Der Bundesrat hat in seiner 908. Sitzung am 22. März 2013 beschlossen, zu dem vom Deutschen Bundestag am 1. März 2013 verabschiedeten Gesetz einen Antrag gemäß Artikel 77 Absatz 2 des Grundgesetzes nicht zu stellen.
Der Bundesrat hat ferner die folgende Entschließung gefasst:
- 1. Die Informations- und Kommunikationsmöglichkeiten des Internets und digitaler Medien sind faszinierend. Sie bieten insbesondere neue Möglichkeiten der demokratischen Öffentlichkeit und Beteiligung. Gleichzeitig stellen sie alle Medienschaffenden - etablierte Medienhäuser ebenso wie neue Plattformen und Dienstleister - vor die Herausforderung, Geschäftsmodelle zu entwickeln, die diesen neuen medialen Möglichkeiten gerecht werden. Dabei wird es im Hinblick auf die gesellschaftlich notwendige Öffentlichkeit auch in Zukunft darauf ankommen, dass wir qualitativ hochwertige journalistische Berichterstattung weiterhin wirtschaftlich ermöglichen und zugleich gesellschaftlich zugänglich halten. Urheber, Verleger und Plattformbetreiber brauchen Spielregeln, die für einen fairen Ausgleich ihrer unterschiedlichen Interessen sorgen können, um digitale Freiheit zu ermöglichen. In diesem Zusammenhang sieht der Bundesrat die Notwendigkeit einer Regelung, die klärt, wie und unter welchen Bedingungen presseverlegerische Produkte im Netz genutzt werden können. Eine solche Regelung ist dann fair, wenn sie einerseits Presseverlagen die Verfügung über ihre Produkte im Netz sichert und es ihnen ermöglicht, die unautorisierte Verwendung ihrer Artikel durch Dritte zu unterbinden, wenn sie aber anderseits die Legitimität neuer, fairer Geschäftsmodelle der Inhaltedistribution im Netz nicht in Frage stellt und die Auffindbarkeit von Inhalten grundsätzlich wahrt. Darüber hinaus darf sie die Durchsetzbarkeit der Rechte der Urheber nicht beschneiden und sollte mit Verbesserungen im Urhebervertragsrecht abgestimmt sein.
- 2. Das vom Deutschen Bundestag beschlossene Gesetz zu einem Leistungsschutzrecht genügt diesen Anforderungen nicht und läuft den genannten Zielen zuwider. Es ist außerdem handwerklich schlecht gemacht, denn es beinhaltet zahllose unbestimmte Rechtsbegriffe und schafft dadurch rechtliche Grauzonen, die voraussichtlich erst nach langjährigen gerichtlichen Auseinandersetzungen geklärt sein werden. Der Bundesrat bedauert, dass die Bundesregierung es versäumt hat, im Gespräch mit den verschiedenen betroffenen Gruppen und Unternehmen eine Lösung zu erarbeiten, die einen fairen Ausgleich zwischen den Betroffenen vornimmt und dabei der positiven Dynamik neuer digitaler Geschäftsmodelle ebenso gerecht wird wie der Bedeutung des Beitrags verlegerischer Leistungen zur journalistischdemokratischen Öffentlichkeit. Da es sich bei dem vom Deutschen Bundestag bereits beschlossenen Gesetz um ein Einspruchsgesetz handelt, hat der Bundesrat keine Möglichkeit, das Gesetz endgültig aufzuhalten. Der Bundesrat hält den von der Bundesregierung und der Mehrheit des Deutschen Bundestages gewählten Weg, ein Gesetz dieser Tragweite im Eilverfahren ohne ausreichende Beratung zu beschließen und durch das Gesetzgebungsverfahren zu bringen, für falsch.
- 3. Der Bundesrat hält es für notwendig, unter Einbeziehung aller Akteure einen Vorschlag zu entwickeln, der die Möglichkeiten der Presseverleger zur Rechtsdurchsetzung im Hinblick auf bereits bestehende (ggf. abgeleitete) Urheberrechte stärkt, dabei die Interessen der Urheber (hier insbesondere Journalistinnen und Journalisten) vollständig wahrt und den Grundsatz der Informationsfreiheit gewährleistet. Es geht insbesondere darum, die unberechtigte und systematische Verwertung presseverlegerischer Produkte zu unterbinden und Investitionen in die Herstellung und Veröffentlichung journalistischer Information zu schützen, ohne dadurch die Auffindbarkeit von Information zu gefährden oder die Entwicklung neuer Geschäftsmodelle zu behindern. Eine solche Regelung ist damit Teil der Rahmenbedingungen der digitalen Medienwirtschaft und braucht daher die Akzeptanz sowohl der Inhalteproduzenten als auch der neuen digitalen Inhalteverwerter.
- 4. Eine solche Regelung wird die Unterstützung des Bundesrates finden. Angesichts der wenigen Zeit, die in der aktuellen Legislaturperiode des Deutschen Bundestages verbleibt, sollte sie nunmehr im Konsens und im Hinblick auf die nächste Legislaturperiode gemeinsam mit allen Beteiligten erarbeitet werden. Der Bundesrat erwartet, dass eine neue Bundesregierung nach dem 22. September dieses Jahres einen Vorschlag zur Novellierung des jetzt vom Deutschen Bundestag beschlossenen und gemessen an den genannten Kriterien unzureichenden Gesetzes vorlegen wird.