage erfolgt. Nicht akzeptabel wäre, wenn Mitgliedstaaten einseitig die Konsolidierung ablehnen könnten.
- 3. Die Harmonisierung der Steuersätze ist nicht Gegenstand des Richtlinienvorschlags. Der Bundesrat hat bereits mehrfach (vergleiche BR-Drucksache 971/01(B) , BR-Drucksache 281/06(B) , BR-Drucksache 463/07(B) , BR-Drucksache 155/11(B) ) die Befürchtung geäußert, dass die einseitige Strategie der Kommission zugunsten einer Harmonisierung der körperschaftsteuerlichen Bemessungsgrundlage ohne gleichzeitige Angleichung der Nominalsteuersätze einen zusätzlichen Steuerwettlauf bei der Besteuerung mobiler Wirtschaftsfaktoren auslöst. Durch eine solche Steuersenkungsspirale verlieren letztendlich alle Mitgliedstaaten immer mehr Steuersubstrat. Die Harmonisierung der Bemessungsgrundlage sollte daher zwingend von einer Harmonisierung der Steuersätze - zumindest durch Schaffung eines Steuersatzkorridors mit einer substanziellen Begrenzung nach unten - begleitet werden.
- 4. Die Ausgestaltung des Richtlinienvorschlags als semi-obligatorisches System, welches eine einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage nur für solche körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmensgruppen verpflichtend vorsieht, die bestimmte Größenmerkmale erfüllen, und für andere körperschaftsteuerpflichtige Unternehmen, die diese Größenmerkmale nicht erfüllen, ein Wahlrecht zur Inanspruchnahme der vorgeschlagenen Richtlinie einräumt, ist zu überdenken. Die Konsequenz der Optionalität ist, dass die Finanzverwaltung parallel zwei Gewinnermittlungsregime administrieren müsste, was zu einem erheblichen Verwaltungsmehraufwand führt. Zudem ist der Wechsel in und aus dem Gemeinsame-Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage-(GKB)-System von ganz erheblicher Komplexität. Der Bundesrat ist daher der Auffassung, dass die einheitliche Körperschaftsteuer-Bemessungsgrundlage für alle körperschaftsteuerpflichtigen Unternehmen gelten sollte. Ferner ist zu berücksichtigen, dass die Mehrzahl der deutschen Unternehmen als Personenunternehmen organisiert ist, die von der Anwendung der vorgeschlagenen Richtlinie ausgeschlossen sind. Um auch hier das Nebeneinander verschiedener Gewinnermittlungssysteme zu vermeiden, sollte den Mitgliedstaaten ermöglicht werden, den Anwendungsbereich der vorgeschlagenen Richtlinie auch auf Personengesellschaften auszuweiten.
- 5. Zu unterstützen ist die Kommission in ihren Bestrebungen, eine einfache und breite Bemessungsgrundlage zu erreichen. Eine breite Bemessungsgrundlage möglichst ohne Sonderregelungen und Sondervergünstigungen für bestimmte Branchen oder Gruppen erhöht die Transparenz eines Steuersystems.
- 6. Abzulehnen ist daher der Vorschlag der Kommission, die Schaffung einer einheitlichen Bemessungsgrundlage mit der Einführung einer Sonderförderung für den Abzug von Forschungs- und Entwicklungskosten zu verknüpfen. Diese stellt einen Fremdkörper innerhalb eines Systems zur Vereinheitlichung der Bemessungsgrundlage dar. Sie ist weder mit dem derzeitigen Konzept einer direkten Projektförderung abgestimmt, noch trägt sie zur Vereinfachung und Verbreiterung der Bemessungsgrundlage bei. Die Mitgliedstaaten sollten auch in Zukunft in alleiniger Zuständigkeit darüber entscheiden, ob und auf welche Weise (direkte oder steuerliche Förderung) sie Forschung und Entwicklung fördern wollen.
- 7. Auch der Vorschlag der Kommission, Eigenkapitalfinanzierungen gegenüber der Finanzierung mit Fremdkapital durch einen Freibetrag für Wachstum und Innovation zu stärken, ist im Rahmen einer einheitlichen Bemessungsgrundlage nicht zu unterstützen. Der Abzug als Betriebsausgabe würde die Bemessungsgrundlage schmälern und hätte Mindereinnahmen für den Staat zur Folge. Ferner besteht mit dem Instrument der Zinsschranke bereits ein wirkungsvolles Instrument zur Verfügung, um Gewinnverlagerungen im Konzern durch übermäßige Fremdkapitalfinanzierungen zu begegnen.
- 8. Es ist sicherzustellen, dass durch die Einführung einer EU-weit einheitlichen Bemessungsgrundlage keine substantiellen Steuermindereinnahmen für Deutschland verbunden sind. Gegen den vorgeschlagenen Grundansatz zur Harmonisierung der Gewinnermittlung bestehen in weiten Teilen zwar keine grundsätzlichen Bedenken. Es ist allerdings für Deutschland zu befürchten, dass es in Teilbereichen nicht zu einer Verbreiterung, sondern zu einer Verringerung der Bemessungsgrundlage kommt. Das trifft im Besonderen für die vorgesehene Behandlung von Abschreibungen und die Bewertung von Rückstellungen zu.
- 9. Der Anwendungsbereich der Regelung zum Verlustuntergang bei einem qualifizierten Anteilseignerwechsel ("Mantelkauf") ist gegenüber dem nationalen Recht stark eingeschränkt. Es besteht damit die Gefahr eines Handels mit Verlustmänteln mit der Folge erheblicher Steuerausfälle. Zudem enthält der Entwurf durch die Anknüpfung an bestimmte Umsatzgrenzen gestaltungsanfällige und schwer zu administrierende Voraussetzungen. Der Vorschlag ist daher insoweit abzulehnen.
- 10. Die im Richtlinienvorschlag vorgesehene Möglichkeit zur grenzüberschreitenden Verlustverrechnung ist abzulehnen. Die Diskussion über die Anerkennung ausländischer Verluste ist auf der zweiten Stufe der Reform (Konsolidierung) zu führen. Zur Harmonisierung der Gewinnermittlungsvorschriften bedarf es eines derartigen Ansatzes nicht.
- 11. Nach deutschem Recht werden Unternehmensgewinne neben der Körperschaftsteuer auch mit der Gewerbesteuer belastet. Aus deutscher Sicht bedarf es einer Prüfung, inwieweit sich eine neue einheitliche europäische Bemessungsgrundlage für die Körperschaftsteuer auf die Bemessungsgrundlage für die Gewerbesteuer auswirkt, deren Ausgangsgröße bisher der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes und des Körperschaftsteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn ist. Eine eigenständige gewerbesteuerrechtliche Ermittlung der Ausgangsgröße führt zu zusätzlichem Verwaltungsaufwand sowohl für die betroffenen Unternehmen als auch für die Steuerverwaltungen. Die Auswirkungen des Richtlinienvorschlags auf die Gewerbesteuer sind in den weiteren Entscheidungsprozess einzubeziehen.
- 12. Die Delegation von Rechtsakten auf die Kommission, wie sie in dem Richtlinienvorschlag für bestimmte Regelungen vorgesehen ist, birgt die große Gefahr, dass mitgliedstaatliche Kompetenzen im Bereich der direkten Steuern auf die Kommission verlagert werden. Eine Aushöhlung der mitgliedstaatlichen Rechte im Wege delegierter Rechtsakte ist daher abzulehnen.
- 13. Der Richtlinienvorschlag ist darüber hinaus in einer Vielzahl weiterer Punkte änderungs-, ergänzungs- und klarstellungsbedürftig. Insbesondere auch die Vorschriften zur Bekämpfung der Steuervermeidung bedürfen noch der Abstimmung mit anderen, bereits beschlossenen Rechtsakten der EU (zum Beispiel Richtlinie (EU) Nr. 2016/1164 des Rates vom 12. Juli 2016 mit Vorschriften zur Bekämpfung von Steuervermeidungspraktiken mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Funktionieren des Binnenmarkts). Er sollte vor diesem Hintergrund grundsätzlich überarbeitet werden.
- 14. Die Einführung einer gemeinsamen Bemessungsgrundlage ist ein überaus ambitioniertes Ziel, das sich nicht kurzfristig verwirklichen lässt. Angesichts der beträchtlichen Auswirkungen, die ein gemeinsames europäisches Unternehmenssteuerrecht mit sich bringen wird, ist eine sorgfältige Prüfung des Vorhabens einschließlich der haushaltsmäßigen Auswirkungen unerlässlich. Mit der Planung einer Evaluierung der Wirkungen des Richtlinienvorschlags sollte zeitnah begonnen werden, da die Erstellung eines Modells bzw. die Durchführung eines Planspiels einen erheblichen Zeitaufwand beanspruchen dürften.
- 15. Die Frage, ob eine Zustimmung Deutschlands zum Richtlinienvorschlag erfolgen soll, sollte so lange offen bleiben, bis alle Bestandteile des Richtlinienvorschlags abschließend bewertet sind. Der Bundesrat behält sich die Abgabe weiterer Stellungnahmen zu Einzelbestimmungen des Vorschlags vor.
Vorlagenbezogene Vertreterbenennung
- 16. Der Bundesrat benennt für die Beratungen der Vorlage in den Gremien des Rates gemäß § 6 Absatz 1 EUZBLG in Verbindung mit Abschnitt I der Bund-Länder-Vereinbarung einen Vertreter des LandesHessen, Ministerium der Finanzen (RD Torsten Falk).
Direktzuleitung an die Kommission
- 17. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.