Der Bundesrat hat in seiner 941. Sitzung am 29. Januar 2016 beschlossen, zu dem Gesetzentwurf gemäß Artikel 76 Absatz 2 des Grundgesetzes wie folgt Stellung zu nehmen:
1. Zum Gesetzentwurf allgemein
Der Bundesrat begrüßt, dass mit der Richtlinie 2014/26/EU, die durch den vorliegenden Gesetzentwurf grundsätzlich sachgerecht umgesetzt wird, ein einheitlicher Rechtsrahmen für die in der EU tätigen Verwertungsgesellschaften geschaffen wurde mit dem Ziel, vergleichbare Wettbewerbsbedingungen zu erreichen.
Der Bundesrat weist jedoch auf Folgendes hin: Sowohl in Deutschland als auch in anderen Mitgliedstaaten der EU werden gesetzliche Vergütungsansprüche durch Verwertungsgesellschaften in bewährter Praxis gemeinsam für Kreative und für Verwerter wahrgenommen. Das so genannte Reprobel-Urteil des EuGH vom 12. November 2015 (Rechtssache C-572/13) hat in diesem Zusammenhang zu der erheblichen Rechtsunsicherheit geführt, ob eine Beteiligung von Verlegern an gesetzlichen Vergütungsansprüchen weiterhin zulässig ist.
Ein Ausschluss der Verleger von den Einnahmen aufgrund der gesetzlichen Vergütungsansprüche wäre sachlich in keiner Weise gerechtfertigt, weil auch Verleger einen Nachteil dadurch erleiden, dass ihre Werke aufgrund von Schrankenregelungen ohne ihre Zustimmung genutzt werden können. Er würshalb das bisherige System der urheberrechtlichen Schrankenregelungen insgesamt in Frage stellen.
Der Bundesrat bittet daher die Bundesregierung, sich auf der europäischen Ebene dafür einzusetzen, dass eine Beteiligung der Verleger an den gesetzlichen Vergütungsansprüchen auch künftig möglich bleibt.
Unabhängig davon sollte in dem Entwurf des Verwertungsgesellschaftengesetzes (VGG-E) in geeigneter Weise klargestellt werden, dass - entsprechend dem Erwägungsgrund 20 der Richtlinie 2014/26/EU - auch Verleger Rechtsinhaber im Sinn des § 5 VGG-E sind und an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden können.
2. Zu Artikel 1 (§ 22 Absatz 2 Satz 2 - neu - VGG)
In Artikel 1 ist dem § 22 Absatz 2 folgender Satz anzufügen:
"Ein Mitglied wird auf Vorschlag der bundesweiten Dachorganisationen der mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbraucherverbände in das Aufsichtsgremium berufen."
Begründung:
Das Verwertungsgesellschaftengesetz sieht auch weiterhin keine spezifische Rechtsform für die Verwertungsgesellschaften vor. Verwertungsgesellschaften sind juristische Personen des Privatrechts und beispielsweise als wirtschaftliche Vereine (wie die GEMA) staatlich anerkannt. Um die Akzeptanz und Transparenz weiter zu erhöhen, sollten die satzungsmäßigen Aufsichtsgremien der Verwertungsgesellschaften auch mit Vertretern der Verbraucherverbände besetzt werden.
Dieser Forderung trägt der vorliegende Vorschlag Rechnung. Je eine Vertreterin oder ein Vertreter der Verbraucherverbände sollen in das Aufsichtsgremium einer Verwertungsgesellschaft berufen werden.
3. Zu Artikel 1 (§ 40 Absatz 1 Satz 1 VGG)
Der Bundesrat regt an, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die materiellen Kriterien zur Bestimmung der Höhe der Vergütung für Geräte und Speichermedien über die in § 40 Absatz 1 Satz 1 VGG-E vorgesehene Verweisung auf § 54a des Urheberrechtsgesetzes hinaus gesetzlich zu präzisieren und zu konkretisieren.
Begründung:
Das Ziel des Gesetzesentwurfes, eine raschere Aufstellung von Tarifen für die Geräte- und Speichermedienvergütung zu ermöglichen, ist zu begrüßen. Nach den Erfahrungen des Oberlandesgerichtes München, das gemäß § 16 Absatz 4 des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes erstinstanzlich bundesweit als einziges Gericht für Streitverfahren über die Vergütungspflicht nach § 54 oder § 54c des Urheberrechtsgesetzes zuständig ist, beruht die Dauer der Verhandlungen und Streitigkeiten über die Speicher- und Mediengerätevergütung jedoch vorrangig darauf, dass § 54a des Urheberrechtsgesetzes, auf den § 40 Absatz 1 Satz 1 VGG-E verweist, keine hinreichenden Kriterien enthält, um anhand des Maßstabes der tatsächlichen Nutzung die Höhe der Vergütung zu bestimmen. Zur Lösung des Problems erscheint es daher erforderlich, dass der Gesetzgeber zusätzlich zu den in § 40 Absatz 1 Satz 2 und § 93 VGG-E vorgesehenen verfahrensrechtlichen Änderungen auch die materiellen Kriterien für die Vergütungshöhe präzisiert und konkretisiert.
4. Zu Artikel 1 (§ 40 Absatz 3 - neu - VGG)
In Artikel 1 ist dem § 40 folgender Absatz anzufügen:
(3) Die Verwertungsgesellschaften sind verpflichtet, die aus den empirischen Untersuchungen abgeleiteten Kalkulationsgrundlagen und die Berechnungen der Tarife zu dokumentieren und zu veröffentlichen."
Begründung:
Eine empirische Untersuchung stellt eine wissenschaftliche Methodik dar, welche Aussagen über die Realität durch Befragung, Beobachtung und Messung gewinnen soll. Dabei werden theoretisch abgeleitete Aussagen durch geeignete Instrumentarien überprüft.
Zu kritisieren ist jedoch, dass je nach Wahl des Instrumentariums und des Kreises der Befragten sowie durch die Formulierung der Fragen bereits im Vorfeld Einfluss auf die Ergebnisse genommen werden kann. Der Nachweis eines unabhängigen Verfahrens gestaltet sich hierbei schwierig.
Eine empirische Untersuchung verursacht zudem Kosten in Höhe von bis zu einer Million Euro, die auf die Verbraucherinnen und Verbraucher umgelegt werden.
Die Kalkulationsgrundlagen der Verwertungsgesellschaften, die aus den empirischen Untersuchungen abgeleitet werden, sollten daher verpflichtend und nachvollziehbar dokumentiert werden, damit jederzeit eine Überprüfung durch die Aufsichtsbehörde und gegebenenfalls weitere Kontrollorgane (z.B. Schiedsstelle, Gericht) ermöglicht werden kann.
5. Zu Artikel 1 (§ 85 Absatz 7 - neu - VGG)
In Artikel 1 ist dem § 85 folgender Absatz anzufügen:
(7) Die Aufsichtsbehörde wird in begründeten Einzelfällen auch dann tätig, wenn eine bundesweite Dachorganisation der mit öffentlichen Mitteln geförderten Verbraucherverbände eine Überprüfung der ordnungsgemäßen Handlungsweise einer Verwertungsgesellschaft beantragt."
Begründung:
Um neben den Interessen der Rechteinhaber und der Wirtschaft auch die Verbraucherinteressen angemessen berücksichtigen zu können, muss die öffentliche Aufsicht und Kontrolle über die Tätigkeiten der Verwertungsgesellschaften weiter gestärkt werden.
Mit der vorgeschlagenen Änderung soll den Verbraucherverbänden ein erweitertes Beteiligungsrecht gegenüber der Aufsichtsbehörde nach § 75 VGG-E eingeräumt werden. So muss die Aufsichtsbehörde im begründeten Einzelfall auf Antrag der Verbraucherverbände tätig werden.
6. Zu Artikel 1 (§ 117 Absatz 3 und 4 VGG)
Der Bundesrat bittet, im weiteren Gesetzgebungsverfahren die Gebührenregelung in § 117 Absatz 3 und 4 VGG-E daraufhin zu überprüfen, ob die dort vorgesehene Regel-Gebührenhöhe von 3,0 angesichts der in § 128 Absatz 1 VGG-E bestimmten zwingenden Vorschaltung des Schiedsstellenverfahrens vor zulässiger Klageerhebung sachgerecht ist.
Begründung:
Nach der Regelung in § 117 Absatz 3 Satz 1 VGG-E erhebt die Schiedsstelle grundsätzlich eine Gebühr mit einem Gebührensatz von 3,0. Bisher erhebt die Schiedsstelle eine 1,0-Gebühr, § 13 Absatz 2 der Urheberrechtsschiedsstellenverordnung. Die Erhöhung der Gebühr wird im Gesetzentwurf damit begründet, dass dies vor dem Hintergrund des mit dem Schiedsstellenverfahren verbundenen hohen Aufwands sachgerecht erscheine. Allerdings wird dabei außer Acht gelassen, dass nach § 128 Absatz 1 VGG-E (wie auch jetzt schon nach § 16 Absatz 1 des Urheberrechtswahrnehmungsgesetzes) die Erhebung einer gerichtlichen Klage bei Streitfällen nach § 92 Absatz 1 und 2 VGG-E, also nahezu umfassend, erst zulässig ist, wenn ein Verfahren vor der Schiedsstelle vorausgegangen ist. Die Beteiligten werden damit mit doppelten Gebühren belastet. Die Attraktivität der (freiwilligen) Anrufung der Schiedsstelle könnte durch die Gebührenerhöhung ebenso sinken.