928. Sitzung des Bundesrates am 28. November 2014
Der federführende Ausschuss für Fragen der Europäischen Union (EU) und der Verkehrsausschuss (Vk) empfehlen dem Bundesrat, zu der Vorlage gemäß §§ 3 und 5 EUZBLG wie folgt Stellung zu nehmen:
- 1. Der Bundesrat bekräftigt seine Auffassung, dass eine Änderung der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 23. Oktober 2007 über öffentliche Personenverkehrsdienste auf Schiene und Straße und zur Aufhebung der Verordnungen (EWG) Nr. 1191/69 und (EWG) Nr. 1107/70 des Rates auf die Punkte beschränkt bleiben sollte, die für die Umsetzung der Marktöffnung im Schienenpersonennahverkehr notwendig sind. Die Ausdehnung auf den straßengebundenen öffentlichen Personennahverkehr widerspricht dem in Artikel 11 Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 vorgesehenen Vorgehen zur Evaluierung der Verordnung.
- 2. Er wendet sich erneut gegen eine Überregulierung der Materie und unverhältnismäßige Eingriffe in die Entscheidungshoheit der für den öffentlichen Personennahverkehr zuständigen Aufgabenträger. Das gilt insbesondere auch mit Blick auf die Entschließung des Europäischen Parlaments vom 26. Februar 2014, mit der Änderungen vorgeschlagen werden, die über den Vorschlag der Kommission noch hinausgehen.
- - Nicht für sachdienlich hält der Bundesrat den Vorschlag, die zuständigen Behörden zur Erstellung multimodaler Netzpläne und zur Bestimmung der Vergabeart in den multimodalen Netzplänen zu verpflichten. Die Verordnung erschwert in der vorgeschlagenen Fassung, unter anderem durch die Einführung von multimodalen Plänen für den öffentlichen Verkehr und die hierdurch erfolgenden Einschränkungen der Direktvergabe, den Kommunen die Planung, die Organisation und die Vergabe der Verkehrsdienstleistungen im allgemeinen öffentlichen Personennahverkehr. So ist vorgesehen, dass die zuständigen Behörden in einer öffentlichen Begründung nachweisen müssen, dass nur mit der von ihnen gewählten Vergabeart die Wirtschaftlichkeit, die Effizienz und die Qualitätsziele der Pläne gewahrt bleiben. Es ist bereits fraglich, ob eine solche Begründung überhaupt möglich ist. Jedenfalls lässt diese in den multimodalen Plänen vorgesehene Pflicht zur Bestimmung der Vergabeart die Möglichkeit für eine Direktvergabe faktisch leerlaufen. - Nicht einverstanden ist der Bundesrat darüber hinaus mit dem Vorschlag, die zuständigen Behörden entsprechend dem Änderungsentwurf zu detaillierten jährlichen Berichten zu verpflichten, die auch die Qualitätskriterien umfassen, da der damit verbundene Aufwand unverhältnismäßig wäre. Bereits die bisherige Regelung des Artikels 7 Absatz 1 der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 sieht vor, dass ein jährlicher Gesamtbericht von den Behörden erstellt wird. Die Kontrolle der Qualität kann auch nach dem Wortlaut der geltenden Verordnung sichergestellt werden. Die geltende Verordnung gewährt den Behörden aber mit Blick auf einen etwaigen Kostenaufwand einen größeren Gestaltungsspielraum. Die Verpflichtung zur genauen Prüfung der in der Änderungsfassung genannten Qualitätskriterien kann dann, wenn diese Informationen kostenpflichtig erfasst werden müssen, erheblichen Aufwand bedeuten.
- - Schließlich ist auch der Vorschlag, ein Verbot der Unterkompensation einzuführen, abzulehnen. Die Einführung eines Unterkompensationsverbots könnte die Finanzierung des öffentlichen Personennahverkehrs über den steuerlichen Querverbund in Frage stellen und so Kommunen existenziellen Mehrbelastungen aussetzen. Die Mitaufnahme eines Unterkompensationsverbots in der Verordnung hätte für die Kommunen gravierende Auswirkungen, weil damit Ausgleichsleistungen der Kommunen nicht unter den Nettokosten von Dienstleistungen im öffentlichen Personennahverkehr liegen dürften. Folglich würde einem betrauten Unternehmen ein voller Ausgleichsanspruch gegenüber der Kommune zukommen, mit der Folge, dass im Unternehmen für die jeweils betrauten Dienstleistungen keine Verluste mehr entstehen und der steuerliche Querverbund weitgehend ins Leere liefe. Ein eventueller Verzicht des Unternehmens auf diesen Ausgleichsanspruch würde steuerrechtlich eine verdeckte Gewinnausschüttung darstellen. Der steuerliche Querverbund, der innerhalb eines Unternehmens eine Verrechnung von defizitären Leistungen mit Gewinnen ermöglicht, ist für die Kommunen und kommunalen Unternehmen eine elementare Grundlage, damit bestimmte defizitäre Leistungen im Bereich des öffentlichen Personennahverkehrs für die Bürgerinnen und Bürger weiterhin erbracht bzw. zu einem vertretbaren Entgelt angeboten werden können.
Weiter könnte durch die Einführung eines Unterkompensationsverbots die Möglichkeit der Vergabe von Dienstleistungskonzessionen auf Grundlage der Verordnung entfallen. Aus der Einführung des Unterkompensationsverbots kann ein einklagbarer Anspruch auf Ausgleich der Verluste abgeleitet werden. Dadurch wäre der Verlust aus dem Betreiben des ÖPNV, der Voraussetzung für den steuerlichen Querverbund ist, eliminiert. Andererseits wäre das Betreiben des öffentlichen Personenverkehrsdienstes praktisch risikolos, wenn ein Anspruch auf Ausgleich der Verluste bestünde. Die Übernahme eines überwiegenden Betriebsrisikos ist jedoch Voraussetzung für die Anwendung der Regelungen der Verordnung (EG) Nr. 1370/2007 zur Vergabe gemeinwirtschaftlicher Leistungen in Abgrenzung zu den Vorschriften der öffentlichen Vergabe.
- 3. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an die Kommission.
- 4. Der Bundesrat übermittelt diese Stellungnahme direkt an das Europäische Parlament.
*) Beschluss des Bundesrates vom 3. Mai 2013, BR-Drucksache 062/13(B) Wiederaufnahme der Beratungen gemäß § 45a Absatz 4 GO BR (jetzt: EU, Vk)